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  • · Nachricht · Einspruchsverfahren

    Hinweis auf Verböserung ist kein Verwaltungsakt

    | Der Verböserungshinweis (§ 367 Abs. 2 S. 2 AO) ist kein Verwaltungsakt, sondern eine unselbstständige Verfahrenshandlung. Daher greifen die Vorschriften über die Bekanntgabe von schriftlichen Verwaltungsakten und insbesondere die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO nicht. Damit er seine Wirkung, rechtliches Gehör zu gewährleisten, entfalten kann, muss ihn der Einspruchsführer so zur Kenntnis nehmen, dass er sich dazu äußern kann ( FG Hamburg 27.11.14, 2 K 108/14 ). |

     

    Nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO darf ein Verwaltungsakt im Einspruchsverfahren auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn die Verböserung begründet und dem Steuerpflichtigen Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Dieser Hinweis ist selbst jedoch kein Verwaltungsakt, weswegen u.a. die Bekanntgabefiktion nicht anzuwenden ist. Bei der Bekanntgabefiktion kommt es nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme an, sondern nur darauf, dass der Verwaltungsakt „derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann und die Kenntnisnahme nach den von ihm selbst getroffenen Vorkehrungen und nach allgemeinen Gepflogenheiten auch erwartet werden kann“. Es reicht also, dass der Verwaltungsakt im Briefkasten liegt.

     

    Beim Verböserungshinweis sind aber auch nicht normale Umstände - wie etwa Urlaubsabwesenheiten oder Krankenhausaufenthalte - zu berücksichtigen. Hier kommt es sehr wohl auf die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme an und nicht auf eine (hypothetische) unter normalen Umständen. Andernfalls würde der Hinweis seine Funktion nicht erfüllen, weil eine Rücknahme des Einspruchs nur bis zur Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung möglich ist (§ 362 Abs. 1 S. 1 AO) und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) mangels Versäumung einer gesetzlichen Frist nicht in Betracht kommt.

     

    • Beispiel

    Der Einspruch ist bereits beim FA. Der Sachbearbeiter droht eine Verböserung nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO an und gibt für die Stellungnahme eine Frist von vier Wochen. Die Frist verstreicht, weil der Steuerpflichtige längere Zeit im Urlaub ist und den Verböserungshinweis erst nach seiner Rückkehr vorfindet. Inzwischen hat das FA über den Einspruch entschieden und - wie angekündigt - eine höhere Steuer festgesetzt.

    Nach der Entscheidung des FG Hamburg müsste das FA die Einspruchsentscheidung aufheben. Durch die Aufhebung wird das Einspruchsverfahren wieder eröffnet und der Steuerpflichtige kann den Einspruch zurücknehmen (§ 362 Abs. 1 AO).

     

    PRAXISHINWEIS | Weigert sich das FG, kann die Aufhebung der Einspruchsentscheidung mit einer Anfechtungsklage (§ 44 Abs. 2 FGO) beantragt werden. Klagegegenstand ist zwar grundsätzlich der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat. Eine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung ist aber ausnahmsweise dann zulässig, wenn sie eine selbstständige Beschwer enthält. Dies ist der Fall, wenn - wie hier - ein erheblicher Verfahrensmangel vorliegt, weil das FA „verbösert“ hat, ohne die Stellungnahme des Steuerpflichtigen abzuwarten. (vgl. u.a. BFH 15.5.13, VIII R 18/10, BStBlII 13, 669; v. Beckerath in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 44 FGO Rz. 191).

    Quelle: ID 43528748