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  • · Nachricht · Einspruchsverfahren

    Darf das Finanzamt einen Einspruch einschränkend auslegen?

    | Auch wenn im Rubrum eines Einspruchsschreibens ein „Bescheid über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag“ genannt ist, ist der Einspruch als lediglich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlag gerichtet anzusehen, wenn die Einspruchsbegründung ausschließlich auf Rechtsfragen in Zusammenhang mit dem Solidaritätszuschlag eingeht und das Ruhen „des Rechtsbehelfsverfahrens“ wegen eines Musterprozesses zum Solidaritätszuschlag beantragt wird ( BFH 19.8.13, X R 44/11 ). |

     

    Die zusammenveranlagten Steuerpflichtigen hatten Einspruch mit folgendem Wortlaut eingelegt:

     

    • Wortlaut des Einspruchs

    Bescheid für 2007 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 30.4.09

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    gegen den Bescheid für 2007 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 30.04.2009 legen wir Einspruch ein. Der Einspruch richtet sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags. Der Bund der Steuerzahler hat beim Niedersächsischen Finanzgericht Klage gegen die Erhebung des Solidaritätszuschlags eingereicht, AZ 7 K 143/08. Das Musterverfahren bezieht sich auf den Veranlagungszeitraum 2007. Wir erklären uns damit einverstanden, dass das Rechtsbehelfsverfahren ruht bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Rechtsfrage.

     

    Da sie davon ausgingen, dass der Bescheid in vollem Umfang offen war, erklärten sie später - allerdings außerhalb der Einspruchsfrist - negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach. Dem folgte das FA mit Verweis auf die abgelaufene Einspruchsfrist nicht. Das FG entschied daraufhin, dass der Einspruch zwar auslegungsbedürftig gewesen sei, sich jedoch auch gegen die Festsetzung der Einkommensteuer gerichtet habe.

     

    Der BFH hob die Entscheidung des FG auf. Das FG habe sich bei der Auslegung rechtsfehlerhaft allein auf den Wortlaut des Rubrums und des ersten Absatzes des Einspruchsschreibens gestützt. In entsprechender Anwendung des § 133 BGB sind Rechtsbehelfe auszulegen (BFH 31.10.00, VIII R 47/98). Danach ist nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen. Das FG habe sich als an den Wortlaut des Rubrums und des ersten Absatzes des Einspruchsschreibens gebunden gesehen und nicht den --aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers erkennbaren-- wirklichen Willen des Erklärenden erforscht, der sich aus der Einspruchsbegründung ergebe, die dem ersten Absatz des zitierten Schreibens nachfolgt.

     

    PRAXISHINWEIS | Zur Erforschung des wirklichen Willens des Erklärenden sind alle Umstände heranzuziehen, die für den Erklärungsempfänger erkennbar sind. Ausdrückliche Äußerungen des Erklärenden dürfen nicht allein deshalb für die Auslegung der Erklärung außer Betracht bleiben, weil keine Rechtspflicht zur Abgabe der entsprechenden Äußerung bestand. Soweit das FG für seine Auffassung anführte, die der Begründung dienenden Passagen des Einspruchsschreibens seien für dessen Auslegung nicht heranzuziehen, weil eine Begründung gemäß § 357 Abs. 3 S. 2 AO für die Erhebung eines zulässigen Einspruchs nicht erforderlich sei, verletzte dies nach Ansicht des BFH anerkannte Auslegungsgrundsätze.

    Quelle: ID 42530121