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  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung

    Nachweis von Doppelverkürzungen in der Gastronomie

    von Rechtsassessor Dr. Matthias H. Gehm, Limburgerhof

    | Der BFH hat dazu Stellung genommen, welchen Umfang die Feststellungen im Zusammenhang mit Doppelverkürzungen haben müssen, die sich aus der Auswertung der elektronischen Warenwirtschaftssystems des Zulieferers eines gastronomischen Betriebs herleiten, um entsprechende Zuschätzungen zu rechtfertigen. Zudem ging es um die Frage, welche Anforderungen an die vom Steuerpflichtigen unternommene Widerlegung solcher Feststellungen zu stellen sind (BFH 27.8.19, X B 160/18, X B 3- 10/19 , Abruf-Nr. 212252 ). |

    1. Sachverhalt

    Die Kläger betrieben in den Streitjahren 10 bis 12 eine Pizzeria und ermittelten ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Für die Pizzeria wurden die Wareneinkäufe beim Großhändler G getätigt. G war in der Lage, mit dem von ihm verwendeten Warenwirtschaftssystem die Lieferscheine bei Barzahlung zu stornieren. Allerdings war den Mitarbeitern des G nicht bekannt, dass bei Stornierungen ein Stornierungsprotokoll unter Angabe der Kundennummer erzeugt wurde, was eine Verknüpfung zu den dauerhaft gespeicherten Barbelegen herstellte. Insofern war der IT-Prüfer der Steufa in der Lage, die gelöschten Daten wieder lesbar zu machen. Somit wurde von der Finanzverwaltung festgestellt, dass die Kläger wöchentlich Waren von G bezogen. Die stornierten Lieferungen entfielen auf Wochen, in denen kein regulärer Einkauf gebucht wurde. Zudem stellte sich der jährliche Wareneinkauf nur unter Berücksichtigung der stornierten Vorgänge als konstant dar.

    2. Entscheidung

    Die Finanzverwaltung wie die Vorinstanz ‒ das FG Hessen ‒ schlossen aus, dass die Waren an dritte Personen geliefert worden seien, da die Kundennummern, unter denen die gelöschten Lieferscheine abgelegt waren, für die korrekte Adressierung der Lieferungen erforderlich gewesen seien.

     

    Da die Kläger Schwarzeinkäufe getätigt hätten, indiziere dies das Vorliegen bisher unversteuerter Betriebseinnahmen (Doppelverkürzungen). Das Finanzamt ging bei der Zuschätzung hinsichtlich der Betriebseinnahmen und des Umsatzes von einem Rohgewinnaufschlagsatz von 250 % aus. Dieser Wert lag noch unter dem Mittelwert laut Richtsatzsammlung. Die zusätzlichen Wareneinsätze wurden als Betriebsausgaben berücksichtigt, mangels Vorliegens von ordnungsgemäßen Rechnungen wurde jedoch der Vorsteuerabzug hieraus verweigert. Dabei bestätigte die Vorinstanz diese Schätzung. Lediglich die nicht abziehbare Vorsteuer wurde als zusätzliche Betriebsausgabe gewinnmindernd berücksichtigt.

    3. Entscheidungsgründe

    Der BFH sieht es als zulässig an, dass nicht alle vom Kläger geforderten Angaben (Zeitpunkt der Bestellung, Verkaufsmitarbeiter des G, Zeitpunkt der Lieferung, empfangende Person, Zeitpunkt der Bezahlung, zahlungsempfangende Person, Zahlungsweg) näher festgestellt wurden. Dies begründet der BFH damit, dass die Vorinstanz bereits konkrete Ansatzpunkte für das Vorliegen von Doppelverkürzungen hatte, die gezielt bei Bareinkäufen durch die Vernichtung von Barverkaufsbelegen und Stornierung von Lieferscheinen ermöglicht wurden. Insofern genügt es, dass die Steufa nicht gebuchte Wareneinkäufe individualisiert hat. Zudem ist der Zahlungsweg hinreichend bestimmt, wenn Barzahlungen erfolgten. Auch kann davon ausgegangen werden, dass bei Barzahlungen der Zeitpunkt der Lieferung und Bezahlung übereinstimmen.

     

    In Anbetracht dieser Beweislage, durften sich die Kläger nicht auf bloßes Bestreiten zurückziehen, sondern mussten unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls einen substantiierten Negativbeweis bieten.

    4. Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung des BFH ist wiederum ein Beleg für die gerade im gastronomischen Bereich in der Praxis oftmals festzustellende Doppelverkürzung durch Schwarzeinkäufe. Dies geschieht nicht nur dermaßen, dass von den Gastronomen Bareinkäufe in Lebensmittelgeschäften, die an Endverbraucher ihre Waren abgeben, getätigt werden, sondern wie im Fall unter aktiver Beihilfe durch Grossisten, die den gastronomischen Bereich beliefern.

     

    Dabei müssen bereits erstellte ordnungsgemäße Belege nicht unterdrückt werden, sondern es werden oftmals in den Belegen die Warenlieferungen nicht vollständig oder gezielt falsch beschrieben. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Abgabe von Getränken, bei denen sich für den Gastwirt eine entsprechend höhere Gewinnspanne im Vergleich mit Speisen abzeichnet. D. h., beispielsweise werden Whisky-Flaschen dann im Lieferbeleg als Fertigkartoffelknödel deklariert bzw. diese Flaschen zu den Knödeln gepackt, ohne sie entsprechend zu deklarieren.

     

    Für die Praxis hat die Entscheidung des BFH nicht nur im Hinblick auf die Verwendung von Richtsatzsammlungen Bedeutung. Denn Schätzungen, die auf diesen basieren sind durchaus von der Rechtsprechung akzeptiert (BFH 8.8.19, X B 117/18, BFH/NV 19, 1219). Insbesondere ist ein Rückgriff hierauf zulässig, wenn der Steuerpflichtige keine brauchbaren steuerlichen Aufzeichnungen führt (BFH 11.7.96, XI B 171, 172/95, BFH/NV 97, 49; BFH 24.11.93, X R 12/89, BFH/NV 94, 766; FG München 28.6.07, 14 K 2378/05). Umgekehrt steht einer Schätzung nicht entgegen, wenn der Rohgewinnaufschlagssatz der amtlichen Richtsatzsammlung entspricht, aber die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen unkorrekt sind (für den Fall eines Restaurants: FG Saarland 13.1.10, 1 K 1101/05). Vielmehr wird sich die Finanzverwaltung in Fällen, in welchen valide Ansatzpunkte für das Vorliegen von Doppelverkürzungen vorhanden sind, diese Entscheidung zunutze machen, um nach den Grundsätzen des Beweisverderbers, sich eine detaillierte Sachverhaltsaufklärung zu ersparen.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2020 | Seite 62 | ID 46255400