· Nachricht · Einkommensteuer
Billigkeitsmaßnahmen bei Besteuerung des Existenzminimums durch Verlustausgleichsbeschränkungen
| Die Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte, bei welchen der Verlustausgleich lediglich mit Gewinnen aus den entsprechenden Steuertatbeständen erfolgen kann und keine Verrechnung mit dem positiven Ergebnis anderer Einkunftsarten erfolgt, verstößt nicht gegen das bei der Besteuerung zu beachtende, verfassungsrechtliche objektive Nettoprinzip, denn dieses Prinzip ist nicht auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum beschränkt. Anders stellt sich dies jedoch nach Auffassung des FG Köln (26.4.23, 5 K 1403/21; Rev. BFH IX R 18/23, Einspruchsmuster ) bei der Frage eines Verstoßes gegen das subjektive Nettoprinzip aus. Kommt es deshalb bei der Anwendung der gesetzlichen Regeln zur Verlustabzugsbeschränkung bei der Besteuerung der privaten Veräußerungs- und Stillhaltergeschäfte dazu, dass dem Steuerpflichtigen in einem Veranlagungszeitraum nicht mehr das notwendige Existenzminimum aus seinem Erworbenen verbleibt, liegt hierin ein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich gem. § 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG geschützte sog. subjektive Nettoprinzip. |
Dies hat nach Auffassung des FG zur Folge, dass eine anderweitige Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen (§ 163 AO) geboten sein kann. Einer solchen Billigkeitsmaßnahme wegen Eintritts einer Besteuerung, die in einem Veranlagungszeitraum gegen das subjektive Nettoprinzip verstößt, stehe es nicht entgegen, dass die Besteuerung ‒ insbesondere die Verlustausgleichsbeschränkung bei privaten Veräußerungsverlusten oder Stillhaltergeschäften ‒ wegen der Besonderheiten hochspekulativer Spekulationsgeschäfte eingetreten ist, deren Risiken der Steuerpflichtige bewusst eingegangen sei.
PRAXISTIPP | Im Besprechungsfall ging es zwar um die Verlustausgleichsbeschränkung bei privaten Veräußerungsverlusten oder Stillhaltergeschäften (§ 22 Nr. 3 EStG). Die Grundsätze des FG sind jedoch auf alle Fälle der Verlustausgleichsbeschränkungen übertragbar. Ob das subjektive Nettoprinzip bei Vorliegen einer Verlustausgleichsbeschränkung aus privaten Veräußerungsgeschäften und Stillhaltergeschäften eingehalten ist, richtet sich nach den Vorgaben des BFH (25.2.05, XI B 78/02): Zuerst sind die positiven Einkünfte laut ESt-Bescheid mit den negativen Einkünften zu saldieren. Anschließend ist zu prüfen, ob nach Abzug der Steuerlast vom saldierten Betrag das Existenzminimum noch gewahrt ist. Sollte das nicht der Fall sein, sollten steuerliche Berater einen Antrag nach § 163 AO stellen und im Fall der Ablehnung Einspruch unter Hinweis auf den Besprechungsfall und das anhängige Revisionsverfahren einlegen. |