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  • · Fachbeitrag · Verfahrensrecht

    Verspätungszuschlag nach verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019

    | Das FG Schleswig-Holstein (15.12.23, 3 K 88/22; Rev. BFH VI R 2/24, Einspruchsmuster ) hat entschieden, dass bei verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung 2019 wegen der (aufgrund der Coronapandemie) gesetzlich verlängerten Abgabefrist ein Verspätungszuschlag nach Ablauf der gesetzlich verlängerten Abgabefrist nicht nach § 152 Abs. 2 AO ‒ sondern allenfalls nach § 152 Abs. 1 AO ‒ festgesetzt wird. |

     

    Im Streitfall war der Kläger seit 2018 erheblich (psychisch) erkrankt und deshalb weder in der Lage, die Steuererklärung selbst anzufertigen, noch eine/n Steuerberater/in damit zu beauftragen. Problematisch war hier, dass aufgrund der Coronapandemie für die VZ 2018 und 2019 Sonderregelungen bzw. -vereinbarungen im Hinblick auf die Abgabefristen des § 149 AO und den Umgang mit Fristverlängerungsanträgen bestanden. Ausdrückliche Anpassungen der gesetzlichen Regelungen für Verspätungszuschläge in § 152 AO wurden demgegenüber nicht getroffen. Solche umfassenden Anpassungen hat der Gesetzgeber erst für die Folgejahre ab 2020 vorgenommen (vgl. Art. 97 § 36 Abs. 2 und 3 EGAO). Für die vorliegenden Streitjahre war deshalb umstritten, ob Verspätungszuschläge nach der Ermessensnorm des § 152 Abs. 1 AO oder im Rahmen einer gebundenen Entscheidung nach § 152 Abs. 2 AO festzusetzen waren. Im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte das FA die auf die Erkrankung des Klägers gestützten Entschuldigungsgründe berücksichtigen müssen. Das FG hat seine Entscheidung betreffend 2019 tragend darauf gestützt, dass die gesetzliche Abgabefristverlängerung „erst recht“ dieselben Folgen wie eine behördliche, individuelle Fristverlängerung haben müsse ‒ in beiden Fällen sei die Anwendung des § 152 Abs. 2 AO wegen § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO gesperrt. Auch bei Überschreiten der gesetzlich verlängerten Abgabefrist sei damit die Anwendung des § 152 Abs. 2 AO weiterhin gesperrt und das FA könne Verspätungszuschläge „nur“ im Wege der Ermessensentscheidung nach § 152 Abs. 1 AO festsetzen.

     

    PRAXISTIPP | Das FG weicht im Ergebnis vom BMF-Schreiben vom 15.4.21 (IV A 3-S 0261/20/10001 :010, 2021/0408155, BStBl. I 21, 615) und der Rechtsprechung des FG Düsseldorf (7.3.23, 12 K 1588/22 AO, EFG 23, 1669, Rev. BFH X R 7/23; 24.8.23, 12 K 1698/22 AO, EFG 24, 7, Rev. BFH VIII R 28/23) ab. Die Problematik dürfte auch bei festgesetzten Verspätungszuschlägen in geänderten Einkommensteuerbescheiden 2019 Bedeutung haben, denn bei jeder Änderung muss das Ermessen neu ausgeübt werden. Bis zur höchstrichterlichen Klärung in den anhängigen Revisionsverfahren sollten betroffene Bescheide über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer 2019 mit dem Einspruch angefochten und zum Ruhen gebracht werden.

     
    Quelle: ID 50057793