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Voraussetzungen des obligatorischen Zinserlasses
| Soweit ersichtlich, hatte sich das FG Niedersachsen (26.6.24, 3 K 46/24; Rev. BFH VII R 20/24, Einspruchsmuster ) als erstes FG mit der Frage zu befassen, wie die Tatbestandsmerkmale des § 233a Abs. 8 S. 1 AO auszulegen sind. Diese Regelung stellt eine gesetzliche Erlassregelung sui generis dar. Nach § 233a Abs. 8 S. 1 AO sind Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. |
Nach Auffassung des FG ist auf Tatbestandsebene des § 233a Abs. 8 S. 1 AO maßgeblich die Tatsache der Anrechnung der Leistung als solcher auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer durch die Finanzbehörde, nicht aber deren konkreter Zeitpunkt. Das Tatbestandsmerkmal der Leistungserbringung auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung fordere keine explizite Tilgungsbestimmung i. S. v. § 225 Abs. 1 AO. Vielmehr komme es ausschließlich darauf an, dass die von der Finanzbehörde angenommene Leistung mit dem Willen des Leistenden auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung angerechnet werde. Eine Zahlung sei im Übrigen auch dann „angenommen“, wenn sie „in Verwahrung“ verbucht und nicht zurückgezahlt werde. Schließlich weist das FG darauf hin, dass § 233a Abs. 8 S. 1 AO anordnet, dass Nachzahlungszinsen bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu erlassen sind. Das Gericht habe daher auch nicht weiter über ein eventuell dem Beklagten zuzubilligendes Ermessen bei der Entscheidung über den Zinserlass zu befinden. § 233a Abs. 8 S. 1 AO unterscheide sich insoweit von § 227 AO. In den Regelungsbereich fallende Nachzahlungszinsen sind danach zwingend zu erlassen.
PRAXISTIPP | Es bleibt abzuwarten, ob sich der BFH dieser Rechtsauslegung anschließt. In mit dem Streitfall vergleichbaren Konstellationen sollten steuerliche Berater eine Ablehnung des weitergehenden Erlassbegehrens unter Hinweis auf das Besprechungsurteil mit dem Einspruch anfechten und mit Blick auf das anhängige Revisionsverfahrens zum Ruhen bringen. |