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Änderung des Einkommensteuerbescheides bei Übermittlung elektronischer Daten nach erstmaliger Veranlagung
| Das FG Niedersachsen (13.10.22, 2 K 123/22; Rev. BFH X R 25/22, Einspruchsmuster ) hat entschieden, dass der Anwendungsbereich des § 175b AO auch dann eröffnet ist, wenn die elektronischen Daten erst nach der erstmaligen Veranlagung an das FA übermittelt wurden. Eine Änderung ist danach bei einer nachträglichen Übermittlung der Daten auch möglich, wenn der Steuerpflichtige die fraglichen Einkünfte (im Streitfall: Renteneinkünfte) zutreffend in seiner Steuererklärung angegeben hatte, das FA aber dennoch ‒ mangels Vorliegen der elektronischen Daten ‒ die Veranlagung ohne Berücksichtigung der Renteneinkünfte durchgeführt hatte. |
Nach § 175b Abs. 1 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten i. S. d. § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Voraussetzung für die Anwendung der Korrekturvorschrift ist also, dass übermittelte Daten „bei der Steuerfestsetzung“ nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist, dass die fehlerhafte Auswertung der übermittelten Daten zu einer materiell unzutreffenden Besteuerung geführt hat (BFH 8.9.21, X R 5/21, BStBl. II 22, 398). Noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob der Anwendungsbereich dieser Änderungsvorschrift auch eröffnet ist, wenn die elektronischen Daten erst nach der erstmaligen Veranlagung übermittelt werden. In der steuerrechtlichen Literatur wird hierzu die Auffassung vertreten, § 175b Abs. 1 AO greife nach dem Wortlaut nur ein, wenn die fraglichen Daten zum Zeitpunkt der Durchführung der ursprünglichen Veranlagung bereits vorlagen (Loose in: Tipke/Kruse, § 175b AO Rz. 6; Koenig in: Koenig, § 175b AO Rz. 7; Frotscher in: Schwarz/Pahlke, § 175b AO Rz. 4; Bruschke, StB 2019, 272, 273). Dem ist das FG Niedersachsen im Besprechungsfall allerdings entgegengetreten.
PRAXISTIPP | § 175b AO ist als umfassende Änderungsvorschrift im Zusammenhang mit eDaten zu verstehen, um so eine Art grundlagenähnliche Funktion zu gewährleisten, die diesen eDaten i. S. d. § 93c AO (i. V. m. Einzelgesetzen) an sich nicht zukommt (so zutr. Nöcker, jurisPR-SteuerR 25/2022 Anm. 2). Der Anwendungsbereich dieser noch „jungen“ Änderungsvorschrift ist jedoch durch die Rechtsprechung noch nicht für alle in der Praxis auftretenden Fallgestaltungen hinreichend beleuchtet. Die weitere Rechtsentwicklung sollte daher sorgfältig verfolgt werden. In bereits eingetretenen Konfliktfällen sollte gegen betroffene Änderungsbescheide ‒ zumindest in mit dem Streitfall vergleichbaren Konstellationen ‒ Einspruch eingelegt und das Verfahren unter Hinweis auf die anhängige Revision zum Ruhen gebracht werden. |