08.01.2010
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 08.09.1999 – 5 K 2457/91 U
Einem Taxiunternehmen sind auch die von seinen ggf. selbständigen Aushilfsfahrern durchgeführten Beförderungen in vollem Umfang zuzurechnen, wenn die Leistungen im Namen und für Rechnung dieses Unternehmens erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin, die ihren Geschäftsbetrieb inzwischen eingestellt hat, betrieb u. a. in den Streitjahren 1984 bis 1987 ein Taxiunternehmen in A-stadt. In den Streitjahren besaß die Klägerin mindestens 19 Taxen, die sie im Tag- und Nachtschichtdienst einsetzte und von 15 fest angestellten Taxifahrern sowie zahlreichen Aushilfsfahrern fahren ließ.
In den Jahren 1988 bis 1990 fand bei der Klägerin eine Steuerfahndungsprüfung durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A-stadt statt. Dabei traf der Prüfer folgende Feststellungen:
Die Kassenaufzeichnungen der Klägerin seien mangelhaft. Die Bareinnahmen aller Taxifahrer seien täglich in einer nicht überprüfbaren Summe aufgezeichnet worden. Arbeitszeitnachweise der Fahrer seien nur teilweise vorhanden, der überwiegende Teil sei vernichtet worden. Auch andere Unterlagen (z. B. Schichtpläne und Aufzeichnungen über Kilometerstände) seien größtenteils vernichtet worden. Aus den noch vorhandenen Arbeitszeitnachweisen und Reparaturrechnungen ergäben sich folgende Gesamtfahrleistungen:
1984 | 1.987.497 km |
1985 | 1.967.667 km |
1986 | 1.836.728 km. |
In Ermangelung geeigneter Unterlagen sei die Laufleistung für 1987 in Anlehnung an die vorgenannten Werte auf 1.900.000 km zu schätzen.
Darüber hinaus stellte der Prüfer - z. T. unter Berücksichtigung von Ermittlungsergebnissen des Arbeitsamtes A-stadt und der AOK A-stadt - fest, dass die Umsätze der Fahrer nur unvollständig verbucht worden waren. So seien bei einer Reihe von ohne Lohnsteuerkarte beschäftigten Fahrern, die 40 % der von ihnen eingefahrenen Bruttoumsätze als Arbeitsentgelt erhielten, nur die an die Klägerin abgeführten 60 % als Umsatz erfasst worden. Wegen der Feststellungen im Einzelnen wird auf Textziffern 13 bis 16 des Steuerfahndungsberichtes vom 16.03.1999 Bezug genommen.
Aufgrund seiner Feststellungen ging der Prüfer davon aus, dass eine ordnungsgemäße Buchführung nicht vorliege. Er schätzte die Umsatzerlöse der Klägerin unter Berücksichtigung der vorgenannten Laufleistungen der Taxen und eines durchschnittliches Erlöses von 1,10 DM pro gefahrenen Kilometer auf brutto 2.186.246 DM (1984), 2.164.433 DM (1985), 2.020.400 DM (1986), 2.090.000 DM (1987).
Dies führte zu bisher nicht erklärten Bruttoumsätzen i. H. v. 702.259 DM (1984), 680.841 DM (1985), 531.870 DM (1986) und 610.825 DM (1987). Unter Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7 % gelangte der Prüfer zu höheren Umsatzsteuern i. H. v. 45.942 DM (1984), 44.541 DM (1985), 34.795 DM (1986) und 39.960 DM (1987).
Gegen die dementsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide 1984 bis 1987 von 29.06.1990 richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.
Die Klägerin macht geltend:
Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihre Umsätze zu schätzen. Die Buchführung der Klägerin sei ordnungsgemäß. Die mangelnde Aufbewahrung der Arbeitszeitnachweise der Fahrer sei nicht erheblich. Die im Steuerfahndungsbericht angeführten Unregelmäßigkeiten bei der Verbuchung träfen sämtlich nicht zu. Für die im Zusammenhang mit Verfahren beim Arbeitsamt A-stadt und bei der AOK A-stadt erhobenen Vorwürfe habe die Verwaltung bisher keine konkreten Beweise vorgebracht. Das Arbeitsamtsverfahren sei inzwischen eingestellt worden. Darüber hinaus sei die Schätzung auch fehlerhaft.
Zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass es sich bei den von ihr beschäftigten Aushilfsfahrern um Arbeitnehmer handele. Diese seien vielmehr als selbständige Unternehmer anzusehen. Zur Begründung beruft die Klägerin sich insbesondere auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 29.05.1991 - 7 ABR 67/90.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Umsatzsteuerbescheide 1984 bis 1986 vom 29.06.1990 aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 1987 vom 29.06.1990 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer erklärungsgemäß auf 37.296,42 DM festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, im Streitfall sei das Finanzamt berechtigt gewesen, die Umsätze zu schätzen, weil die Buchführung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin handele es sich auch bei den bei ihr beschäftigten Aushilfsfahrern um Arbeitnehmer.
Gründe
Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Beklagte war dem Grunde nach berechtigt, Hinzuschätzungen zu den von der Klägerin erklärten Umsätzen vorzunehmen. Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 162 Abs. 1 AO). Zu schätzen ist u.a. insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen wegen fehlender sachlicher Richtigkeit der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 158 AO). Im Streitfall können die von der Klägerin in ihrer Buchführung erfassten Umsätze der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, weil sie nur unvollständig aufgezeichnet worden sind. Die Klägerin hat - unbestritten - die von den nicht fest angestellten Aushilfsfahrern getätigten Einnahmen nur zu 60 % in ihrer Buchführung erfasst, obwohl ihr diese - unabhängig davon, ob es sich bei den Aushilfen um Selbständige oder Arbeitnehmer handelt - in vollem Umfang zuzurechnen sind. Denn die Beförderungsleistungen gegenüber den Taxikunden erfolgten - wie inzwischen unstreitig ist - auch insoweit im Namen und für Rechnung der Klägerin, als es sich um von Aushilfsfahrern durchgeführte Beförderungen handelte. Die Fahrer traten gegenüber den Taxikunden im Namen der Klägerin auf. Im Innenraum der Fahrzeuge befand sich das Inhaberzeichen „Inhaberzeichen”. Soweit gegenüber den Kunden Rechungen erteilt wurden, wiesen diese ebenfalls die „Inhaberzeichen” als Leistungserbringerin aus (vgl. Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin im Erörterungstermin vom 16.11.1998 in den Verfahren 16 K 2789/93 H(L), 16 K 6223/94 H(L) - Bl. 105 /106 d. A. 16 K 2789/93 H(L) und Schriftsatz der Klägerin vom 26.7.1993 eingereicht als Anlage zum Schriftsatz vom 18.3.1994 im Verfahren 5 V 1932/94 A(U) - Bl. 1 ff, 11 ff. d. A. 5 V 1923/94 A(U)).
Darüber hinaus kann die Buchführung der Klägerin unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die Buchführung weitere formelle Mängel aufweist, auch deshalb der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, weil sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit materiell unrichtig ist. Unter Zugrundelegung der für die Jahre 1984 bis 1986 feststehenden Kilometerleistungen der von der Klägerin eingesetzten Fahrzeuge und der seinerzeitigen Fahrpreise lässt sich unter Berücksichtigung von statistischen Erfahrungswerten über den Grad der Auslastung (Verhältnis Leerfahrten/Besetztfahrten) mit der gebotenen Sicherheit feststellen, dass die Klägerin ihre Umsätze nur unvollständig erklärt hat.
Bei der Schätzung der Höhe nach schließt der Senat sich den Ausführungen des 16. Senats des FG Düsseldorf in dem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 10.3.1999 - 16 K 2789/93 H(L) an, wonach es unter Berücksichtigung des städtischen Gutachtens über die wirtschaftliche Situation des A-stadter Taxigewerbes 1985 und zur Abgeltung aller Schätzungsunsicherheiten sachgerecht erscheint, von einem Leer- und Besetztfahrtenanteil von jeweils 50 % auszugehen und die bisherigen Zuschätzungen der Steuerfahndung um jeweils 300.000.- DM (brutto) zu reduzieren. Wegen der Einzelheiten der Berechnung nimmt der Senat Bezug auf das vorgenannte Urteil des 16. Senats des FG Düsseldorf, S. 12 und 13. Unter Zugrundelegung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 b UStG reduzieren sich die angefochtenen Steuerfestsetzungen danach um jeweils 19.626.- DM.
Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob es sich bei den Aushilfsfahrern der Klägerin um Arbeitnehmer oder Selbständige handelt, ist für die Entscheidung des Streitfalles ohne Bedeutung. Wie sich aus dem vorstehend Gesagten ergibt, sind der Klägerin die mit den von Aushilfsfahrern gefahrenen Taxen getätigten Umsätze auch dann in voller Höhe zuzurechnen, wenn es sich bei den Aushilfsfahrern - entgegen der Würdigung des 16. Senats des FG Düsseldorf im o. g. Urteil - um selbständig tätige Subunternehmer der Klägerin gehandelt haben sollte. Auch ein Abzug weiterer Vorsteuerbeträge käme in den Streitjahren nicht in Betracht. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt für den Vorsteuerabzug u. a. voraus, dass der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis erteilt. Zumindest an dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. Denn die Aushilfsfahrer haben der Klägerin in den Streitjahren keine entsprechenden Rechnungen mit Steuerausweis erteilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.