23.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131400
Bundesgerichtshof: Urteil vom 07.03.2013 – IX ZR 64/12
a)Das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH begründet bei üblichem Zuschnitt keine Pflicht, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife besteht.
b)Eine entsprechende drittschützende Pflicht trifft den steuerlichen Berater auch gegenüber dem Geschäftsführer der Gesellschaft nicht.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Tenor:
Im Umfang der Zulassung durch das Berufungsgericht wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2012 zurückgewiesen. Die weitergehende Revision wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
1
Der Kläger ist der Verwalter in dem am 10. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), die von dem Beklagten steuerlich beraten worden war und von dem Geschäftsführer B. (nachfolgend: Zedent) geleitet wurde.
2
Die Schuldnerin befand sich schon im Jahr 2005 in der Krise. Um den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, stellte der Zedent der Gesellschaft ein Darlehen über insgesamt 80.000 € zur Verfügung. Hierüber informierte er im Dezember 2005 den Beklagten. Dieser riet ihm, hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs einen Rangrücktritt zu erklären. Am 26. Januar 2006 besprachen der Zedent und der Beklagte die Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004. Am selben Tag gab der Zedent die vom Beklagten angeregte Rangrücktrittserklärung ab und erklärte zusätzlich den Rangrücktritt für die Rückgewähr von Sicherheiten, die er in der Vergangenheit der Schuldnerin zur Verfügung gestellt hatte. Die unter dem 6. Februar 2006 erstellte Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.121,63 € aus.
3
Am 29. September 2006 veräußerte der Zedent seine Anteile an der Schuldnerin. Diese stellte am 5. Dezember 2006 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach der Verfahrenseröffnung forderte der Kläger den Zedenten auf, wegen Kreditrückführungen auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin zwischen dem 26. Januar 2006 und dem 1. September 2006 in Höhe von insgesamt 265.372,03 € Schadensersatz zu leisten, weil dieser die Rückführung des Kredits trotz der Überschuldung der Gesellschaft zugelassen habe. Der Zedent konnte den Betrag nicht zahlen. Er schloss mit dem Kläger am 25. August 2009 einen Vergleich, durch den er unter anderem seine Ansprüche gegen den Beklagten aus steuerlicher Beratung an den Kläger abtrat.
4
Gestützt auf diese Abtretung verlangt der Kläger unter Anrechnung eines hälftigen Mitverschuldens des Zedenten Schadensersatz in Höhe von 132.686,01 €. Er meint, der Beklagte habe es - zuletzt bei der Unterredung am 26. Januar 2006 - schuldhaft unterlassen, auf eine mögliche Überschuldung der Gesellschaft und die Pflicht des Zedenten, die Überschuldung prüfen zu lassen, hinzuweisen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zu der Frage zugelassenen Revision, ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen sei, soweit die insolvenzrechtliche Innenhaftung des Geschäftsführers in Rede stehe, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
5
Die Revision des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
I.
6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil mehrfach (vgl. DStR 2012, 923; NZG 2012, 504; Stbg 2012, 327; DStRE 2012, 970) veröffentlicht ist, hat gemeint, eine Inanspruchnahme des Beklagten aus abgetretenem Recht scheide aus, weil diesen keine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Zedenten treffe. Auf einen stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag könne sich der Kläger nicht stützen. Es habe sich nicht um eine Beratungsleistung gegenüber dem Zedenten, sondern um eine solche gegenüber der GmbH gehandelt. Jedenfalls erschöpften sich die Pflichten des Beklagten in dem erteilten Rat. Eine Verpflichtung zur weiteren Aufklärung des Zedenten könne aus einem solchen Vertrag nicht hergeleitet werden. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass der Zedent den Beklagten Ende des Jahres 2005 oder Anfang des Jahres 2006 überhaupt zu einer Einschätzung dazu aufgefordert habe, ob die GmbH überschuldet und aus diesem Grund etwas zu veranlassen sei.
7
Die Voraussetzungen eines Anspruchs des Zedenten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien ebenfalls nicht gegeben. Der Zedent sei nicht in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten einbezogen gewesen. Zwar komme eine solche Einbeziehung in Betracht, wenn aufgrund einer fehlerhaften Beratung durch den Steuerberater das Risiko einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach §§ 191, 219 AO bestehe oder der Steuerberater wegen unrichtiger Angaben in der Steuererklärung für eine gegen den Geschäftsführer verhängte Geldstrafe wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung haften müsse (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274). Vorliegend fehle es aber an der Schutzwürdigkeit des Zedenten und der Zumutbarkeit der Haftungserweiterung für den Beklagten, der seine Leistungen vorrangig im Interesse der Gesellschaft zu erbringen habe. Deren Geschäftsführer sei zur eigenverantwortlichen Prüfung der Überschuldung verpflichtet, soweit er Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG aF leiste. Dem steuerlichen Berater der Gesellschaft sei das Risiko, für solche Zahlungen haften zu müssen, nicht zumutbar. Es fehle auch an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Aus dem Umstand, dass er bei Vorlage der Bilanz für das Jahr 2004 zutreffend über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft informiert und der Zedent auf die Feststellung des Fehlbetrages durch die Abgabe von Rangrücktrittserklärungen reagiert habe, sei zu entnehmen, dass dem Zedenten die Überschuldungssituation bewusst gewesen sei.
II.
8
Die Revision ist zulässig, soweit sie die Haftung der Beklagten wegen Verletzung einer drittschützenden Pflicht bei der steuerlichen Beratung der GmbH erreichen will. Im Übrigen ist sie mangels einer Zulassung unstatthaft und damit unzulässig (§ 543 Abs. 1 ZPO).
9
Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt auf die Frage zugelassen, ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen ist, soweit es um die Haftung des Geschäftsführers wegen der Verletzung der Pflicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG (entsprechend § 64 Abs. 2 GmbHG aF) gegenüber der Gesellschaft geht. Dies ergibt sich, was ausreichend ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176, 3177; vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08, BGHZ 182, 241 Rn. 11; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18), aus den Urteilsgründen. Die Zulassungsfrage betrifft lediglich einen an den Kläger abgetretenen Anspruch des Zedenten aus einer möglichen Verletzung der drittschützenden Pflichten des mit der Schuldnerin bestehenden Beratervertrages. Ansprüche aus dem von dem Kläger behaupteten Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Beklagten werden von dieser Frage nicht berührt. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs ist möglich (BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703; vom 16. September 2009, aaO; vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015