· Fachbeitrag · Wirtschafts-Identifikationsnummerverordnung (WIdV)
Zuteilung der Wirtschafts-Identifikationsnummer ab 1.9.24: Das kommt jetzt auf die Betroffenen zu
von RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen
| Nachdem ab dem 1.7.08 jedem Steuerpflichtigen eine Steuer-Identifikationsnummer (St-IdNr.) zugeteilt worden ist, wird nunmehr ab dem 1.9.24 jedem wirtschaftlich Tätigen eine Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) zugeteilt. Dies soll die Kommunikation zwischen wirtschaftlich Tätigen und Behörden sowie zwischen den Behörden vereinfachen. Was kommt da auf die Betroffenen zu? |
1. Was bisher (nicht) geschah
Rechtsgrundlage ist der bereits im Jahr 2003 eingeführte § 139c AO. Diese Norm regelt u. a., welche Daten jeweils von natürlichen Personen, juristischen Personen (z. B. Kapitalgesellschaften, Vereine) und Personenvereinigungen (Personengesellschaften) vom BZSt gespeichert werden. Bisher wurde aber noch nicht die in § 139c Abs. 1 AO vorgesehene W-IdNr. zugeteilt, da nach § 139d AO zunächst eine Rechtsverordnung erlassen werden musste, die u. a. den Aufbau, die Zuteilung, die Löschfrist und die Form der Mitteilung der W-IdNr. im Einzelnen regelt. Außerdem hat das BMF gemäß Art. 97 § 5 EGAO mit Zustimmung des Bundesrats den Zeitpunkt der Einführung der Wirtschafts-Identifikationsnummer zu bestimmen.
Nunmehr liegt der Referentenentwurf des BMF der Verordnung zur Vergabe der W-IdNr. vor (im Folgenden: WIdV). In ihr werden, wie es § 139d AO vorsieht, in den §§ 1 bis 4 der Zeitpunkt der Zuteilung, die Vergabe, die Form der W-IdNr., deren Mitteilung an die wirtschaftlich Tätigen durch das BZSt und die Löschfristen geregelt. Diese VO bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats, mit der aber wohl zu rechnen ist.
2. Warum ist die Einführung der W-IdNr. notwendig?
Die W-IdNr. soll als Merkmal der eindeutigen Identifizierung aller wirtschaftlich Tätigen im Besteuerungsverfahren dienen und Verwaltungsprozesse vereinfachen. Dies wird u. a. dadurch erreicht, dass alle Steuerpflichtigen und Dritte (z. B. Steuerberater), die Daten eines wirtschaftlich Tätigen an die Finanzbehörden übermitteln, die W-IdNr. bei Anträgen, Erklärungen oder Mitteilungen gegenüber Finanzbehörden künftig anzugeben haben (§ 139a Abs. 1 S. 1, 2. HS AO). Die W-IdNr. soll die Kommunikation zwischen wirtschaftlich Tätigen und Behörden sowie zwischen den Behörden untereinander vereinfachen.
Die W-IDNr. wird im Register über Unternehmensbasisdaten, das beim Statistischen Bundesamt geführt wird, als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer gespeichert. Sie dient dort zur eindeutigen und registerübergreifenden Identifikation der im Basisregister geführten Unternehmen (§ 2 Unternehmensbasisdatenregistergesetz = UBRegG und § 1 Abs. 1 S. 2 WIdV).
Sie bleibt dauerhaft unverändert bestehen und wird gem. § 3 WIdV vom BZSt erst gelöscht, wenn sie zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Finanzbehörden nicht mehr erforderlich sind, spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der wirtschaftlich Tätige alle seine wirtschaftlichen Tätigkeiten beendet hat.
3. Für wen wird die W-IdNr. zugeteilt?
Eine W-IdNr. erhalten nach § 139a i. V. m. § 139c AO:
- Alle natürlichen Personen, die wirtschaftlich tätig sind: Dies gilt für jede Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, also für gewerbliche, freiberufliche und land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten. Keine wirtschaftliche Tätigkeit ist die Vermietung oder die Vermögensverwaltung durch eine natürliche Person. Bei natürlichen Personen, die wirtschaftlich tätig sind, wird die W-IdNr. zusätzlich zu der bereits erteilten St-IdNr. zugeteilt, da beide Merkmale jeweils unterschiedliche Zwecke und Zielrichtungen verfolgen. Um beide Anliegen störungsfrei verfolgen zu können und Wechselwirkungen durch Inkonsistenzen weitergehend ausschließen zu können, macht es Sinn, hierzu zwei unterschiedliche Merkmale zu vergeben.
- Alle juristischen Personen (GmbH, AG, KGaA, eingetragene Genossenschaften, eingetragene Vereine, Stiftungen), auch wenn sie nicht wirtschaftlich tätig sind.
- Alle Personenvereinigungen (OHG, KG, eingetragene BGB-Gesellschaft [eGbR], Partnerschaftsgesellschaft i. S. d. PartGG, GmbH & Co KG).
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Eine Vermietungs-GbR erhält nur dann eine W-IdNr., wenn sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist, da sie nur dann im Unternehmensregister geführt wird. Folglich erhält sie nur in diesem Fall eine W-IdNr. Ab dem 1.1.24 kann eine GbR in ein Gesellschaftsregister eingetragen werden, sodass sie hierdurch Rechtsfähigkeit erlangt. Die Eintragung ist zunächst freiwillig. Es besteht jedoch ein mittelbarer Zwang zur Eintragung, da Veränderungen im Grundbuch, z. B. bei Erwerb oder Verkauf eines Grundstücks, bei Gesellschafterwechsel etc. nur bei einer eingetragenen GbR eingetragen werden. Eine Vermietungs-GbR, die nicht im Gesellschaftsregister eingetragen ist, erhält also keine W-IdNr., da sie nicht wirtschaftlich tätig ist, sondern privates Vermögen verwaltet. |
Fraglich ist, ob gegen die Zuteilung der W-IdNr. Einspruch bzw. Klage zulässig sind. Dies wäre nur möglich, wenn durch die W-IdNr. eine Regelung getroffen wird, die den Steuerpflichtigen zu einem bestimmten Verhalten oder Unterlassen verpflichtet. Dies erscheint dem Verfasser jedoch nicht gegeben.
4. Mehrere W-IdNrn. bei mehreren wirtschaftlichen Tätigkeiten
Mehrere separate W-IdNrn. werden gem. § 139c Abs. 5 AO folgenden wirtschaftlich Tätigen zugeteilt:
Übersicht / mit Beispielen |
Ausübung mehrerer wirtschaftlicher Tätigkeiten
Ein Unternehmer hat mehrere Betriebe
Ein Unternehmer hat an mehreren Standorten jeweils eine Betriebsstätte
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5. Aufbau der W-IdNr.
Die W-IdNr. besteht aus den Buchstaben „DE“, gefolgt von neun Ziffern und dem fünfstelligen Unterscheidungsmerkmal. Sie entspricht im Aufbau der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und übernimmt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 27a Abs. 1 UStG deren Funktion.
Übersicht / mit Beispielen |
Für die erste wirtschaftliche Tätigkeit wird die W-IdNr. ergänzt um das Ordnungsmerkmal 00001 (§ 1 Abs. 2 WIdV):
Erste wirtschaftliche Tätigkeit ist die Tätigkeit oder der Betrieb, für die oder den dem BZSt zuerst eine Mitteilung übermittelt wurde, § 2 Abs. 5 WIdV.
Bei mehreren wirtschaftlichen Tätigkeiten wird die einheitliche W-IdNr. ergänzt um ein fünfstelliges Ergänzungsmerkmal, § 139c Abs.: 5a S. 1 und 2 AO, § 1 Abs. 2 WIdV.
Für diese weiteren wirtschaftlichen Tätigkeiten, Betriebe und Betriebsstätten werden die Ergänzungsmerkmale in zeitlicher Reihenfolge der Übermittlung der jeweiligen (Firmen-)Daten durch die Finanzbehörden dauerhaft zugeteilt. Diese Ergänzungsmerkmale werden allerdings erst dann zugeteilt, sobald hierfür die technischen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sind, § 1 Abs. 3 WIdV. Folglich ist bis dahin die W-IdNr. mit dem Ordnungsmerkmal 00001 zu verwenden. |
6. Muss die W-IdNr. beantragt werden?
Wirtschaftlich Tätige müssen keinen Antrag stellen. Sie wird auf Anforderung durch die zuständige Finanzbehörde (Finanzamt, aber auch Hauptzollamt) vom BZSt vergeben, denn nur diese kann aufgrund der Steuerakten beurteilen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. § 139c AO vorliegt. Diese Zuteilung erfolgt wegen der großen Zahl der wirtschaftlich Tätigen allerdings nur stufenweise.
7. Wer ist für die Zuteilung der W-IdNr. zuständig?
Die Zuteilung und die Bekanntgabe der W-IdNr. erfolgt durch das BZSt, § 2 WIdV. Hierzu übermitteln die Finanzbehörden ab dem 30.9.24 zur Vorbereitung der Zuteilung der W-IdNr. dem BZSt für jeden wirtschaftlich Tätigen die dort jeweils gespeicherten Daten i. S. d. § 139c Abs. 3 bis 5a AO (§ 2 Abs. 4 WIdV). Hierzu gehören u. a.:
- Firma und frühere Firmennamen
- Rechtsform
- Wirtschaftszweignummer
- Gemeindeschlüssel
- Anschrift
- Handelsregistereintrag
- Eröffnungs- und Schließungszeitpunkt
- Zuständiges FA
- Unterscheidungsmerkmal bei mehreren Tätigkeiten, Betrieben oder Betriebsstätten
- Ggf. verbundene Unternehmen
8. Wann und wie wird die W-IdNr. zugeteilt und bekanntgegeben?
§ 1 Abs. 1 S. 1 der VO bestimmt als Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilung den 30.9.24. Das BZSt wird dann ab dem 1.11.24 bis voraussichtlich zum ersten Quartal 2026 die W-IdNr. festgelegt haben, zuteilen und mitteilen können.
8.1 Es besteht bereits eine USt-Identifikationsnummer
Hat ein Unternehmer am 30.9.24 bereits eine USt-IdNr., wird diese nunmehr als W-IdNr. übernommen (§ 2 Abs. 1 WIdV), und zwar ab dem Stichtag, zu dem das BZSt im Bundessteuerblatt Teil I öffentlich bekannt gibt, dass die USt-IdNr. nunmehr auch als W-IdNr. gilt (§ 4 Abs. 1 WIdV). In diesen Fällen wird keine gesonderte W-IdNr. zugeteilt bzw. bekanntgegeben. Bei Erklärungen, Mitteilungen und Anträgen ist also die USt-IdNr. als W-IdNr. anzugeben.
8.2 Es besteht am 30.9.24 keine USt-Identifikationsnummer
Ist der wirtschaftlich Tätige beim FA umsatzsteuerlich erfasst oder Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG (Umsatz bis 22.000 EUR), werden ihm die W-IdNr. und das erste Unterscheidungsmerkmal (00001) elektronisch mitgeteilt, § 2 Abs. 2 und 3 WIdV.
Grundsätzlich ist jeder wirtschaftlich Tätige dazu verpflichtet, seine USt-Erklärungen elektronisch abzugeben (§ 18 Abs. 3 S. 1 UStG). Hierzu bedarf es jedoch eines sicheren elektronischen Kommunikationswegs. Dies ist derzeit nur möglich, wenn auf der Kommunikationsplattform der Finanzbehörden (ELSTER-Plattform) ein Benutzerkonto eingerichtet und aktiviert worden ist.
8.3 Zuteilung und Mitteilung bei Fehlen der umsatzsteuerlichen Erfassung
Ist der wirtschaftlich Tätige weder umsatzsteuerlich erfasst noch ein Kleinunternehmer, erfolgt die Zuteilung der W-IdNr. erst, sobald die rechtlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Wann dies der Fall sein wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Wenn dann die Zuteilung erfolgt sein wird, ist die W-IdNr. grundsätzlich auf elektronischem Wege bekannt zu geben, also über die ELSTER-Plattform, § 4 Abs. 2 WIdV.
8.4 Mitteilung bei fehlender elektronischer Kommunikation, § 4 Abs. 3 WIdV
Ist in den unter 9.2 und 9.3 genannten Fällen jedoch z. B. infolge des Alters oder wegen Fehlens eines Internetanschlusses die Einrichtung eines elektronischen Kommunikationswegs nicht zumutbar bzw. nicht möglich, kann auf begründeten Antrag die Mitteilung der zugeteilten W-IdNr. und des ersten Unterscheidungsmerkmals durch das BZSt schriftlich erfolgen.
Diese Härtefallregelung gilt aber erst nach Abschluss der Zuteilung der W-IdNrn. Aufgrund des stufenweisen Vorgehens ist erst zum Abschluss der erstmaligen Zuteilung der W-IdNr. (voraussichtlich erstes Quartal 2026) sichergestellt, dass der Antrag auf postalische Mitteilung vom BZSt bearbeitet werden kann.
9. Wer darf die W-IdNr. verwenden bzw. verarbeiten?
Gem. § 139c Abs. 2 AO regelt, dass die W-IdNr. verarbeitet werden kann:
- Von den Finanzbehörden, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, also vor allem im Besteuerungsverfahren
- Von anderen Behörden oder nicht-öffentlichen Stellen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder Geschäftszwecke oder für Datenübermittlungen zwischen ihnen und den Finanzbehörden erforderlich ist
Während andere Behörden oder nicht-öffentliche Stellen die persönliche St-IdNr. nur unter strengen Voraussetzungen verarbeiten dürfen (§ 139b Abs. 2 AO), sind diese Vorgaben bei der Verarbeitung der W-IdNr. nicht so streng, da Unternehmensdaten aufgrund ihrer höheren Öffentlichkeit (siehe z. B. Publizitätspflichten) nur einen geringeren Datenschutz beanspruchen können. Folglich können z. B. Krankenkassen, Sozialversicherungsträger, Arbeitsämter die W-IdNr. als internes Zuordnungskriterium verwenden. Die W-IdNr. ermöglicht also die behördenübergreifende Verwendung von Unternehmensstammdaten.
Gem. § 139c Abs. 6a AO dürfen die zur W-IdNr. gespeicherten Steuerdaten auch verwendet werden, um einen Nutzer nach dem Online-Zugangsgesetz zu identifizieren. Diese Daten dürfen also an ein Online-Nutzerkonto übermittelt werden, um sie dort für die Beantragung und/oder Bereitstellung einer Verwaltungsdienstleistung bereitzustellen.