· Fachbeitrag · Kultur der unverzüglichen Zahlung
Neue Regelungen zum Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr
von Dipl.-Kfm. Rüdiger Apel, Düsseldorf
| Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum „Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ (15.8.12, BT-Drs. 17/10491) soll die Richtlinie (2011/7/EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.11 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (vom 23.2.11, ABI L 48/1; BMF 2.1.13, IV D 4-S-3102/07/10001) in nationales Recht umgesetzt werden. |
1. Sinn und Zweck des Gesetzes
Mit der Vorlage dieses Gesetzes will die Bundesregierung den Zahlungsverzug im geschäftlichen Verkehr möglichst verhindern und den Gläubigern neue Instrumentarien für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Verzugsfall zur Verfügung stellen. Der Gesetzentwurf enthält neue Regelungen für Zahlungshöchstfristen und eine pauschalierte Entschädigung für entstandene Kosten der Rechtsdurchsetzung. Die Regelungen der Europäischen Richtlinie müssen bis zum 16.3.13 in nationales (Schuld-) Recht umgesetzt werden. Die Erwägungsgründe der Richtlinie 2011/7/EU sind das Streben hin zu einer „Kultur der unverzüglichen Zahlung“ innerhalb des Europäischen Binnenmarkts.
2. Wer ist betroffen?
Betroffen von den geplanten Änderungen ist ausschließlich der Zahlungsverzug im geschäftlichen Verkehr. Dies ist immer dann gegeben, wenn kein (End-)Verbraucher an dem Rechtsgeschäft beteiligt ist. Neben den Verbrauchern sind von dem Anwendungsbereich ausgenommen:
- öffentliche Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie und Verkehrsversorgung,
- Postdienstleistungen und
- Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge.
Hervorzuheben ist, dass der Unternehmensbegriff im Rahmen der Richtlinie nicht mit dem Kaufmannsbegriff des deutschen Handelsrechts übereinstimmt. Die Richtlinie soll zusätzlich auch auf die freien Berufe (als Unternehmen) und die öffentlichen Auftraggeber Anwendung finden (Begriffsbestimmung in § 98 Nr. 1 bis Nr. 3 GWG). Aufgrund dieser weiten Fassung des Unternehmerbegriffs hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür entschieden, die Regelung gesetzessystematisch an einer allgemeinen Stelle, hier im 2. Buch des BGB (Teil des allgemeinen Schuldrechts) zu platzieren. Auf die Schaffung eines besonderen Verzugsrechts für Kaufleute im HGB wurde verzichtet.
3. Zahlen aus der Praxis
Nach einer Befragung der IT-Projektbörse Gulp unter 988 IT-Spezialisten ergab sich ein durchschnittliches Zahlungsziel von 25,6 Tagen. Betrachtet man die Verteilung in der Grafik, so lagen 50,3 % der Aufträge im Bereich von 30 Tagen. In 8,7 % der Fälle war das Zahlungsziel bei größer als 30 Tage.
Abb.: Anteil IT-Freiberufler mit einem vereinbarten Zahlungsziel von ... (in Tagen)
Betrachtet man die durchschnittliche Zahlungsdauer in der öffentlichen Hand, so schwankt diese um die 40 Tage und liegt damit noch einmal deutlich höher als in den sonstigen Bereichen.
Abb.: Durchschnittliche Zahlungsdauer der öffentlichen Hand
4. Wesentliche Bestandteile des Gesetzes
Die Regelung zu den Zahlungsfristen wird ihren Niederschlag in § 271 a BGB finden. In den Absätzen 1 und 2 werden Zahlungsfristen und im Absatz 3 die Überprüfungs- und Abnahmefristen geregelt.
4.1 Zahlungsfristen
Nach dem neuen § 271a Abs. 1 BGB-E wird erstmals eine Höchstgrenze für Zahlungsfristen gesetzlich bestimmt. Der Ablauf der Zahlungsfrist ist eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Verzugszins. Der Begriff der Zahlungsfrist bringt zum Ausdruck, dass vor Ablauf der Zahlungsfrist der Schuldner nicht zu leisten braucht und der Gläubiger nicht zur Forderung der Leistung berechtigt sein soll.
Vereinbaren die Vertragsparteien eine vom Gesetz abweichende Regelung, so soll eine Höchst-Zahlungsfrist von 60 Tagen gelten. Diese spezielle Vereinbarung darf für den Gläubiger nicht grob nachteilig sein (§ 271 a Abs. 1 BGB-E).
PRAXISHINWEIS | Die Richtlinie äußert sich für den Unternehmensverkehr nicht dazu, wann die Höchstfrist für Zahlungsvereinbarungen beginnen soll. Da die Vorgabe einer Höchstfrist für Zahlungsvereinbarungen ohne Benennung des Fristbeginns nicht zur Beschleunigung von Zahlungen führen kann und um den Anwender über diese Frage nicht im Unklaren zu lassen, können die Parteien den Fristbeginn knüpfen an
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Für öffentliche Auftraggeber wurde eine besondere Regelung getroffen. Die vereinbarte Zahlungsfrist darf maximal nur 30 Tage betragen (§ 271 a Abs. 2 S. 1 BGB-E). Diese Regelung kann aber auch bei ausdrücklicher Vereinbarung und aufgrund der besonderen Natur des Vertrages auf 60 Tage erhöht werden.
PRAXISHINWEIS | Gegen die Anhebung der Zahlungsfrist spricht, dass in der Praxis diese 60 Tage dann als Regelzahlungsfrist angesehen werden. |
Der unbestimmte Rechtsbegriff von „grob nachteilig“ und der offenen Formulierung von Ausnahmekonstellationen zeigt auf, dass es zu einer Konkretisierung von Art und Bereich der Anwendung durch die Gerichte kommen wird.
Vereinbaren die Parteien eine Frist für das Abnahme- und Überprüfungsverfahren gem. § 271 a Abs. 3 BGB-E, so ist ebenfalls eine Höchstfrist hierfür von 30 Tagen vorgesehen. Auch in diesem Bereich gilt eine Öffnungsklausel. Eine abweichende Vereinbarung ist wieder möglich, wenn der Zahlungsgläubiger nicht grob benachteiligt wird.
PRAXISHINWEIS | Die Regelung bringt im Allgemeinen schon eine wesentliche Verbesserung in der Verbindlichkeit von Zahlungsfristen, aber gerade in der Bauwirtschaft hatte man auf kürzere Fristen gehofft. In der Regel gehen die Unternehmer mit ihrer Bauleistung in fast vollständige Vorleistung bzw. Vorfinanzierung und sind auf eine unverzügliche Bezahlung angewiesen. Ein quasi zusätzliches zinsloses Darlehen bedeutet die Möglichkeit, einen Zahlungszeitraum für die Abnahme und Überprüfung zu vereinbaren. |
Die Zahlen des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH -2009) zeigen, dass bei 28 % der Fälle die Zahlungsfrist von zwei Monaten (bei der Schlussrechnung in 50 bis 100 % aller Fälle) durch die öffentliche Hand überschritten wurde. Im Gegensatz dazu waren es bei den privaten Auftraggebern nur 10 %. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass in über 67 % der Fälle die Frist um einen Monat oder mehr überschritten wurde. Von diesen Fällen wurde die Frist bei 17 % der Fälle um bis zu 6 Monate überschritten. Beinahe 3 % der öffentlichen Auftraggeber hatten sich mit der Bezahlung der Rechnung mehr als 6 Monate Zeit gelassen. Wird diese neue Möglichkeit einer Fristenregelung für die Abnahme und bzw. oder Überprüfung des Werkes nicht in Anspruch genommen, so bleibt es dabei, dass die Leistung weiterhin nach § 271 Abs. 1 BGB im Zweifel „sofort“ nach Abnahme des Werkes gem. § 640 Abs. 1 BGB erbracht werden muss.
4.2 Beitreibungskosten
Zusätzlich wird eine Regelung (§ 288 Abs. 5 BGB-E) über einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 40 EUR für Beitreibungskosten im Verzugsfall eingeführt. Dieser Anspruch auf Beitreibungskosten entsteht unabhängig von dem Bestehen eines tatsächlichen Verzugsschadens. Auch einer gesonderten Mahnung im Vorfeld bedarf es nicht. Dies stellt eine Besonderheit dar, da sonst grundsätzlich gem. § 286 Abs. 1 S. 1 BGB eine Mahnung eine Tatbestandsvoraussetzung des Verzugs darstellt.
Sollte eine Vereinbarung darüber getroffen werden, die eine Entschädigung aus § 288 Abs. 5 S. 1 BGB-E ausschließt, so wird dies als ein Verstoß gegen die guten Sitten behandelt (§ 288 Abs. 5 S. 2 BGB-E). Die pauschalen Beitreibungskosten werden in den meisten Fällen die tatsächlich angefallenen Kosten der Rechtsverfolgung wegen Verzugseintritts nicht abdecken. Diese Diskrepanz wird aber auch in der Gesetzesbegründung nicht weiter erläutert.
4.3 Verzugszinsen
Zusätzlich haben sich die nationalen Gesetzgeber verpflichtet, die gesetzlichen Verzugszinsen zu erhöhen. Diese sollen von 8 % auf 9 % über dem Basiszinssatz steigen. Da die Deutsche Bundesbank den Basiszinssatz zum 1.1.13 auf minus 0,13 % festgesetzt hat, ändern sich die Verzugszinsen von 7,87 % (vor Inkrafttreten des Gesetzes) auf 8,87 % (ab Inkrafttreten). Der Basiszinssatz ist bis zum 30.6.13 maßgebend.
Weiterführender Hinweis