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  • · Fachbeitrag · Digitale Steuerberatung

    Chatbots als Tax- & Legal FinTechs ‒ visionäre Nutzung im Digitalzeitalter

    von RA/FAStR/LL.M. Dr. Dario Arconada Valbuena und Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, beide Hannover, sowie auszugsweise der Chatbot ‒ ChatGPT (www.openai.com)

    | ChatGPT („Chat Generative Pre-trained Transformer“) ist ein großes, generatives Sprachmodell, das von der Firma OpenAI entwickelt wird. Es nutzt eine Technologie namens „Transformer“ und wurde mit einer großen Menge an Texten trainiert. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die visionäre Nutzung von Chatbots in der digitalen Steuerberatung. Die Autoren wurden bei der Beitragserstellung insoweit durch den Chatbot „ChatGPT“ tatkräftig unterstützt. Seien Sie daher achtsam, ob Sie die Trennlinie zwischen menschlicher und „Künstlicher Intelligenz (KI)“ noch erkennen! |

    1. Digitaler Fortschritt durch Tax- & Legal FinTechs

    1.1 Bundesregierung sieht KI als Mittel zukünftiger Weltmarktführerschaft

    Die Entwicklung der KI schreitet weltweit mit hoher Geschwindigkeit voran. Auch der Deutsche Bundestag will die Zukunft gestalten und einen auf europäischen Werten basierenden Weg der KI gehen. Leitziel für KI ist daher, dass sie

    • das Leben der Menschen verbessert,
    • Innovation fördert,
    • Wohlstand sichert sowie
    • den gesellschaftlichen Zusammenhalt verbessert.

     

    Technologien aus dem Bereich der KI helfen dabei bereits, z. B. Krankheiten besser zu diagnostizieren, hochpräzise Behandlungen durchzuführen, Patienten individuell zu behandeln, aber auch Vorsorge für die Gesundheit einer ganzen Gesellschaft zu treffen. All das passiert hier und jetzt in Deutschland, Europa und auf der ganzen Welt in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Doch dies ist nur ein Anwendungsfeld einer hochkomplexen Technologie mit einem enormen Nutzenpotenzial. KI als Zusammenspiel von algorithmischen Verfahren und großen Datensammlungen ist längst in den Alltag von Menschen und Unternehmen integriert, gleich ob im Gesundheitswesen, in der Mobilität, in der Landwirtschaft, im Finanzwesen oder in vielen anderen Bereichen, etwa zur besseren Verkehrssteuerung, in Luft- und Raumfahrt, zur Energieeinsparung oder im Bereich Smart City, um Städte lebenswerter zu machen, zur Senkung der Umweltbelastung und für den Klimaschutz.

     

    Auch für die Wertschöpfung hat KI erhebliche Wachstumspotenziale. Kollaborative Roboter in der Produktion können Menschen bei Tätigkeiten entlasten. Auch in der Spitzenforschung ist Europa mit Blick auf KI gut positioniert, um die sich bietenden wirtschaftlichen Chancen zu nutzen. Gleichwohl ergeben sich neue Herausforderungen. So droht ein neuer Systemwettbewerb zu entstehen ‒ zwischen liberalen Demokratien auf der einen und einem digitalen Autoritarismus auf der anderen Seite. KI hat hierbei das Potenzial, ökonomische Kräfteverhältnisse und damit auch die geopolitischen Konstellationen zu verändern. Daher ist es umso wichtiger, dass Deutschland und Europa an der KI-Weltspitze bleiben, um auch in Zukunft über das Wissen, die Mittel und die Instrumente zu verfügen, die es ermöglichen, eigenen Wertvorstellungen wie Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit weltweit zur Durchsetzung zu verhelfen (vgl. BT-Drucks. 19/22181).

     

    1.2 Deutscher Ethikrat sieht KI hingegen als menschliche Bedrohung

    Spätestens seit der Chatbot „ChatGPT“ Ende 2022 ins öffentliche Bewusstsein drang, ist die breite Anwendung von KI in unserem Alltag und in der öffentlichen Debatte angekommen. Dabei leben wir aber bereits viel länger in einer Welt, in der Algorithmen des maschinellen Lernens viele Funktionen übernehmen. Sie können eingesetzt werden, um Krebs zu diagnostizieren oder mit Schülern Englischvokabeln zu lernen, aber auch um zu bestimmen, wer bestimmte Sozialleistungen bekommen soll und um unser Verhalten in den sozialen Medien zu beeinflussen. Gerade weil KI uns inzwischen nahezu alle erreicht ‒ ob uns das nun klar ist oder nicht ‒ und weil sie immer besser wird, hat sich auch bereits der Deutsche Ethikrat dieses Themas angenommen. Welche Auswirkungen hat es letztlich, wenn Tätigkeiten, die vorher Menschen vorbehalten waren, an Maschinen delegiert werden und wie werden durch diese Übertragung die Möglichkeiten anderer Menschen beeinflusst, vor allem von jenen, über die entschieden wird?

     

    Das übergreifende Ergebnis lautet, dass der Einsatz von KI menschliche Entfaltung und Handlungsmöglichkeiten erweitern muss und sie nicht vermindern darf. KI darf hierbei den Menschen nicht ersetzen. Das klingt nach einfachen ethischen Regeln ‒ ist aber alles andere als trivial. Man muss nämlich für die vielen Bereiche der Gesellschaft, in denen KI einen Einfluss hat und zunehmend mehr Einfluss haben wird ‒ vom Arztzimmer bis zur Amtsstube, und von der Schule bis in die sozialen Medien ‒ sehr genau hinschauen. In der Anwendung besorgt beispielsweise, dass die algorithmisch vermittelten Informations- und Kommunikationsangebote digitaler Plattformen und sozialer Medien bereits Konsequenzen für das demokratische Legitimationsgefüge haben. Kann es überhaupt eine starke, eigenständige maschinelle Intelligenz geben, die der menschlichen Intelligenz gleichkommt und können (zukünftige) Maschinen im vollen Sinne intentional handeln? Die kurze Antwort auf diese Fragen dürfte lauten: Nein (gleiche Antwort auch Deutscher Ethikrat, Stellungnahme v. 20.3.23, „Mensch und Maschine ‒ Herausforderungen durch KI“).

    2. Entwicklungen in der digitalen Steuerberatung

    Der Chatbot „ChatGPT“ kann zukünftig auch in der digitalen Steuerberatung auf verschiedene Weise eingesetzt werden. Chatbots sind insoweit Computerprogramme, die in der Lage sind, menschenähnliche Gespräche zu führen. Sie werden bereits in verschiedenen Branchen eingesetzt, um die Interaktion mit Kunden zu verbessern und Prozesse zu automatisieren. Dabei kommen verschiedene Technologien zum Einsatz (vgl. hierzu auch Gilgan, KP 23, 66).

     

    • Unterschiedliche Methoden
    Regelbasierte Methode
    Statistisch-lernbasierte Methode

    Bei der regelbasierten Methode werden vorab festgelegte Regeln und Entscheidungsbaumstrukturen (Skripte) verwendet, um auf Anfragen zu reagieren. Ein Beispiel findet sich bereits auf vielen Webseiten. Kurz nachdem Sie auf eine Internetseite gekommen sind, geht ein kleines Pop-up-Fenster auf und Sie werden eingeladen, mit einem „Service-Mitarbeiter“ zu chatten. Das ist dann praktisch ein sog. Chatbot.

    Bei der statistisch-lernbasierten Methode wird der Chatbot hingegen in die Lage versetzt, durch die Analyse von Datenmustern und Gesprächsprotokollen selbstständig zu lernen und seine Antworten zu verbessern. Das im Moment bekannteste, aber bei Weitem nicht das einzige Beispiel ist ChatGPT. Beide Methoden haben letztlich ihre Vor- und Nachteile.

     

    2.1 Digitale Einsatzgebiete der Chatbots ‒ ChatGPT & Co.

    Als digitale Einsatzgebiete lassen sich in der Steuerberatung identifizieren:

     

    • Beantwortung von Einzelfragen: ChatGPT & Co. können dazu genutzt werden, um automatisch häufig gestellte Fragen von Mandanten zu beantworten. Das spart Zeit und ermöglicht eine schnellere Bearbeitung von Anfragen.
    • Einzelberatung: ChatGPT & Co. können auch als Ergänzung zur persönlichen Beratung genutzt werden, um Mandanten schnell und unkompliziert Auskunft zu geben und bei einfachen Fragen zu unterstützen.
    • Proaktive Beratung: ChatGPT & Co. können auch proaktiv eingesetzt werden, indem Mandanten über Änderungen im Steuerrecht informiert und sie auf mögliche Auswirkungen aufmerksam gemacht werden.
    • Datenerfassung: ChatGPT & Co. können auch genutzt werden, um relevante Daten von Mandanten zu erfassen und automatisch in das System des Berufsträgers zu übertragen.
    • Marketing: ChatGPT & Co. können auch genutzt werden, um Mandanten auf neue Dienstleistungen aufmerksam zu machen und ihnen gezielte Angebote zu unterbreiten.

     

    Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ChatGPT & Co. nicht als Ersatz für die persönliche Beratung dienen können, sondern vielmehr als Ergänzung im Einzelfall.

     

    MERKE | Es ist auch wichtig sicherzustellen, dass alle Daten, die von ChatGPT & Co. erfasst und verarbeitet werden, sicher und vertraulich behandelt werden.

     

    Erstaunlich ist bei den vorstehend aufgezeigten Beispielen zur Nutzung von ChatGPT & Co. in der Digitalberatung, dass der Chatbot die durchaus interessanten Anwendungsbeispiele auch eigenständig entwickeln kann. Somit kann der Chatbot beispielsweise auch zur Datenerfassung verwendet werden.

     

    2.2 Blick in die Statistik: Weltweit prognostiziertes Chatbot-Marktvolumen

    Das weltweit prognostizierte Chatbot-Marktvolumen zeigt bereits erhebliche Marktpotenziale für KI in unterschiedlichsten Märkten in naher Zukunft auf:

     

     

    • Erste praktische Gehversuche als Tax-FinTech ‒ ChatGPT-Auszug

    Ein Einstieg in die Welt von ChatGPT & Co. verleitet zu weiteren Fragen, die Mandanten ihren Berufsträgern stellen. Bitte beachten Sie hierbei die Mitautorschaft des Chatbots ‒ ChatGPT (www.openai.com):

     

    1. Wie erkläre ich dem Mandanten die Kleinunternehmerregelung mit einfachen Worten?

    Die Kleinunternehmerregelung ist eine Möglichkeit für kleine Unternehmen, sich von der Umsatzsteuerpflicht befreien zu lassen. Wenn dein Jahresumsatz weniger als 22.000 EUR (2023) beträgt, musst du keine Umsatzsteuer berechnen oder abführen. Du kannst dann auf deinen Rechnungen auch keine Umsatzsteuer ausweisen. Allerdings darfst du dann auch keine Vorsteuer abziehen. Kurz gesagt: Wenn dein Jahresumsatz nicht zu hoch ist, musst du keine Umsatzsteuer zahlen.“

     

    Interessant ist hierbei, dass der Chatbot bei Fragen, die man an sich selbst richtet, den Nutzer duzt. Möchte man dem Chatbot insoweit eine Antwort entlocken, die hingegen an Mandanten adressiert ist, so muss die Frage umformuliert werden. Hilfreich könnte der Chatbot daher bei der steuerlichen (Berufs-)Ausbildung sein, die auf diese Weise „spielerisch“ Fragen einfach beantwortet bekommen. Auf diese Weise könnte der Ausbilder entlastet werden.

     

    Weiter geht es mit dem Chatbot und einer häufig gestellten Frage:

     

    2. Was ist eine Dauerfristverlängerung?

    „Eine Dauerfristverlängerung ist eine Verlängerung der Abgabefrist für die Umsatzsteuervoranmeldung. Normalerweise muss die Umsatzsteuervoranmeldung bis zum 10. des Folgemonats abgegeben werden. Mit einer Dauerfristverlängerung kann die Frist um einen Monat auf den 10. des zweiten Folgemonats verlängert werden. Die Dauerfristverlängerung muss beim zuständigen Finanzamt beantragt werden und kann für das ganze Jahr oder auch nur für einzelne Voranmeldungszeiträume beantragt werden. Die Verlängerung gibt dem Unternehmen mehr Zeit, um die Umsatzsteuervoranmeldung vorzubereiten und einzureichen. Allerdings muss die Umsatzsteuer trotzdem pünktlich gezahlt werden, auch wenn die Abgabefrist verlängert wurde.“

     

    Auch diese Antwort vom Chatbot „ChatGPT“ liefert eine zufriedenstellende Antwort im Bereich des Umsatzsteuerrechts. Möchte der Chatbot-Nutzer weitere Details über die „Dauerfirstverlängerung“ in Erfahrung bringen, muss er praktisch nur weitergehende Fragen stellen.

    Weiter geht es mit einer fast philosophisch anmutenden Frage, die sich immer dann stellt, wenn Mandanten den Mehrwert der Beratungsdienstleistung nicht erkennen können:

     

    3. Warum kann ich als Berufsträger nicht kostenlos arbeiten?

    „Als Berufsträger bist du ein Dienstleister, der seinen Mandanten professionelle und fundierte Beratung sowie Unterstützung bei der Erfüllung steuerlicher Pflichten bietet. Deine Arbeit erfordert eine umfangreiche Ausbildung, regelmäßige Fortbildungen sowie hohe Verantwortung und Haftungsrisiken. Darüber hinaus musst du als selbstständiger Berufsträger auch deine eigene Existenz sichern, indem du Einkünfte generierst, um deine laufenden Kosten zu decken, angemessenes Einkommen zu erzielen und Investitionen zu tätigen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass du als Berufsträger deine Leistungen angemessen vergütet bekommst und nicht kostenlos arbeitest.“

     

    Auch diese Frage nach dem Sinn der beruflichen Tätigkeit als Berufsträger wird ansprechend beantwortet.

     

    FAZIT | KI-basierte Lösungen können zukünftig auch in der digitalen Steuerberatung große praktische Erleichterungen bringen. Vorbehalte gegen die neuen Technologien gibt es dennoch bereits seitens der Berufsträger wie auch der Mandantschaft.

     

    Ein praktischer Test des Chatbots „ChatGPT“ als Anwendung von OpenAI hat gezeigt, dass auch steuerrechtliche Fragen grundsätzlich adäquat beantwortet werden können. Es sollte dabei aber bewusst sein, dass die Antworten nie eine Beratung im Einzelfall ersetzen können.

     

    Dennoch kann der Chatbot eine Praxishilfe sein. So liefert der Chatbot sprachlich einfache und inhaltlich zufriedenstellende Antworten, welche z. B. in der Kommunikation mit Mandanten oder als Hilfestellung für Anwärter eingesetzt werden können.

     

    Interessant ist auch, dass ChatGPT ebenfalls zur Datenerfassung eingesetzt werden kann. So kann der Chatbot genutzt werden, Daten von Mandanten zu erfassen und automatisch in das System des Berufsträgers zu übertragen. Der Arbeitgeber kann nach § 106 GewO insoweit Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind (Weisungsrecht des ArbG). Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.

     

    Treffen Sie daher eine Grundsatzentscheidung zur Nutzung von Chatbots in Ihrer unternehmerischen Aktivität ‒ dieses auch vor dem Hintergrund urheber- und haftungsrechtlicher Risiken.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2023 | Seite 125 | ID 49302069