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  • 20.11.2012

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 27.08.2012 – 4 K 2474/10

    1. Hybridanleihen sind nicht als Finanzinnovationen zu berurteilen, da keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist.

    2. Ein Privatanleger ist daher außerhalb der Haltefrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG allein mit den vereinnahmten Zinscoupons und Stückzinsen steuerpflichtig


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Finanzrechtsstreit

    hat der 4. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg am 27. August 2012 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … als Einzelrichter

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

    3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist die steuerliche Behandlung einer sog. Hybridanleihe.

    Die Kläger (Kl) reichten am 05. November 2009 ihre gemeinsame Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr 2008 beim Beklagten (Bekl) ein. In der beigefügten Anlage KAP wurden neben anderen Erträgen Einnahmen aus festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von ./. 32.871 EUR (X Bank) sowie ./. 4.636 EUR (Depotverwaltung A.B. / Y Bank) erklärt (Bl. 13 bis 15 sowie 28 bis 30 der ESt-Akten des Bekl.

    Die vorstehend genannten negativen Einnahmen stammen aus dem Ansatz einer Marktrendite nach der Veräußerung von Wertpapieren mit der Bezeichnung „8,62500 % Z AG Nachr. Anleihe …”. Hierbei handelt es sich um im Jahr 2005 ausgegebene sog. Hybridanleihen ohne feste Laufzeit. Der Zinssatz beträgt bis 29. Januar 2013 jährlich 8,625 %. Die Anlage kann von der Z AG zum 30. Januar 2013 gekündigt werden. Erfolgt keine Kündigung, erfolgt die Verzinsung nach dem Drei-Monats-Euribor plus einem Risikoaufschlag von 7,3 %, was im Zeitpunkt der Wertpapierausgabe einen ab Februar 2013 zu erwartenden Zins von etwa 9,8 % bedeutete. Die Anleihe hat keine Emissionsrendite, bei Kauf/Verkauf fallen Stückzinsen an. Der Anleger kann die Anleihe jederzeit an der Börse verkaufen, dabei können Kursgewinne bzw. Kursverluste entstehen.

    Nach einer punktuellen Fallprüfung durch das Qualitäts-Team des Bekl (ab Bl. 31 der ESt-Akten des Bekl) kam dieses zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – die Marktrendite bei der Veranlagung nur noch dann angesetzt werden könne, wenn die Finanzinnovation keine Emissionsrendite habe und eine Trennung der Ertrags- und der Vermögensebene nicht ohne Schwierigkeiten möglich sei. Hierzu werde auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. Juli 2007, BStBl I 2007, 548 verwiesen. Vorliegend gebe es keine Vermengung von Ertrags- und Vermögensebene. Die Zinserträge lägen offen und ließen sich leicht ermitteln. Für die Anwendung der (negativen) Marktrendite sei deshalb kein Raum. Die Besteuerung der laufenden Kapitalnutzungsentgelte erfolge daher nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG), die Besteuerung der Stückzinsen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG. Die Verluste im Kapitalstamm, also auf der Vermögensebene, könnten nur innerhalb der einjährigen Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG geltend gemacht werden.

    Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsauffassung kam der Bekl zum Ergebnis, dass bei den Kl Erträge aus festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von insgesamt 19.389 EUR anzunehmen seien. Den Gesamtverlust (Spekulationsverluste) nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG ermittelte der Bekl nach einer Anhörung der Kl mit insgesamt 26.665 EUR (Bl. 72 bis 74 der ESt-Akten des Bekl).

    Ergänzend wies er auf eine Kopie der „Sonstigen Hinweise zur Jahresbescheinigung” der X Bank hin (Bl. 75 der ESt-Akten des Bekl).

    Im ESt-Bescheid 2008 vom 07. April 2010 berücksichtigte der Bekl in Anwendung der Ergebnisse des Qualitäts-Teams danach beim Kl Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 22.304 EUR. Diese ergaben sich aus den bereits genannten Einnahmen betreffend die „Erträge aus verzinslichen Wertpapiern” – Z-Anleihe – (X Bank: 10.503 EUR und Y Bank 8.886 EUR) sowie weiteren – zwischen den Beteiligten nicht streitigen – Einnahmen. Nach Abzug von – ebenfalls unstreitigen – Werbungskosten in Höhe von 699 EUR und dem Sparerfreibetrag in Höhe von 1.500 EUR setzte der Bekl im ESt-Bescheid die Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen mit 20.105 EUR an.

    Bei den sonstigen Einkünften des Kl ging der Bekl von einem Ansatz in Höhe der – oben schon angesprochenen – negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit 26.665 EUR aus, die im Bescheid zum 31. Dezember 2008 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt vom 07. April 2010 (Bl. 85 der EStAkten des Bekl) einbezogen wurden.

    Mit ihrem hiergegen erhobenen Einspruch vom 28. April 2010 wandten sich die Kl dagegen, dass die von den Banken X und Y ermittelten und bescheinigten, von ihnen unverändert in die Steuererklärung übernommenen Kapitalerträge bei der Veranlagung wesentlich erhöht und teilweise korrespondierend entsprechende Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften angenommen worden seien.

    Bei der veräußerten „Z-Floatingrate-Nachrang-Anleihe von 2005 (2013/unbestimmt)” handele es sich um ein Wertpapier mit einem nach den Emissionsbedingungen gestuften Zinsversprechen, nämlich erst rund sieben Jahre fester Zins von jährlich 8,625 %, anschließend auf unbestimmte Zeit variabler Zins von vierteljährlich „3-Monats-Euribor plus 7,30% p.a.-Zuschlag”. Für diesen späteren variablen Zins sei im Emissionszeitpunkt Dezember 2005 bei einem aktuellen 3-Monats-Euribor von rund 2,50 % ein Zins von dann rund 9,80 % p.a. zu erwarten gewesen. Die allgemeine Festlegung des Zinses ab 2013 bedeute ganz konkret aus der Sicht des Emissionszeitpunkts nämlich rund 9,80 % p.a. und damit rund +1,20 % p.a. mehr als für den ersten Zeitraum von Dezember 2005 (Emission) bis Januar 2013 (Übergang zum Floater).

    Für die einkommensteuerliche Einordnung der Z-Floatingrate-Nachrang-Anleihe von 2005 als Finanz-Innovation, wie in § 20 Abs. 2 Ziffer 4 EStG klar beschrieben oder aber als „teleologisch reduzierte” schlichte Anleihe ohne Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene, bedeute diese positive Zins-Stufung, dass eben gerade eine klare Unterscheidung und Trennung zwischen Nutzungsentgelt und Kursergebnis nicht mehr möglich sei. Die Börse nehme die begründete Erwartung einer positiven späteren Zinsstufe bereits heute durch einen entsprechenden Kurszuschlag vorweg und lasse damit im Kurs als Teil der Vermögensebene etwas erscheinen, was genau betrachtet eigentlich späterer Mehrertrag und damit eigentlich Ertragsebene sei. Dass dies nicht nur Theorie, sondern tagtägliche Börsenpraxis sei, werde durch den beigefügten Kurs-Chart belegt (Bl. 4 der Rechtsbehelfsakten des Bekl). Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts des Einspruchsschreibens der Kl wird hierauf Bezug genommen (Bl. 1 bis 3 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).

    Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 wurde der Einspruch der Kl als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Entscheidung Bezug genommen (Bl. 7 bis 10 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).

    Mit der hiergegen gerichteten Klage vom 28. Juni 2010 wird von den Kl zur Begründung vorgetragen, dass die Banken völlig zutreffend die negativen Kapitalerträge bescheinigt hätten, da mit dem Wertpapier Z-AG Anleihe Wertpapiere verkauft worden seien, bei denen Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe oder für unterschiedlich lange Zeiträume gezahlt würden. Die Emissionsbedingungen für dieses Wertpapier würden nämlich für die Startphase ab Emission ab Anfang Dezember 2005 bis Ende Januar 2013 einen jährlich zu zahlenden festen Zins von 8,625 % und danach einen vierteljährlich zu zahlenden veränderlichen Zins in Höhe des jeweiligen 3-Monats-Euribors zuzüglich 7,30 % Zuschlag vorsehen. Ein solches Wertpapier falle in die Kategorie Finanz-Innovation, wie sie vom Gesetzgeber u.a. in § 20 Abs. 2 Ziffer 4d) EStG klar und eindeutig umschrieben werde. Der BFH urteile hierzu, dass die eigentlich doch sehr klare und eindeutige Besteuerungsvorschrift des § 20 Abs. 2 Ziffer 4 EStG zu den sog. Finanz-Innovationen im Wege teleologischer Reduktion dahin einzugrenzen sei, dass die Regelung auf solche Wertpapiere keine Anwendung finde, bei denen keine Vermengung zwischen Ertragsund Vermögensebene bestehe und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich sei. Vorliegend handele es sich bei dem Wertpapier aber nicht um ein solches, bei dem keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene bestehe und bei dem eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich sei. Denn bei der veräußerten Z-Floatingrate-Nachrang-Anleihe von 2005 handele es sich um ein Wertpapier mit einem nach den Emissionsbedingungen gestuften Zinsversprechen. Für die Börse, an der bekanntlich nicht nur Fakten, sondern auch und insbesondere Erwartungen die Kursbildung bestimmten, begründe die allgemeine Festlegung des Zinses ab 2013 mit 3-Monats-Euribor plus 7,30 % p.a. Zuschlag aus der Sicht des Emissionszeitpunkts die ganz konkrete Erwartung, dass auf den aktuellen Zins von 8,625 % ab 2013 rund 9,80 % p.a. und damit rund +1,20 % p.a. mehr folgen sollten als für den ersten Zeitraum von Dezember 2005 bis Januar 2013. Diese begründete Erwartung einer positiven späteren Zinsstufe nehme die Börse bereits heute durch einen entsprechenden Kurszuschlag vorweg. Sie lasse damit im Kurs als Teil der Vermögensebene etwas erscheinen, was genau betrachtet eigentlich späterer Mehrertrag und damit eigentlich Ertragsebene sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des umfassenden klägerischen Vortrags wird auf folgende Schriftsätze (teilweise mit Anlagen) Bezug genommen:

    vom 28. Juni 2010(Bl. 8 bis 28 der Finanzgerichts-FG-Akten)
    vom 20. Oktober 2010(Bl. 36 bis 38 der FG-Akten)
    vom 27. Januar 2011(Bl. 45 bis 48 der FG-Akten)
    vom 13. Juni 2012(Bl. 65 bis 71 der FG-Akten)
    vom 25. Juli 2012(Bl. 79 bis 80 der FG-Akten)
    Mit letztgenanntem Schriftsatz merkt der Prozessbevollmächtigte der Kl ergänzend noch Folgendes an:

    Die Kl würden mit den Ausführungen des Bekl in den ersten fünf Absätzen des Schriftsatzes vom 12. Juli 2012 in vollem Umfang übereinstimmen. Die Gesetzeslage und die Rechtsprechungslage seien präzise wiedergegeben.

    Die Ausführungen im 6. Abschnitt zu einfachen und zu umgekehrten Floatern könnten für den Streitfall jedoch keine zusätzlich verwertbaren Erkenntnisse bringen, da diese Floater bei der nach Ansicht der Kl gebotenen ceteris-paribus-Betrachtung (das heiße bei Annahme von im Übrigen gänzlich unveränderten Verhältnissen und insbesondere auch noch ohne jeden Einfluss von eventuellen Änderungen der Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt) eigentlich schon gar kein Fall der von § 20 Abs. 2 Nr. 4 d) EStG geforderten Zahlung von „Kapitalerträgen in unterschiedlicher Höhe” seien. Änderten sich die Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt nicht und bleibe der als Referenzzins festgelegte LIBOR oder FIBOR oder EURIBOR unverändert, würden sich auch für den betrachteten Floater nach dessen Emissionsbedingungen nur gleichbleibende Erträge ergeben. Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe ergäben sich nicht aus dem eigenen Recht des Wertpapiers, sondern nur abgeleitet und als Folgewirkung anderweitiger Änderungen. Es treffe zwar zu, dass zu den Besonderheiten der vorliegenden Z-Hybridanleihe neben dem Fehlen eines festen Rückzahlungstermins (nicht fest begrenzte Laufzeit) sowie der Zinszahlungspflicht nicht bei Verlustabschluss des Schuldners auch gehöre, dass der Schuldner und nur der Schuldner, nicht aber die Gläubiger, erstmals zum 31. Januar 2013 und dann zu jedem weiteren Zinsanpassungstermin kündigen könne und (auch) im Veräußerungszeitpunkt im Jahr 2008 nicht absehbar gewesen sei, ob dies der Fall sein würde. Dass „daher” aber davon auszugehen sei, dass die mögliche höhere Verzinsung ab dem Jahr 2013 noch nicht in den Börsenkurs eingepreist worden sei, sei schlichte Behauptung und bleibe auch ohne jede Begründung. Für diese Behauptung gebe es gar keine Anhaltspunkte. Die Z-AG zahle mit 8,625% p.a. einen hohen Preis u.a. dafür, dass sie sich bei der Rückzahlung alle Freiheiten habe einräumen lassen, und sie zahle diesen Preis sicher nicht, um dann von der ausbedungenen extrem langen Laufzeit überhaupt keinen Gebrauch machen zu wollen. Mit einem von vornherein zugesagten festen Rückzahlungstermin 2013 oder z.B. 2016 wäre die Z-AG sicher einiges billiger davon gekommen als mit bisher 8,625 %.

    Die Ausführungen des Bekl zu dem von den Kl angeführten BFH-Urteil VIII R 67/04 vom 11. Juli 2006 (Bundessteuerblatt – BStBl – II 2007, 553) zu einer GleitzinsSchuldverschreibung würden nicht akzeptiert. Nur auszuführen, dass „im Übrigen… in dem BFH-Fall… der geltend gemachte Verlust nicht anerkannt” worden sei, sei nur die halbe Wahrheit, wenn verschwiegen werde, dass der BFH dort sehr wohl die Besteuerung als sog. Finanz-Innovation nach § 20 Abs. 2 Nr. 4d) EStG bestätigt habe und nur die Besteuerung nach der dort vorrangigen Alternative „Emissionsrendite” für geboten gehalten habe, statt die vom Revisionskläger verlangte Besteuerung nach der nur nachrangigen Alternative der sog. Marktrendite zu bestätigen.

    Die Kl beantragen,

    den ESt-Bescheid 2008 vom 07. April 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen auf ./. 35.211 EUR vermindert und die sonstigen Einkünfte mit 0 EUR angesetzt werden.

    Der Bekl beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er stellt den Antrag der Kl der Höhe nach unstreitig, ist allerdings der Auffassung, dass bei der vorliegenden Hybridanleihe eine leichte Trennung zwischen Kapitalstamm und Zinscoupon möglich sei. Es handele sich deshalb nicht um Finanzinnovationen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG. Auch festverzinsliche Wertpapiere unterlägen je nach Kapitalmarktentwicklung Kursschwankungen. Steige der Zins, falle der Kurs der Anleihe, ermäßige sich der Geldmarktkurs, steige der Kurs der Anleihe. Diese Kursveränderungen würden bei einer Zwischenveräußerung unstreitig nicht nach § 20 EStG erfasst, sondern fänden allenfalls im Rahmen des § 23 EStG Berücksichtigung. Bei Hybridanleihen hänge die Kursentwicklung ebenfalls vom jeweiligen Kapitalmarktniveau ab.

    Wegen des weiteren schriftsätzlichen Vortrags des Bekl wird auf folgende Schriftsätze Bezug genommen:

    vom 8. September 2010(Bl. 32 und 33 der FG-Akten)
    vom 10. Dezember 2010(Bl. 41 bis 42 der FG-Akten)
    vom 12. Juli 2012(Bl. 74 bis 76 der FG-Akten)
    Im letztgenannten Schriftsatz weist der Bekl darauf hin, dass bei „einfachen” Floatern, bei denen die Verzinsung – abgesehen von einem Auf- oder Abschlag – mit dem jeweiligen LIBOR oder FIBOR identisch sei, es weder einen verdeckten Zinsertrag gebe noch die Floater durch eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gekennzeichnet seien. Bei Reverse-Floatern sei die Situation vergleichbar. Der Unterschied zu „einfachen Floatern” bestehe lediglich darin, dass bei Letzteren der Zinssatz unmittelbar an den jeweiligen Referenzzinssatz angeknüpft sei, während beim Reverse Floater ein fester Zinssatz zugrundegelegt werde – z.B. 15% –, von dem dann der (variable) Referenzzinssatz – LIBOR, FIBOR etc. – abgezogen werde. Nach dem Urteil des BFH vom 20. November 2006 VIII R 97/02 seien auch Kursgewinne bei Reverse-Floatern nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerpflichtig.

    Bei der hier vorliegenden Z-Hybridanleihe bestehe die Besonderheit, dass von Dezember 2005 bis Januar 2013 ein fester Zinssatz von 8,625 % bestehe. Danach erfolge die Verzinsung mit 730 Basispunkten über dem Drei-Monats-Euribor. Bei Ausgabe der Anleihen im Dezember 2005 habe der höchste Zinssatz für den Drei-Monats-Euribor 2,498 % betragen. Zuzüglich der 730 Basispunkte ergebe sich danach ein Zinssatz von 9,78 %, somit wie von den Kl angegeben rund 9,8 %.

    Die Anleihe könne von Z jedoch zum 30. Januar 2013 gekündigt werden. Ob dies der Fall sein würde, sei zum Veräußerungszeitpunkt im Jahr 2008 nicht absehbar gewesen. Es sei daher davon auszugehen, dass die mögliche höhere Verzinsung ab dem Jahr 2013 noch nicht im Börsenkurs berücksichtigt worden sei. Insoweit bestehe auch ein Unterschied zu den von den Kl als Beispiel angeführten Gleitzinsschuldverschreibungen. Im Übrigen sei in dem BFH-Fall VIIII R 67/04 der geltend gemachte Verlust nicht anerkannt worden.

    Vorliegend ergebe sich keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene. Die Verluste lägen auf der Vermögensebene und könnten nur im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. berücksichtigt werden.

    Mit Beschluss vom 23. April 2012 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

    Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist aus den in der Einspruchsentscheidung des Bekl vom 26. Mai 2010 sowie den von ihm im Klageverfahren eingereichten schriftsätzlichen Stellungnahmen dargelegten Gründen, denen das Gericht nach rechtlicher Überprüfung folgt, unbegründet. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird daher gemäß § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) im Wesentlichen abgesehen.

    Ergänzend ist auszuführen, dass unter der ehemals herrschenden Auffassung, dass Hybridanleihen Finanzinnovationen darstellen würden, der Kursertrag für die Berechnung der Einnahmen der Besteuerung unterworfen wurde, der durch die besondere Ausgestaltung der Papiere verlagert worden ist. Ein solcher besitzanteiliger Ertrag wird mittels einer Emissionsrendite berechnet. Hiernach soll nur der Kurszuwachs erfasst werden, der auf die Nutzungsüberlassung entfällt und nicht die Veränderung durch Markteinflüsse. Diese Emissionsrendite kann bei Hybridanleihen – wie auch im vorliegenden Streitfall bei der Z-Anleihe – aber nicht ermittelt werden, da weder der Kündigungstermin noch der spätere variable Zinssatz bei Ausgabe der Papiere feststeht. Folglich kam (früher) die Besteuerung nach der Marktrendite zum Zuge.

    Nach der neueren, von den Beteiligten zutreffend angesprochenen Rechtsprechung des BFH ist aber – entgegen dem Wortlaut der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG – der Ansatz der negativen Marktrendite nicht zulässig, wenn der Zinsertrag einfach und eindeutig vom Kursgewinn zu trennen ist. Denn über § 20 EStG sollen nur Vorteile erfasst werden, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung erzielt werden. Dieser Zweck sollte durch die Erstreckung der Besteuerung auf Kursdifferenzpapiere ohne Emissionsrendite erreicht werden. Bei Floatern, bei denen die Verzinsung – abgesehen von einem Auf- oder Abschlag – mit dem jeweiligen Referenzsatz identisch ist, sind diese Besonderheiten nicht gegeben. Weder gibt es einen verdeckten Zinsertrag, noch sind Floater durch eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gekennzeichnet. Im Gegenteil, Ertrags- und Vermögensebene sind nicht miteinander verknüpft und ohne jede Schwierigkeit voneinander abgrenzbar. Die systematische Differenzierung zwischen Kapitalnutzung und -verwertung sowie Ertrags- und Vermögenssphäre stößt aber auf Grenzen der Praktikabilität, soweit wirtschaftliche Lebenssachverhalte der Besteuerung unterworfen werden sollen, bei denen die Abschöpfung eines Kapitalnutzungsentgeltes nicht gewährleistet werden kann. Mit der Einführung von § 20 Abs. 2 Nr. 4 a.F. EStG hat der Gesetzgeber nach Auffassung des BFH nicht die Erfassung jeglicher Wertveränderungen im Vermögensstamm angestrebt. Vielmehr wollte er lediglich Kapitalanlagen, bei denen an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert werden, so umfassend wie möglich in die Besteuerung einbeziehen.

    Zwar weisen die Emissionsprospekte Hybridanleihen bislang meist als sog. Finanzinnovation aus. Allerdings werden die Anleger – wie auch im Streitfall – darauf hingewiesen, dass aufgrund der aktuellen Rechtsprechung Gewinne bzw. Verluste aus der Veräußerung von Finanzinnovationen unter Umständen nicht länger als solche zu qualifizieren sind. Anleger sollten – so die allgemeine Empfehlung – darauf achten, dass sie ein Instrument kaufen, das als Finanzinnovation eingeordnet werden kann. Dabei ist für Anleger bereits der hohe Renditeaufschlag ein klares Signal, dass Z zum frühest möglichen Termin kündigen will. Die Anlage wird dadurch besser berechenbar, trotz einer potentiell unendlichen Laufzeit. Dies hat im Ergebnis dazu geführt, dass der Kurs der Z-Hybridanleihe im Verhältnis zum Nennwert gestiegen ist.

    Legt man die jüngere Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Urteil vom 13. Dezember 2006, VIII R6/05, BStBl II, 2007, 571) zur steuerlichen Einordnung von Finanzinstrumenten zugrunde, so sind daher nach Auffassung des Gerichts Hybridanleihen wie die Vorliegende im Ergebnis nicht als Finanzinnovationen zu beurteilen. Denn auch bei diesen nachrangigen Bonds hat die vom BFH verlangte – und mit teleologischer Reduktion des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG und verfassungskonformen Auslegung der Norm gerechtfertigte – Eingrenzung dieser Norm zu erfolgen, da auch bei diesen Wertpapieren keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist. Eine einfache Trennung zwischen Kapitalstamm und Zinscoupon ist hier – wie z.B. bei Reverse Floatern – konkret möglich, da die Hybridanleihe dem Anleger einen jährlichen, wenn auch eventuell schwankenden Zinsertrag gewährt. Nur dieser ist als Kapitalertrag zu erklären – auch bei einer Zwischenveräußerung.

    Ein Privatanleger wie der Kl ist daher außerhalb der Haltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG allein mit den vereinnahmten Zinscoupons und Stückzinsen steuerpflichtig (vgl. Heuselmann, Bilanzielle und steuerliche Erfassung von Hybridanleihen, Betriebsberater 2007, 931 – 936).

    Die Entscheidung über die Kostentragung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

    VorschriftenEStG 2008 § 20 Abs. 1 Nr. 7, EStG 2008 § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, EStG 2008 § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1, EStG 2008 § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2