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Vorsteuerabzug bei Konkurrenz der umsatzsteuerlichen Befreiungsvorschriften
| Das FG Niedersachsen (14.11.24, 5 K 17/24 ; Rev. BFH XI R 33/24, Einspruchsmuster ) hatte sich aktuell ‒ soweit ersichtlich erstmals ‒ mit der umstrittenen Rechtsfrage des Verhältnisses der Umsatzsteuerbefreiungsvorschriften nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG und § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG im Hinblick auf den Vorsteuerabzug auseinanderzusetzen. |
Im Streitfall ging es um innergemeinschaftliche Lieferungen von Blindenwaren von Deutschland nach Österreich. Geklagt hatte der Inhaber einer anerkannten Blindenwerkstätte zur Herstellung und zum Vertrieb von Blindenwaren und Zusatzwaren i. S. v. § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG. Dieser hatte in den Streitjahren 2014 bis 2017 neben seinen (teilweise steuerfreien) Inlandsumsätzen auch umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG) solcher Blindenwaren nach Österreich ausgeführt zur dortigen Veredelung und zum Weiterverkauf durch seine österreichische GmbH. Der Kläger machte den Vorsteuerabzug für die mit diesen steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen im Zusammenhang stehenden Eingangsumsätze im Inland geltend. Das FA verwehrt jedoch den Vorsteuerabzug unter Verweis auf die entsprechende Verwaltungsauffassung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE), wonach grundsätzlich die Steuerbefreiungen ohne Vorsteuerabzug (z. B § 4 Nr. 8 bis 29 UStG) den Steuerbefreiungen mit Vorsteuerabzug (z. B § 4 Nr. 1 bis 7 UStG) vorgehen würden. Danach sei vorliegend der Vorsteuerabzug bereits nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen und die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG komme nicht zur Anwendung (Abschn. 4.19.2 Abs. 3 UStAE, Abschn. 6a.1 Abs. 2a UStAE und Abschn. 15.13 Abs. 5 UStAE).
Das FG sah das nun anders. Liegen für die Lieferung durch einen in § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG genannten Unternehmer (Inhaber einer Blindenwerkstätte) auch die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) vor (im Streitfall: innergemeinschaftliche Lieferungen von Blindenwaren nach Österreich), geht nach Auffassung des FG die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG vor, die den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht ausschließt.
PRAXISTIPP | Zu der im Besprechungsfall entscheidenden Rechtsfrage des Verhältnisses der Steuerbefreiungsvorschriften nach § 4 Nr. 19 Buchst. b UStG und § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i. V. m. § 6a UStG im Hinblick auf den Vorsteuerabzug, liegt, soweit ersichtlich, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Daher dürfte der Ausgang des Revisionsverfahrens mit Spannung zu erwarten sein. Bis zur höchstrichterlichen Klärung sollten steuerliche Berater gegen betroffene Umsatzsteuerbescheide Einspruch einlegen und das Verfahren unter Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren zum Ruhen bringen. |