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Voraussetzungen des obligatorischen Zinserlasses
| Nach § 233a Abs. 8 S. 1 AO sind Zinsen auf einen Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen (Nachzahlungszinsen) entweder nicht festzusetzen oder zu erlassen, soweit Zahlungen oder andere Leistungen auf eine später wirksam gewordene Steuerfestsetzung erbracht wurden, die Finanzbehörde diese Leistungen angenommen und auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer angerechnet hat. Diese Regelung wurde am 12.7.22 eingeführt und gem. Art. 97 § 15 Abs. 14 S. 1 EGAO in allen am 21.7.22 anhängigen Verfahren. Erstmals hat sich nun ein FG mit Detailfragen zu dieser neuen gesetzlichen Regelung befasst. Das FG Niedersachsen (26.6.24, 3 K 46/24; Rev. BFH VIII R 20/24, Einspruchsmuster ) hat entschieden, dass bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 233a Abs. 8 S. 1 AO in den Regelungsbereich fallende Nachzahlungszinsen zwingend zu erlassen sind. Auf Tatbestandsebene sei maßgeblich die Tatsache der Anrechnung der Leistung als solcher auf die festgesetzte und zu entrichtende Steuer durch die Finanzbehörde, nicht aber deren konkreter Zeitpunkt. Das Tatbestandsmerkmal der Leistungserbringung auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung fordere keine explizite Tilgungsbestimmung i. S. d. § 225 Abs. 1 AO. Vielmehr kommt es nach Auffassung des FG ausschließlich darauf an, dass die von der Finanzbehörde angenommene Leistung mit dem Willen des Leistenden auf die später wirksam gewordene Steuerfestsetzung angerechnet wird. Eine Zahlung ist ‒ worauf das FG explizit hinweist ‒ auch dann angenommen, wenn sie „in Verwahrung“ verbucht wird und nicht zurückgezahlt wird. |
Durch die Einführung des § 233a Abs. 8 S. 1 AO sollte die bislang in Nr. 70.1 des Anwendungserlasses zu § 233a AO verortete Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund „freiwilliger“ Zahlungen ausdrücklich gesetzlich verankert werden (vgl. BR-Drs. 157/22, S. 18). Die Formulierung solle es ermöglichen, entweder auf die Festsetzung der betroffenen Nachzahlungszinsen von vorneherein zu verzichten, wie dies bei vielen Kommunen praktiziert werde, oder festgesetzte Nachzahlungszinsen zu erlassen, was der Praxis der Steuerverwaltung entspreche. In beiden Fällen werde auf nach dem Soll-Prinzip entstandene Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen verzichtet, wobei die Annahme freiwilliger Zahlungen und vergleichbarer Leistungen wie bisher im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde stehe (BR-Drs. 157/22, S. 18).
PRAXISTIPP | Soweit ersichtlich existiert bisher keine finanzgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, wie die Tatbestandsmerkmale des § 233a Abs. 8 S. 1 AO auszulegen sind. Eine umfassende Klärung ist im anhängigen Revisionsverfahren zu erwarten. In Konfliktfällen sollten Einsprüche eingelegt und zur Begründung auf die bürgerfreundliche Besprechungsentscheidung hingewiesen werden. |