· Fachbeitrag · Baurechtsnovelle
Das neue Bauvertragsrecht aus der Sicht des Forderungsmanagements
| Das „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren “ vom 28.4.17 (BGBl. I, 969) ist am 1.1.18 in Kraft getreten. Das Baurecht soll als Spezialmaterie stärker positioniert werden und dabei den europäischen Anforderungen an den Verbraucherschutz Rechnung tragen. Das Gesetz wirkt sich auch auf das Forderungsmanagement aus. Der folgende Beitrag gibt einen ersten Überblick zum eigentlichen Werkvertragsrecht. In den weiteren Beiträgen beleuchten wir u. a. die Änderungen im Kaufrecht oder im Recht der AGB. Schon der Überblick zeigt, dass sich jeder Rechtsdienstleister mit der Novelle auseinandersetzen muss, da sie erhebliche Auswirkungen auf die Beratungspraxis hat. |
1. Neues Werkvertragsrecht in vier Kapiteln
Das bisherige Werkvertragsrecht wird mit der Neuregelung in drei Untertiteln und vier Kapiteln neu aufbereitet.
- Das eigentliche Werkvertragsrecht wird im ersten Unterabschnitt in vier Kapitel unterteilt:
- Die bisherigen werkvertraglichen Vorschriften werden im Kapitel 1 mit den „Allgemeinen Vorschriften des Werkvertragsrechtes“ bereinigt um spezifisch den Bauvertrag betreffende Vorschriften.
- Das zweite Kapitel nimmt ab § 650a BGB die besonderen Regelungen des Bauvertrags auf, was insbesondere die Sicherungshypothek und die Bauhandwerkersicherung umfasst.
- Die Besonderheiten des Verbraucherschutzes beim Bauvertrag sind im dritten Kapitel ab § 650l ZPO zu finden, wobei den Regelungen über die Abschlagszahlung und die Absicherung des Vergütungsanspruchs in § 650m BGB besondere Bedeutung zukommen.
- Grundsätzlich gilt im Privatrecht die Privatautonomie, sodass eine abweichende vertragliche Regelung möglich ist. Diese Möglichkeiten werden für das Werkvertragsrecht im vierten Kapitel mit § 650o ZPO eingeschränkt.
- Im zweiten Unterabschnitt werden ab § 650p ZPO die Architektenverträge sowie die Ingenieurverträge geregelt.
- Eine Sonderregelung im BGB erfährt dann letztlich der Bauträgervertrag.
Außerhalb des Werkvertragsrechts hat der Gesetzgeber die Bestimmungen zu der Kostentragung für den Ein- und Ausbau mangelhaften Baumaterials neu geregelt. Der Lieferant wird an diesen Kosten beteiligt, was er in seiner Preiskalkulation berücksichtigen oder durch eine entsprechende Rückversicherung als Risiko wird abdecken müssen. Die Möglichkeiten, dies vertraglich auszuschließen, sind begrenzt und streitträchtig.
2. Änderungen im allgemeinen Teil
Das Recht auf Abschlagszahlung nach § 632a Abs. 1 S. 1 und 2 BGB a.F. ist etwas präziser gefasst und vor allem von der in der Praxis kaum beherrschbaren Voraussetzung entlastet, dass der Wertzuwachs die Höhe begrenzt. Jetzt kommt es allein auf den Wert der bereits erbrachten vertraglichen Leistung an.
Der Unternehmer kann vom Besteller nach der Neuregelung also eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen verlangen. Sind die erbrachten Leistungen nicht vertragsgemäß, kann der Besteller die Zahlung eines angemessenen Teils des Abschlags verweigern.
PRAXISHINWEIS | Die Beweislast für die vertragsgemäße Leistung bleibt bis zur Abnahme beim Unternehmer. Das kann es schwieriger machen, den Zahlungsanspruch durchzusetzen. Dies unterscheidet sich aber nicht von der bisherigen Rechtsprechung. |
Neben das in § 648 BGB geregelte, freie Kündigungsrecht (bisher: § 649 BGB) ist auch ein gesetzlich normiertes Recht der Kündigung aus wichtigem Grund getreten. Das entspricht dem Stand der Rechtsprechung.
Wie in anderen Zusammenhängen kommt es auf eine Interessenabwägung an, die die Fortsetzung der vertraglichen Bindung unzumutbar erscheinen lässt. Bringt dies eher Rechtssicherheit, liegt die Neuerung in der Verpflichtung beider Vertragsparteien, nach der Kündigung an der Feststellung des Leistungsstands mitzuwirken. Widrigenfalls wirkt sich dies auf die Beweislast aus.
MERKE | Während der Bauunternehmer bei der freien Kündigung den vollen Vergütungsanspruch gekürzt um ersparte Aufwendungen behält, führt die Kündigung aus wichtigem Grund allein zu einem Vergütungsanspruch im Umfang der erbrachten Leistungen. Daher wird der Streit um die Frage, ob eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt war oder in eine freie Kündigung umzudeuten ist, dauerhaft bedeutsam bleiben.
Dies gilt umso mehr, wenn der Umstand, der zur Kündigung aus wichtigem Grund geführt hat, schuldhaft herbeigeführt wurde, sodass ein weitergehender Schadenersatzanspruch besteht. |
Eine leichtere Durchsetzung von Ansprüchen dürfte die erweiterte Annahmefiktion nach § 640 Abs. 2 BGB mit sich bringen, wenn der Besteller auf eine angemessene Abnahmefrist nicht reagiert oder in dieser Frist nicht zumindest einen Mangel rügt. Anders, als üblich, führt also Schweigen zu einer Rechtsfolge. Bei einem Verbraucher gilt dies allerdings nur, wenn er auf die Rechtsfolge hingewiesen wurde.
3. Neu: Regelungen zum Bauvertrag
Der Bauvertrag ist nun in § 650a ff. BGB kodifiziert und legal definiert. Ein Bauvertrag ist danach ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon. Ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks ist ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.
Das Kernelement liegt im neuen Anordnungsrecht des Bestellers nach § 650b BGB. Der Besteller darf danach
- eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 631 Abs. 2) oder
- eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist,
verlangen und mangels Einigung auch zwangsweise gegen den Bauunternehmer durchsetzen. Im ersten Fall kann er also eigene Planungsänderungen und -wünsche konsequent durchsetzen, im zweiten Fall obliegt es dem Besteller, Lücken der Baubeschreibung zu füllen.
PRAXISHINWEIS | Solange die Änderung dem Bauunternehmer zumutbar ist, setzt sich der Besteller also mit seinen Vorstellungen durch. Diese Gefahr muss „eingepreist“ werden. |
Die sich aus der Planänderung ergebende Mehr- oder Mindervergütung soll zunächst Gegenstand von Verhandlungen und Vereinbarungen der Parteien sein. Dabei muss der Bauunternehmer ein Angebot unterbreiten, es sei denn, der Besteller ist für die Planung verantwortlich und hat (noch) keine geänderten Planunterlagen vorgelegt. Bleibt der Einigungsversuch binnen 30 Tagen ohne Erfolg, kann der Besteller die Änderung einseitig anordnen.
Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des Bestellers vermehrten oder verminderten Aufwand ist dann nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln oder auf der Grundlage einer hinterlegten Urkalkulation.
Um die wechselseitigen Verpflichtungen durchzusetzen, ihnen den notwendigen Nachdruck zu verleihen, Streitfragen schnell zu klären und eine Verzögerungstaktik zu verhindern, können beide Vertragspartner ihre Rechte im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen. Das wird dadurch erleichtert, dass es nach § 650d BGB keiner Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes, der Eilbedürftigkeit, bedarf.
PRAXISHINWEIS | Es wird abzuwarten sein, ob in der Praxis die Baukammern den zeitlichen Erwartungen des Gesetzgebers bei vermehrten einstweiligen Verfügungen Rechnung tragen können und wie sich dies auf die Verfahrensdauer von Hauptsacheverfahren auswirken wird. |
Übersicht / Weitere wichtige Regelungen |
Weitere wichtige Regelungen der Kodifizierung des Bauvertrags sind:
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Weiterführende Hinweise
- Der gekündigte Pauschalpreisvertrag, FMP 17, 40
- Bauvertrag: Gesamtschuldnerische Haftung bei Insolvenz, FMP 17, 40
- Wie weit reicht die Bürgschaft beim Bauvertrag?, FMP 10, 62
- Wenn die Sicherheit zur Streitfrage wird ..., FMP 09, 132