· Nachricht · Abgabenordnung
Rückwirkende Anpassung eines Vertrags aufgrund eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage
|Wird ein Ehepaar vor dem Abschluss eines Ehevertrags mit der Vereinbarung eines Wechsels des Güterstandes steuerlich falsch über die Steuerfolgen beraten (Im Streitfall: Einkommensteuerliche Auswirkung der Übertragung von GmbH-Anteilen zur Erfüllung einer Zugewinnausgleichsforderung) und war die steuerliche Auskunft ‒ für Dritte klar erkennbar ‒ entscheidende Grundlage für den Abschluss des Ehevertrags mit der Folge, dass ein Festhalten an dem Vertrag den Beteiligten angesichts der gravierenden Steuerfolgen nicht zugemutet werden kann, kann der Ehevertrag ausnahmsweise mit steuerlicher Rückwirkung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage noch nachträglich angepasst werden. Verfahrensrechtlich stellt die Rückabwicklung oder Anpassung des Ehevertrags dann ein rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar (FG Niedersachsen 14.12.23, 9 K 162/21, Urteil; Rev. BFH IX R 4/23, Einspruchsmuster). |
PRAXISTIPP | Die Problematik des Besprechungsfalls dürfte eine gewisse Breitenwirkung hinsichtlich ähnlicher Konstellationen haben und sowohl für die steuerliche Gestaltungs- als auch Abwehrberatung eine große praktische Bedeutung haben. Um die steuerliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erhalten, ist steuerlichen Beratern zu empfehlen, in Steuerklausel gemeinsame Grundlagen und Vorstellungen, die eine Geschäftsgrundlage bilden sollen und die ggf. später zu einer späteren Vertragsanpassung oder -rückabwicklung führen können, möglichst präzise festzuschreiben. In bereits eingetretenen Konfliktfällen kann das Besprechungsurteil, soweit es vom BFH bestätigt wird, helfen, sofern sich aus erkennbaren Begleitumständen bei Vertragsschluss die Gründe für die Rückabwicklung oder Anpassung ergeben.
Der Besprechungsfall zeigt auch, dass es angezeigt ist, unmittelbar nach Erkennen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu handeln und die Anpassung oder Rückabwicklung durchführen. In jedem Fall darf man aber gespannt sein, wie der BFH sich zu der Frage der steuerlichen Fehlvorstellung der Vertragsbeteiligten als gemeinsame Geschäftsgrundlage und der Rückwirkungsproblematik („Angelegt-sein“ im ursprünglichen Rechtsgeschäft) positioniert und ggf. seine bisherige Rechtsprechung (soweit ersichtlich zu der konkreten Problematik der Steuerfolgen als Geschäftsgrundlage nur BFH 28.10.09, IX R 17/09, BStBl II 10, 539) konkretisiert. Jedem steuerlichen Berater sollte jedoch klar sein, dass nicht jedes, durch eine Falschberatung ausgelöste steuerliche Ergebnis über § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO „korrigiert“ werden kann. Eine steuerliche Rückwirkung kommt nur in Betracht, wenn eine gemeinsame Fehlvorstellung der Vertragsbeteiligten über steuerlichen Folgen Geschäftsgrundlage geworden ist. Bei einem Beratungsfehler, der nur eine Vertragspartei betrifft, bleibt auch das ungewünschte steuerliche Ergebnis bestehen. |