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08.08.2016 · IWW-Abrufnummer 187792

Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 19.02.2004 – 16 Ta 515/03


In dem Beschwerdeverfahren
Beschwerdeführer, Beklagter und Schuldner
Verfahrensbevollmächtigt.:
Geschäftszeichen
gegen
Beschwerdegegner, Kläger und Gläubiger
Verfahrensbevollmächtigt.:
Geschäftszeichen
hat die Kammer 16 des Hessischen Landesarbeitsgerichts
auf die sofortige Beschwerde
d. Schuldnerin
gegen den Beschluss
des Arbeitsgerichts in Darmstadt vom 09. Oktober 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht
als Vorsitzenden
am 19. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 09.10.2003 - 10 Ca 25/01 - unter Zurückweisung der weitergehenden sofortigen Beschwerde - teilweise abgeändert.

Der Zwangsmittelantrag des Gläubigers wird zurückgewiesen, soweit er ein "wohlwollend formuliertes, der Leistungsbeurteilung "gut" entsprechendes Zeugnis begehrt..

Im übrigen ist das Verfahren in der Hauptsache erledigt und der vorbezeichnete Beschluss des Arbeitsgerichts wirkungslos.

Von den Verfahrenskosten haben der Gläubiger 1/3 und die Schuldnerin 2/3 zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf € 500,00 festgesetzt.



Gründe



I



Die Schuldnerin wendet sich mit ihrer am 06. November 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen einen ihr am 24. Oktober 2003 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts, durch den sie auf Antrag des Gläubigers durch Zwangsmittel zu der in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 26. April 2001 enthaltenen Verpflichtung zur Erstellung eines »wohlwollend formulierten qualifizierten Zeugnisses, welches die Leistungsbeurteilung "gut" enthält"« durch Zwangsmittel angehalten worden ist. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht vorgelegt. Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat der Gläubiger das Verfahren für erledigt erklärt, nachdem die Schuldnerin ihm unter dem 19. Dezember 2003 ein Zeugnis erteilt hatte.



II



Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 793 ZPO an sich statthaft und wurde innerhalb der in § 569 Abs. 1 ZPO normierten 2-Wochen-Frist eingelegt.



Da sich die Schuldnerin trotz Aufforderung zur Stellungnahme der Erledigungserklärung des Gläubigers nicht angeschlossen hat, die Erledigungserklärung also einseitig geblieben ist, war in der Sache über den Vollstreckungsantrag des Gläubigers in der Form des einseitigen Erledigungsantrages zu entscheiden. Diese Sachentscheidung führt zur teilweisen Zurückweisung des Antrags des Gläubigers. Denn auf einseitige Erledigungserklärung hin kann die Erledigung der Hauptsache nur festgestellt werden, wenn der Antrag bis zum erledigenden Ereignis zulässig und begründet war (vgl. BAG 05.05.1995 AP Nr. 64 zu § 64 HGB). So war es hier teilweise, nämlich im Hinblick auf den mit dem Zwangsvollstreckungsantrag begehrten Zeugnisinhalt, nicht. Im übrigen war dagegen auszusprechen, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist, weil der Antrag zulässig und begründet war und erst durch die nachträgliche Erteilung eines Zeugnisses unbegründet geworden ist und sich damit erledigt hat.



Erledigt hat sich der Antrag des Gläubigers insoweit, als die Schuldnerin allgemein zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses angehalten worden ist.. Der arbeitsgerichtliche Vergleich ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), Bedenken gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung (§§ 724, 750 ZPO) sind nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht worden. Bei der Erteilung eines Zeugnisses handelt es sich auch um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Die Schuldnerin ist der titulierten Verpflichtung unstreitig auch nicht vor Antragstellung durch den Gläubiger nachgekommen. Entsprechend dem Antrag des Gläubigers war daher auszusprechen, dass insoweit die Hauptsache erledigt ist.



Begründet ist die sofortige Beschwerde dagegen, soweit das Arbeitsgericht die Schuldnerin auch angehalten hat, ein "wohlwollend formuliertes, die Leistungsbeurteilung "gut" enthaltendes Zeugnis" zu erteilen. Insoweit hat sich die Hauptsache auch nicht erledigt, da der Zwangsvollstreckungsantrag niemals begründet war. Denn den vorgenannten Begriffen fehlt die für eine Zwangsvollstreckung erforderliche Bestimmtheit Der Begriff "wohlwollend" ist ein Wertbegriff, der unterschiedlichsten sprachlichen Äußerungen, abhängig von der Bedeutung im Einzelfall, zugesprochen werden kann. Damit ist er für eine Zwangsvollstreckung zu unbestimmt, weil der Schuldner nicht erkennen kann, welche konkreten Handlungen von ihm erwartet werden {vgl. Kammerbeschlüsse v. 09.05.1994 - 16 Ta 114/94 u. v. 02.09.1997 - 16 Ta 378/97). Nichts anderes gilt bezüglich einer Leistungsbeurteilung "gut". Einer solchen Leistungsbeurteilung können verschiedenartige Formulierungen gerecht werden, eine bestimmte Formulierung ist jedoch nicht in den Vergleichstext aufgenommen worden. Damit fehlt es ebenfalls an der für eine Zwangsvollstreckung notwendigen Bestimmtheit der von der Schuldnerin vorzunehmenden Handlung. Insoweit ist der Gläubiger, sollte Streit entstehen, u.U. darauf angewiesen, diese Fragen in einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren klären zu lassen.



Die Kosten des Verfahrens waren nach § 92 Abs.1 ZPO verhältnismäßig zu teilen, weil auch im Verfahren nach § 888 ZPO die Kostenentscheidung nach den Bestimmungen der §§ 91ff ZPO zu erfolgen hat (vgl. Kammerbeschluss v. 15.06.1993 - 16 Ta 146/93). Dabei waren der Schuldnerin der grössere Teil der Kosten aufzuerlegen, weil sie überwiegend, nämlich bezüglich der Verpflichtung zur Zeugniserteilung, unterlegen ist.



Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO.



Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG) war nicht ersichtlich. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar.

Vorschriften§ 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 793 ZPO, § 569 Abs. 1 ZPO, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 724, 750 ZPO, § 888 ZPO, § 92 Abs.1 ZPO, §§ 91ff ZPO, § 3 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG