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  • · Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht

    Streit unter den GmbH-Gesellschaftern: Was darf, kann oder muss der Steuerberater tun?

    von Dr. Markus Wollweber, Dipl.-Finw., RA/FAStR, Partner der Streck Mack Schwedhelm Steuerberater Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Köln

    | Die Zahl der streitigen Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern hat zugenommen. Die Begleitung durch den Berater ist dabei anspruchsvoll: I. d. R. berührt der Gesellschafterstreit verschiedene Rechtsgebiete, neben dem Gesellschafts-, Handels- und Zivilrecht insbesondere das Berufs- und Steuerrecht. Kommt es zum Streit, wenden sich die Mandanten nicht selten zuerst an ihren Steuerberater. Dieser Beitrag beleuchtet die Aufgaben des steuerlichen Beraters im Gesellschafterstreit: Was darf, kann, muss der Berater? Wo lauern Haftungsrisiken? |

    1. Einberufung der Gesellschafterversammlung

    1.1 Einberufungsberechtigung der Geschäftsleitung

    Nach der gesetzlichen Grundvorstellung wird die Gesellschafterversammlung „durch die Geschäftsführer“ berufen (§ 49 Abs. 1 GmbHG). Für die Einberufung ist jeder Geschäftsführer einzeln zuständig, und zwar unabhängig davon, ob er Einzelgeschäftsführungs- oder Einzelvertretungsbefugnis hat (OLG Jena 25.4.12, 2 U 520/11, GmbHR 13, 149; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2023, § 49 Rz. 3; Hackel, GmbHR 16, 44; vgl. auch Rüppel/Hoffmann, BB 16, 645).

     

    Nach h. M. kann die Einberufung auch durch einen Bevollmächtigten, z. B. durch einen beauftragten Rechtsanwalt im Namen des Geschäftsführers erfolgen, sofern aus der Einberufung selbst hervorgeht, dass diese auf einem Entschluss des Geschäftsführers selbst beruht und er ihr Urheber ist (BGH 30.11.61, II ZR 136/60, GmbHR 62, 28; OLG Hamm 1.2.95, 8 U 148/94, GmbHR 95, 736; OLG Hamm 27.11.19, 8 U 69/19, DNotZ 21, 301, 307; OLG Düsseldorf 14.11.03, 16 U 95/98, GmbHR 04, 572, 578; Wicke, GmbHR 17, 777, 778; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 49 Rz. 4). Im Hinblick auf § 174 BGB ist in jedem Fall eine Originalvollmacht beizufügen, da ansonsten die Einberufung durch Bevollmächtigte ggf. sofort zurückgewiesen werden kann.

     

    MERKE | Erfolgt die Ladung durch einen bevollmächtigten Steuerberater, können je nach Fallgestaltung berufsrechtliche Risiken einer unzulässigen Rechtsdienstleistung nicht ausgeschlossen werden.

     

    1.2 Einberufungsverlangen der Minderheitsgesellschafter

    Zur Gesellschafterversammlung können auch solche Gesellschafter laden, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen (§ 50 Abs. 1 GmbHG). Maßgebend sollen die Beteiligungsverhältnisse sein, die sich aus der Gesellschafterliste ergeben (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Das Verfahren verläuft zweistufig:

     

    • Zunächst muss die Geschäftsführung von den Minderheitsgesellschaftern aufgefordert werden, zur Gesellschafterversammlung zu laden.
    • Kommt die Geschäftsführung dieser Aufforderung nicht nach, haben die Minderheitsgesellschafter in der zweiten Stufe ein Selbstladungsrecht (§ 50 Abs. 3 S. 1 GmbHG).

     

    Voraussetzung der Einberufungsberechtigung nach § 50 Abs. 3 GmbHG ist, dass die Geschäftsführung nach § 50 Abs. 1 GmbHG zunächst selbst zur Einberufung der Gesellschafterversammlung unter angemessener Fristsetzung aufgefordert worden ist. Dabei muss die Aufforderung gem. § 50 Abs. 1 GmbHG zulässig gewesen sein. Auch für dieses Aufforderungsschreiben muss das Minderheitenquorum von 10 % erfüllt sein.

     

    MERKE | In dem Einberufungsverlangen ist es nicht erforderlich, die Zulässigkeit des Einberufungsbegehrens und insbesondere die Mindestbeteiligung von 10 % darzulegen. Eine solche Darlegung ist jedoch zu empfehlen.

     

    Die Aufforderung zur Einberufung der Gesellschafterversammlung ist an keine Form geknüpft, kann also auch mündlich erklärt werden. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch ein schriftliches Einberufungsverlangen. Die Aufforderung muss den Gegenstand der Beratung und der Beschlussfassung sowie eine Begründung für das Minderheitsverlangen enthalten (§ 50 Abs. 1 GmbHG). Andererseits ist es nicht erforderlich, dass bereits eine konkrete Beschlussvorlage beigefügt wird (vgl. BGH 7.6.93, ll ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 21). Das Einberufungsverlangen ist an einen der Geschäftsführer zu richten.

     

    Sofern die Aufforderung nach § 50 Abs. 1 GmbHG ordnungsgemäß ist, muss die Gesellschafterversammlung einberufen werden. Ein Ermessensspielraum zugunsten des Geschäftsführers besteht nicht. Er darf insbesondere nicht von der Einberufung absehen, weil er die Gesellschafterversammlung für unzweckmäßig hält oder damit rechnet, dass die Minderheit mit ihrem Verlangen ohnehin an den Mehrheitsverhältnissen scheitern wird. Die Grenze bildet hier allenfalls der Missbrauch. Die Geschäftsführung muss die Gesellschafterversammlung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, einberufen. Als Faustregel kann eine Monatsfrist genannt werden, die mit dem Eingang der Aufforderung bei der Gesellschaft beginnt (OLG München 21.2.00, 7 W 2013/98, GmbHR 00, 486, 489; vgl. Rüppel/Hoffmann, BB 16, 645). Aus Sicht der Geschäftsführung ist zu erwägen, diese Monatsfrist nicht voll auszuschöpfen, da insbesondere bei eiligen Gesellschafterbeschlüssen die Ladungsfrist auch verkürzt sein kann.

     

    1.3 Zu ladende Personen

    Die Gesellschaft hat diejenigen Personen zur Gesellschafterversammlung zu laden, die im Zeitpunkt der Ladung in der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste genannt sind. Auf die materielle Frage, wer Gesellschafter ist, kommt es zunächst nicht an. Vielmehr ergibt sich aus § 16 Abs. 1 GmbHG, dass die Gesellschaft in ihrem eigenen Interesse, aber auch zum Schutz Dritter berechtigt und verpflichtet ist, unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage jeden zu laden, der in der Liste aufgeführt ist.

     

    1.4 Einberufungsfrist

    Vorbehaltlich anderweitiger Satzungsregelungen hat das Einberufungsschreiben / die Ladung durch eingeschriebenen Brief zu erfolgen und ist mit einer Frist von mindestens einer Woche „zu bewirken“ (§ 51 Abs. 1 GmbHG). Da das „Bewirken“ des Einberufungsschreibens nach grundlegend anderen Regeln als der normale Zugang schriftlicher Willenserklärungen erfolgt (vgl. im Einzelnen Wicke, GmbHR 2017, 777, 780), ist zu empfehlen, zwischen dem Datum, an dem das Schreiben zur Post gegeben wird, und dem Tag der Gesellschafterversammlung einen zeitlichen Puffer im Umfang der gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Frist zzgl. eines „Sicherheitszuschlags“ von mindestens drei Wochentagen vorzusehen. Der Gesellschaftsvertrag kann eine längere Frist vorsehen.

     

    1.5 Mindestinhalt des Einberufungsschreibens

    Folgende Mindestangaben sollte die Ladung enthalten:

     

    • Klare Angabe zur Identität der Gesellschaft, für die die Versammlung durchgeführt wird

     

    • Angabe zur Urheberschaft: Wer wird als Einberufungsorgan tätig? Es muss erkennbar sein, wer der Absender ist, d. h., ob es sich um einen Geschäftsführer, den Aufsichtsrat, eine Gesellschafterminderheit oder ein sonstiges einberufungsberechtigtes Organ handelt. Beruft eine Minderheit gem. § 50 Abs. 3 GmbHG ein, müssen die Gesellschafter die Berechtigung der Einberufung überprüfen können. Deswegen muss in der Ladung zusätzlich angegeben werden, welche Gesellschafter die Gesellschafterversammlung einberufen und warum sich die Gesellschafter für einberufungsbefugt halten.

     

    • Ziel der Einberufung: Abhaltung einer Gesellschafterversammlung

     

    • Wesentlicher Inhalt der Beschlussgegenstände: Grundsätzlich genügt es, wenn der Kern der beabsichtigten Beschlussfassungen benannt und identifizierbar ist. Soll z. B. eine Einziehung von Anteilen oder eine Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund erfolgen, muss dies so bezeichnet werden und es sind jedenfalls stichpunktartig die wesentlichen Gründe zu benennen (OLG München 12.1.17, 23 U 1994/16, GmbHR 17, 469). Nicht erforderlich ist hingegen, dass bereits eine konkrete Beschlussvorlage beigefügt wird (vgl. BGH 7.6.93, ll ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 21).

     

    • Angabe von Ort und Zeit der Versammlung; Versammlungsort ist grundsätzlich die Gemeinde, in der die Gesellschaft ihren statutarischen Sitz hat.

    2. Aufgabe und Wahl eines Versammlungsleiters

    Kommt es dann zur eigentlichen Versammlung, wird der steuerliche Berater insbesondere vom Mehrheitsgesellschafter, der i. d. R. die Person des Versammlungsleiters bestimmen kann, gefragt, ob er ggf. als Versammlungsleiter einer solchen streitigen Versammlung zur Verfügung steht. Grundsätzlich kann ein Versammlungsleiter, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, mit einfacher Mehrheit bestimmt werden.

     

    Wird für die Gesellschafterversammlung der GmbH ein Versammlungsleiter bestellt, so ist vorab zu prüfen, ob dieser zugleich mit Beschlussfeststellungskompetenz ausgestattet ist, durch die die Beschlüsse ‒ im Gleichklang mit dem Aktienrecht ‒ vorläufige Verbindlichkeit entfalten. Nicht selten muss nämlich, wenn die Beschlussfeststellungskompetenz nicht ausdrücklich geregelt ist, durch Auslegung der Satzung und/oder des Beschlusses über die Bestellung des Versammlungsleiters ermittelt werden, ob dem Versammlungsleiter eine Beschlussfeststellungskompetenz zukommen soll. Diese Kompetenz kann einem Versammlungsleiter durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss ‒ sofern die Satzung nichts anderes bestimmt ‒ mit einfacher Mehrheit übertragen werden (vgl. BGH 4.5.09, II ZR 169/07, GmbH-StB 10, 7 = GmbHR 09, 1327; KG Berlin 12.10.15, 22 W 74/15, GmbHR 16, 58; Wiester, GmbHR 08, 189 [195]; Hoffmann/Köster, GmbHR 03, 1327 [1329]; a. A. Seibt in Scholz, GmbHG, Bd. 2, 11. Aufl. 2013, § 48 Rz. 44 m. w. N.).

    3. Steuerberater als Versammlungsleiter

    Als Versammlungsleiter kommt grundsätzlich jede natürliche, geschäftsfähige Person in Betracht (Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 48 Rz. 100; vgl. Jaeger in Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 3. Aufl. 2020, § 19 Rz. 39; vgl. Seibt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 48 Rz. 33). Allerdings kann eine Person aufgrund berufsrechtlicher Beschränkungen von der Wahl zum Versammlungsleiter ausgeschlossen sein. Wird sie trotz entsprechender rechtlicher Begrenzungen zum Versammlungsleiter bestimmt, kann dies zur Anfechtbarkeit festgestellter Beschlüsse und zur Haftung des Versammlungsleiters führen.

     

    Ob diese Folge eintritt, dürfte nach dem Schutzzweck der jeweiligen berufsrechtlichen Pflicht zu entscheiden sein. Dementsprechend sind die Beschränkungen für den Steuerberater zu beachten.

     

    3.1 Ausschluss durch berufsrechtliche Beschränkungen?

    Die gesetzlichen Vorgaben des StBerG hindern m. E. den Steuerberater nicht daran, als Versammlungsleiter tätig zu werden (als selbstverständlich vorausgesetzt von Lohr, GmbH-StB 20, 304 [305]). Diese Tätigkeit ist gem. § 57 Abs. 2 S. 1 StBerG wegen ihrer Vergleichbarkeit mit den in § 15 BOStB ausdrücklich genannten Tätigkeiten als Beirat, Aufsichtsrat, Mediator und Schiedsrichter mit dem Beruf eines Steuerberaters vereinbar.

     

    Zudem liegt in der Tätigkeit des Steuerberaters als Versammlungsleiter regelmäßig kein Verstoß gegen die Pflicht zur unabhängigen Berufsausübung gem. § 57 Abs. 1 StBerG. Dies dürfte selbst dann gelten, wenn der Steuerberater gleichzeitig die GmbH oder die Gesellschafter in steuerlichen Angelegenheiten berät. Zwar darf der Steuerberater gem. § 57 Abs. 1 StBerG i. V. m. § 6 Abs. 2 S. 1 BOStB mehrere Auftraggeber in derselben Sache nur beraten und vertreten, wenn ihm ein gemeinsamer Auftrag erteilt worden ist und alle Auftraggeber einverstanden sind. Indes wird häufig bereits nicht dieselbe Sache ‒ nämlich kein einheitliches Lebensverhältnis mit der steuerberatenden Tätigkeit ‒ vorliegen.

     

    3.2 Versammlungsleitung ist keine Parteivertretung

    Die Aufgabe des Versammlungsleiters umfasst auch nicht die Beratung und Vertretung einer Partei, also nicht die Tätigkeit als Interessenvertreter. Zwar steht ein Versammlungsleiter in einem Rechtsverhältnis zu der Gesellschaft (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 48 Rz. 19). Er nimmt jedoch nicht die Interessen der Gesellschaft wahr, sondern ist allen Gesellschaftern gegenüber zur Gleichbehandlung und Neutralität verpflichtet (vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 48 Rz. 16). Aus diesem Grund dürfte es durch die Tätigkeit als Versammlungsleiter ebenso nicht entgegen § 57 Abs. 1 StBerG i. V. m. § 6 Abs. 2 S. 2 BOStB zu einer Beratung oder Vertretung widerstreitender Interessen kommen. Aus dem gleichen Grund dürfte auch eine Strafbarkeit wegen Parteiverrats gem. § 356 StGB durch die Übernahme der Aufgabe als Versammlungsleiter ausscheiden.

     

    MERKE | Zu beachten ist, dass ein Versammlungsleiter aus wichtigem Grund abberufen (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 48 Rz. 15a) und bei pflichtwidrigem Verhalten haftbar (vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 48 Rz. 17a) gemacht werden kann. Dies dürfte etwa bei einseitiger Parteinahme für einen Gesellschafter in Betracht kommen. Sofern die GmbH oder ihre Gesellschafter Mandanten des Steuerberaters sind, sollte bei der Tätigkeit als Versammlungsleiter auch die sich aus § 57 Abs. 1 StBerG und aus § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB ergebende Pflicht zur Verschwiegenheit gegenüber diesen Mandanten im Blick behalten werden.

     

    3.3 Unzulässige Rechtsdienstleistung?

    Allerdings ist es dem Steuerberater gem. § 3 RDG i. V. m. § 3 Nr. 1 Var. 1 StBerG nicht erlaubt, Rechtsdienstleistungen außerhalb der zulässigen geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen zu erbringen. Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert ‒ d. h., wenn nach der Verkehrsanschauung und der erkennbaren Erwartung des Rechtsuchenden eine juristische Subsumtion und besondere Rechtskenntnisse erforderlich sind (Deckenbrock/Henssler in Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, § 2 Rz. 33). Eine solche rechtliche Prüfung ist beispielhaft jedenfalls bei den folgenden Beschlussgegenständen erforderlich:

     

    • Einziehung von Geschäftsanteilen oder Abberufung des Geschäftsführers:
    • Wenn die Einziehung oder Abberufung aus wichtigem Grund erfolgen soll, muss der zur Beschlussfeststellung ermächtigte Versammlungsleiter vorsorglich prüfen, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt und deshalb eine Stimme wegen eines Stimmverbots nicht mitzuzählen ist (BGH 21.6.10, II ZR 230/08, NZG 10, 1022).

     

    • Andere Beschlussgegenstände, bei denen eine gegen die Treuepflicht verstoßende Stimmabgabe (etwa BGH 12.4.16, II ZR 275/14, NZG 16, 781) in Betracht kommt:
    • Die Stimme ist nicht mitzuzählen (BGH 19.11.90, II ZR 88/89, NJW 91, 846; OLG Hamm 25.7.16, 8 U 160/15, GmbHR 16, 1154), wenn aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung (anschaulich OLG München 14.8.14, 23 U 4744/13, NZG 15, 66) ein Treuepflichtverstoß zu bejahen ist. Dies hat der Versammlungsleiter bereits bei der Beschlussfeststellung zu berücksichtigen (OLG Stuttgart 8.10.99, 20 U 59/99, NZG 00, 490).

     

    Ob der Versammlungsleiter Stimmen mitzählt oder nicht, kann maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf und tatsächlichen Ausgang eines Gesellschafterstreits nehmen. Stellt der Versammlungsleiter z. B. einen mit der Mehrheit der Stimmen gefassten Einziehungsbeschluss fest, können die verbleibenden Gesellschafter eine den betroffenen Gesellschafter nicht mehr ausweisende Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichen.

     

    MERKE | Wird eine Gesellschafterversammlung im Zusammenhang mit einem Gesellschafterstreit abgehalten, dürfte eine rechtliche Prüfung durch den Versammlungsleiter bei der Beschlussfassung erforderlich sein. Von einem zum Versammlungsleiter bestellten Steuerberater dürfte die Verkehrsanschauung eine solche rechtliche Prüfung außerhalb streitiger Konstellationen hingegen eher nicht erwarten.

     

    4. Steuerberater als Protokollführer

    Dagegen kann der Steuerberater ohne Weiteres als Protokollführer in der Gesellschafterversammlung tätig werden. Diese Tätigkeit stellt keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung dar, da keine rechtliche Prüfung erforderlich ist (vgl. zum Protokollführer bei einer Mediation: Deckenbrock/Henssler in Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, § 2 Rz. 130).

    5. Steuerberater als Vertreter/Beistand eines Gesellschafters

    Eine Vertretung ist im Allgemeinen zulässig, wenn die Möglichkeit der Stellvertretung nicht durch die Satzung in relevanter Weise beschränkt wird (dazu Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 47 Rz. 44) und Treuepflichten der Wahl des konkreten Stellvertreters nicht ausnahmsweise entgegenstehen (dazu Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 47 Rz. 388). Die Begleitung eines Gesellschafters ist zulässig, wenn die Satzung oder ein Gesellschafterbeschluss dies zulässt (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 48 Rz. 8).

     

    Die Vertretung/Begleitung ist ‒ im Hinblick auf § 57 Abs. 3 Nr. 2 StBerG i. V. m. § 15 Nr. 5 BOStB ‒ eine mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbare Tätigkeit. Auch dürfte es sich bei der Vertretung und Begleitung grundsätzlich nicht um eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung nach § 3 RDG handeln. Die bloße Stellvertretung als solche erfordert i. d. R. keine rechtliche Prüfung (Deckenbrock/Henssler in Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, § 2 Rz. 37). Ob im Einzelfall gleichwohl eine rechtliche Prüfung erforderlich ist, hängt von den Beschlussgegenständen sowie maßgeblich vom Handlungsspielraum des Vertreters und dem Beratungsauftrag des Beistands ab.

     

    FAZIT | Wird der Steuerberater in der streitigen GmbH-Gesellschafterversammlung tätig, sollte er neben dem Zivil-, Gesellschafts- und Steuerrecht insbesondere die berufsrechtlichen Grenzen kennen, die ihm das StBerG, vor allem aber auch das RDG setzen.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2024 | Seite 238 | ID 50019150