29.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053683
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 14.11.2005 – 10 TaBV 46/05
1. Ethikrichtlinien einer Us-amerikanischen Muttergesellschaft, die ueber die deutsche Arbeitgeberin in den Betrieben in Deutschland eingefuehrt werden, unterliegen dann der betrieblichen Mitbestimmung, wenn und soweit Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG beruehrt sind.
2. Fuehrt die deutsche Arbeitgeberin diese Richtlinien deutschlandweit in ihren Betrieben ein, hat der Gesamtbetriebsrat das Mitbestimmungsrecht wahrzunehmen. Nach dem Selbstverstaendnis des Unternehmens kann die Ethikrichtlinie nur in allen Betrieb einheitlich eingefuehrt werden.
3. Ordnet die Arbeitgeberin an, dass ihr jeglicher Verstoss gegen die Ethikrichtlinie entweder ueber den Vorgesetzten, ueber eine anonyme Telefonhotline oder ueber ein Ethikbuero mitgeteilt werden muss, unterliegt dieses Verfahren der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Ob der Betriebsrat auch darueber mitbestimmen muss, bei welchen Verstoessen eine Unterrichtung zu erfolgen hat, bleibt offen.
4. Bestimmt die Arbeitgeberin in der Ethikrichtlinie, dass die Arbeitnehmer von Lieferanten keine Geschenke und Zuwendungen entgegennehmen duerfen, hat der Gesamtbetriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, das auch die Frage umfasst, ob auch die gebraeuchlichen Gelegenheitsgeschenke wie z.B. Kugelschreiben, einfacher Kalender, Feuerzeuge u.a. von diesem Verbot erfasst werden und wie sich der Arbeitnehmer insoweit verhalten soll.
5. Verbietet die Arbeitgeberin in der Ethikrichtlinie jegliche Belaestigung von Mitarbeitern, ohne dass sich dieses Gebot ausschliesslich auf sexuelle Belaestigung beschraenkt, unterliegt dieses Verbot der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats. Wird eine sexuelle Belaestigung von einem Mitarbeiter nicht erkennbar abgelehnt, hat der Gesamtbetriebsrat jedenfalls bei den vorbeugenden Massnahmen nach § 2 Abs. 1 BeschSchG ein Mitbestimmungsrecht. Es besteht kein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei der Anordnung der Arbeitgeberin, dass auf ihrem Betriebsgelaende oder waehrend der Arbeit ausnahmslos keine Gewalt ausgeuebt oder angedroht wird.
6. Der Gesamtbetriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht in Hinblick auf die Anweisung in einer Ethikrichtlinie, die Mitarbeiter duerften nicht ohne Zustimmung der Arbeitgeberin Pressemitteilungen abgeben; es fehlt an dem fuer die Mitbestimmung notwendigen Regelungsspielraum.
7. Regelt die Ethikrichtlinie, dass nur berechtigte Personen Einblick in die Personal- und Krankenakte nehmen duerfen, besteht mangels Regelungsspielraum kein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats. Der Gesamtbetriebsrat kann nicht darueber mitentscheiden, wer Einblick nehmen darf.
8. Eine Ethikrichtlinie, die bestimmt, dass Mitarbeiter nicht mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung eingehen duerfen, der Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen kann oder deren Arbeitsbedingungen von der anderen Person beeinflusst werden koennen, verstoesst gegen das Grundgesetz (Artikel 1 und 2 GG); sie ist unwirksam.
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