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  • · Nachricht · Gewerbesteuer

    Betreiben von Handelsschiffen im internationalen Verkehr

    | Das FG Niedersachsen (15.11.23, 9 K 311/21; Rev. BFH IV R 30/23, Einspruchsmuster ) hat entschieden, dass das Betreiben von Handelsschiffen im internationalen Verkehr im Rahmen der gewerbesteuerrechtlichen Kürzung (§ 9 Nr. 3 S. 2 ff. GewStG) bei eingecharterten Schiffen Verfügungsmacht über das jeweilige Schiff voraussetzt. Hat der Charterer danach über ein eingechartertes Schiff keine Verfügungsmacht, so betreibt er mangels eigenen Einsatzes dieses Schiffs auch kein Handelsschiff im internationalen Verkehr i. S. d. § 9 Nr. 3 S. 4 GewStG. Der örtliche Bezugspunkt für die sich in der Verfügungsmacht niederschlagenden Verwurzelung der konkreten unternehmerischen Tätigkeit ist in diesen Fällen das Handelsschiff selbst. |

     

    Mit § 9 Nr. 3 S. 2 ff. GewStG soll die Belastung inländischer Schifffahrtsunternehmen mit Gewerbesteuer, soweit sie auf den Teil des inländischen Gewerbeertrags entfällt, der durch den Betrieb von Handelsschiffen ‒ bei denen es sich regelmäßig nicht um Betriebsstätten i. S. d. § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG handelt ‒ im internationalen Verkehr erzielt wird, beseitigt werden. Der nicht der Gewerbesteuer unterliegende Anteil des Gewerbeertrags wird im Wege einer Pauschalregelung ermittelt. Im Ergebnis werden damit die ausländischen Gewerbeerträge einer fiktiven ausländischen Betriebsstätte zugeordnet (vgl. BFH 10.8.16, I R 60/14, BStBl. II 17, 534; 22.12.15, I R 40/15, BStBl. II 2016, 537). Gemäß § 9 Nr. 3 S. 4 GewStG werden Handelsschiffe im internationalen Verkehr „betrieben“, wenn eigene oder gecharterte Handelsschiffe im Wirtschaftsjahr überwiegend zur Beförderung von Personen und Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt werden.

     

    Für die steuerliche Behandlung einer jeden Eincharterung ist nach Ansicht des FG im Wege einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, wer die Verfügungsmacht über das jeweils gecharterte Handelsschiff innehat und dieses Handelsschiff somit im Rahmen seines Betriebs i. S. d. § 9 Nr. 3 S. 4 GewStG „einsetzt“. Die in die Gesamtbetrachtung einzustellenden Kriterien umfassen insbesondere die konkrete Leitung des laufenden Schiffsbetriebs (d. h. Weisungsrecht gegenüber der jeweiligen Besatzung, Erhaltung der tatsächlichen und rechtlichen Betriebsbereitschaft des jeweiligen Schiffs während der Überfahrt) sowie die Übernahme des konkreten Betriebsrisikos. Lediglich eine untergeordnete, indizielle Rolle spielten hingegen vertragliche Rahmenbedingungen des Chartervertrags rechtlicher oder wirtschaftlicher Art (wie die Schiffsauswahl, die Zuweisung der vorhandenen Ladekapazitäten, die Bestimmung der Reiseroute und des Zeitplans oder die Übernahme der laufenden Kosten des Schiffs).

     

    PRAXISTIPP | Die Thematik des Besprechungsfalls hat weitreichende und der Höhe nach gravierende steuerliche Auswirkungen für Logistikunternehmen, die sich im Rahmen ihrer Aufgaben gecharterter Handelsschiffe bedienen. Die Frage der Verfügungsmacht über das gecharterte Handelsschiff stellt sich dabei insbesondere in Fällen der Reise- und Slotcharter. Es darf mit Spannung erwartet werden, ob der BFH der betriebsstättenbasierten (engen) Auslegung der Kürzungsvorschriften des § 9 Nr. 3 S. 2 ff. GewStG durch das FG Niedersachsen folgt. Bis zur höchstrichterlichen Klärung sind daher weiterhin Einspruch und ggf. Klage gegen betroffene Gewerbesteuermessbetragsbescheide geboten. Mangels Entscheidungserheblichkeit stellte sich für das FG die Frage einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 1 und 2 AEUV wegen der Vereinbarkeit der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 S. 2 ff. GewStG mit dem Unionsrecht (insbesondere dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV) nicht. Diese Frage der Vereinbarkeit mit dem EU-Recht könnte aber noch relevant werden, wenn der BFH der Rechtsauslegung des FG nicht folgt.

     
    Quelle: ID 49911326