28.06.2013
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 22.11.2012 – 16 K 3136/12 F
- Eine Kaufpreiserstattung für nachträglich festgestellte Gebäudeschäden ist bei der Gegenüberstellung der Anschaffungskosten
und der Erhaltungsaufwendungen zur Berechnung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG für die Annahme anschaffungsnaher
Herstellungskosten von den Anschaffungskosten abzuziehen.
- Bei der für Zwecke dieser Berechnung erfolgenden Ermittlung der Höhe der Erhaltungsaufwendungen sind demgegenüber auch die
erstatteten Kosten zur Beseitigung versteckter Mängel mit einzubeziehen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Grundstücksgemeinschaft, wendet sich gegen die gestützt auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) (2008)
und § 165 Abs. 2 AO (2009) geänderten Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung ihrer Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung für 2008 und 2009 vom 22.6.2011 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.7.2012.
Die Klägerin, bestehend aus den je zur Hälfte beteiligten Gesellschaftern „A” und „B”, erwarb zum 1.4.2008 das Grundstück
„C”str. in „D” (Kaufvertrag vom 21.2.2008) zu einem Kaufpreis von 460.000 Euro. Gegenüber dem Beklagten teilte sie mit Schreiben
vom 28.3.2008 mit, das Gebäude solle umsatzsteuerfrei zu Wohnzwecken vermietet werden. Die Höhe der Einkünfte sei noch nicht
absehbar, da das Gebäude leerstehe und erst noch renoviert werden müsse.
In einer Anlage „Ermittlung der Anschaffungskosten” vom 19.2.2009 heißt es zur Nutzungssituation: Die Gesellschafterin „A”
bewohne die Hälfte des Erdgeschosses. Seit Mitte 2008 seien auch die zweite Erdgeschoßwohnung sowie die erste Obergeschoßwohnung
vermietet.
Die Anschaffungskosten wurden einschließlich der Erwerbsnebenkosten mit 456.151 Euro beziffert. Wegen einer Erstattung auf
den Kaufpreis ergab sich ein gegenüber dem ursprünglichen Kaufpreis niedrigerer Betrag. Dem Grund und Boden seien 20,08 %
der Anschaffungskosten zuzurechnen, so dass der Teilbetrag von 346.480 Euro auf das Gebäude entfalle.
In der Anlage zur Feststellung 2008 vom 19.2.2009 wurden folgende Erhaltungsaufwendungen erklärt:
nicht einzelnen Geschossen zurechenbar | 36.051 Euro |
Erdgeschoss | 10.156 Euro |
Anteil Mieter | - 7.500 Euro |
1. Obergeschoss | 11.444 Euro |
Anteil Mieter | - 4.500 Euro |
2. Obergeschoss | 2.985 Euro |
nachträglich festgestellter Gebäudeschaden | 13.211 Euro |
Erstattung Verkäufer wegen des Schadens | 10.000 Euro |
Im Feststellungszeitraum 2009 waren sämtliche Wohnungen vermietet. Erhaltungsaufwendungen wurden mit der Feststellungserklärung
auf 2.518 Euro für das Gesamtobjekt zuzüglich 4.007 Euro für die Beseitigung von Schäden (Fallrohre, Dach, Wasserschaden)
beziffert. Ein weiterer Betrag von 1.883 Euro wurde als laufender Erhaltungsaufwand (Baumkronenpflege, Rauchmelder, Rasen)
bezeichnet.
Auf einen Hinweis des Beklagten hinsichtlich des Erreichens der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes
(EStG) hin (Schreiben vom 7.5.2010) entgegnete die Klägerin, von den Gesamtaufwendungen in Höhe von 73.849,60 Euro in 2008
seien Zuzahlungen der Mieter von 12.000 Euro für gewünschte höherwertige Ausstattungsmerkmale sowie eine Erstattung des Verkäufers
für nachträglich festgestellte Gebäudeschäden von 10.000 Euro abzuziehen. Die verbleibende Summe von 51.849,60 Euro brutto/43.571,09
Euro netto entspreche nur 10,77 % der Anschaffungskosten. Im Jahre 2009 seien 6.526,01 Euro brutto/5.484,04 Euro netto aufgewendet
worden, was 1,36 % der Anschaffungskosten des Gebäudes entspreche. Mithin sei die 15 %-Grenze nicht überschritten.
Im Feststellungszeitraum 2010 wurden lediglich 2.678 Euro für Pflasterarbeiten verauslagt. Außerdem wurden 2.187 Euro für
diverse laufende Erhaltungsarbeiten ausgegeben.
Letzteres veranlasste den Beklagten mit Schreiben vom 30.5.2011 folgende Berechnung bezüglich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG
anzustellen (Aufwand in Euro, netto):
2008 | 53.655 |
2009 | 5.484 |
2010 | 2.250 |
Summe | 61.389 |
Damit sei die 15 %-Grenze überschritten und infolgedessen seien die bis dahin als Erhaltungsaufwendungen deklarierten Beträge
den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zuzurechnen.
Der Beklagte änderte daraufhin am 22.6.2011 die Feststellungsbescheide für die Streitjahre. Er erhöhte die Gebäude-AfA (Absetzungen
für Abnutzung) unter auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG gestützter Hinzurechnung von Erhaltungsaufwendungen als Herstellungskosten
und minderte dementsprechend die Werbungskosten.
Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte nur zum Teil Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26.7.2012).
Die Klägerin hatte im Einspruchsverfahren insbesondere dargelegt, dass Mieterzuschüsse nicht in die Berechnung der 15 %-Grenze
einzubeziehen seien. Mit der Einspruchsentscheidung wurde, neben der Korrektur eines Rechenfehlers, die Höhe der AfA neu bestimmt
(2008: 5.975 Euro; 2009: 8.097 Euro). Es sei, so der Beklagte, von Gebäudeanschaffungskosten, nach Abzug der „Kaufpreiserstattung”
durch den Verkäufer für nachträglich festgestellte Gebäudeschäden i.H.v. 10.000 Euro, in Höhe von 336.480,22 Euro auszugehen.
Die Aufwendungen zur Beseitigung der Gebäudeschäden seien als Erhaltungsaufwendungen zu qualifizieren und flössen daher in
die Berechnung der 15 %-Grenze ein. Die für § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG maßgeblichen Erhaltungsaufwendungen hätten danach folgenden
Umfang (Beträge in Euro):
2008 | 61.849,60 | 73.849,60 – 12.000,00 |
2009 | 6.526,01 | |
2010 | 2.678,00 | |
Summe | 71.053,61 | Netto: 59.708,92 |
Daraufhin hat die Klägerin am 23.8.2012 Klage erhoben.
Im Klageverfahren stellt die Klägerin klar, dass die ursprüngliche AfA-Bemessungsgrundlage mit 346.480,22 Euro nicht streitig
sei. Hingegen sei die „Schadensersatzleistung” des Verkäufers i.H.v. 10.000 Euro keine Kaufpreisminderung und deshalb nicht
von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Die damit zusammenhängende Beseitigung versteckter Mängel sei eine Instandsetzungsmaßnahme
und berühre daher nicht die Höhe der Anschaffungskosten. Dadurch komme es nicht zum Erreichen der Grenze des § 6 Abs. 1 a
EStG, so dass es bei dem Werbungskostenabzug der erklärten Erhaltungsaufwendungen verbleiben müsse.
Auch dann, wenn man die Zahlung des Verkäufers anschaffungskostenmindernd berücksichtige, ergebe sich kein anderes Ergebnis,
da in diesem Falle die für die anschließende Mängelbeseitigung aufgewendeten ca. 13.000 Euro den Herstellungskosten zuzurechnen
seien.
Die Klägerin beantragt,
die gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide der Jahre 2008 und 2009 entsprechend der eingereichten Gewinnfeststellungserklärungen
zu ändern,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, wonach die Zahlung des Verkäufers unmittelbar mit dem Anschaffungsvorgang zusammenhänge
und deshalb die Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die AfA und für die Berechnung gem. § 6 Abs. 1 a EStG berühre.
Dies habe keinerlei Auswirkung auf die Qualifizierung der Kosten für die Mängelbeseitigung als Erhaltungsaufwand.
Die Klagesache wurde durch Beschluss vom 24.9.2012 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte in Anwendung der Vorschrift des § 6 Abs. 1 a EStG die Erhaltungsaufwendungen in dem in der Einspruchsentscheidung
wiedergegebenen Umfang den Herstellungskosten zugeordnet und in gleichem Umfang die Werbungskosten gemindert sowie die Gebäude-AfA,
ausgehend von der um diese Aufwendungen erweiterten Bemessungsgrundlage, erhöht. Weder die Ermittlung Anschaffungskosten des
Gebäudes noch die Abgrenzung der für § 6 Abs. 1 a EStG maßgeblichen Erhaltungsmaßnahmen zu den laufenden, jährlich üblicherweise
anfallenden Erhaltungsarbeiten und Aufwendungen für Erweiterungen i.S.v. § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) geben
Anlass zur Beanstandung.
Insbesondere hat der Beklagte zutreffend die von dem Grundstücksverkäufer gezahlten 10.000 Euro anschaffungskostenmindernd
(vgl. § 255 Abs. 1 Satz 3 HGB) in seine Berechnung eingestellt. Dieser Betrag wurde als Ausgleich für nach Erwerb des Grundstücks
festgestellte, also sogenannte versteckte, Gebäudemängel geleistet. Die demnach bestehende enge Verknüpfung mit dem Anschaffungsvorgang
qualifiziert die (Rück-) Zahlung als kaufpreisbezogen und damit als kaufpreismindernd. Dieses Ergebnis belegt auch die Überlegung,
dass, wären die Mängel bereits bei Abschluß des Kaufvertrages bekannt gewesen, der Kaufpreis, davon muss bei wirtschaftlicher
Betrachtung ausgegangen werden, dementsprechend von vornherein geringer bemessen worden wäre (vgl. auch Kulosa in Schmidt,
Kommentar zum EStG 2012 zu § 6 Rz. 67: mängelbedingte Minderungen; BFH-Beschluss vom 22.4.2008 X B 125/07, Sammlung amtlich
nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV- 2008, 1155, unter 3.a); BFH-Urteil vom 16.3.2004 IX R 46/03, Bundessteuerblatt
–BStBl- II 2004, 1046, unter II.1.). Anders wäre nur dann zu entscheiden, wenn es sich bei der Zahlung um einen, losgelöst
von dem Kauf und der Eigentumsübertragung entstandenen Schadensersatzanspruch der Klägerin gehandelt hätte. Dies ist hier
jedoch nicht gegeben.
Bei Ermittlung der Höhe der Erhaltungsaufwendungen sind, anders als die Klägerin meint, auch die Maßnahmen der Beseitigung
versteckter Mängel mit einzubeziehen (Finanzgericht Münster Urteil vom 20.1.2010 10 K 526/08 E, Deutsches Steuerrecht Eildienst
–DStRE- 2010, 205, m.w.N. aus der Rspr.). Zwar können auch Baumaßnahmen zur Beseitigung versteckter Mängel zur Entstehung
von Herstellungskosten führen (vgl. BFH-Urteil vom 22.1.2003 X R 9/99, BStBl II 2003, 596), die nicht in die Berechnung gem.
§ 6 Abs. 1 a EStG einzubeziehen sind (vgl. den Gesetzeswortlaut: Erweiterungen). Jedoch setzt dies voraus, dass ein Vermögensgegenstand
neu hergestellt, erweitert oder über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessert wird (§ 255 Abs. 2 Satz 1
HGB). Diese Voraussetzungen sind bei der Beseitigung der nicht näher spezifizierten Schäden im Dach und im Keller (Schreiben
des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 16.4.2012) in dem relativ geringen Umfang von 13.211,74 Euro offensichtlich nicht
erfüllt.
Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.