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  • · Fachbeitrag · Inkassoregulierung

    Einzelheiten zur Einigungsgebühr für Rechtsanwälte und Inkassodienstleister

    von VRiOLG Frank-Michael Goebel , Koblenz

    | Mit dem am 1.10.21 in Kraft tretenden Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht (BGBl. I 20, 3320) entwertet der Gesetzgeber das vorgerichtliche Bemühen um eine gütliche Einigung erheblich. Die Neuregelung findet sich im RVG, sodass sie gleichermaßen für Rechtsanwälte (unmittelbar) und Inkassodienstleister (über § 13e Abs. 1 RDG mittelbar) gilt. Der Gebührensatz wird mehr als halbiert. Für den Schuldner kann diese Abkehr teuer werden, wenn Gläubiger und ihre Rechtsdienstleister nun vermehrt die gerichtliche Titulierung und anschließende Zwangsvollstreckung suchen. Die Kosten hierfür muss der Schuldner tragen (§§ 91, 788 ZPO), sodass sich die verringerte Einigungsgebühr als Scheingewinn darstellt. Der Abschluss einer längeren Ratenzahlungsvereinbarung über Forderungen von mehreren 100 EUR ist aus Sicht der Anwälte und Inkassodienstleister kaum mehr wirtschaftlich. |

    1. Gegenstandswert

    Für den Gegenstandswert der Forderungseinziehung für die Einigungsgebühr ist vorgerichtlich zunächst auf die Hauptforderung abzustellen. Dies ergibt sich aus § 23 Abs. 1 S. 3, Abs. 1 S. 1 RVG, § 43 GKG. Nichts anderes gilt im gerichtlichen Mahnverfahren sowie im gerichtlichen Erkenntnisverfahren nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG, § 43 GKG. In der Zwangsvollstreckung ist dagegen auf die Gesamtforderung nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG abzustellen.

     

    MERKE | Die bereits dargestellte Kleinforderungsregelung in § 13 Abs. 2 RVG (FMP 21, 33) wird bei der Einigungsgebühr nicht angewendet. Sie gilt nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für die Geschäftsgebühr.

     

    Wie bisher sieht der Gesetzgeber allerdings eine Reduzierung des Gegenstandswerts in § 31 RVG vor. Handelt es sich um die Einziehung einer Forderung in Form einer Inkassodienstleistung über eine unbestrittene Forderung, wird der vorbeschriebene Gegenstandswert auf die Hälfte reduziert.

     

    • Im Wortlaut: § 31 b RVG Gegenstandswert von Zahlungsvereinbarungen

    Ist Gegenstand einer Einigung nur eine Zahlungsvereinbarung (Gebühr 1000 Nummer 2 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt der Gegenstandswert 50 Prozent des Anspruchs.

     

    2. Bearbeitungsphase bestimmt nicht mehr den Gebührensatz

    Nach der noch bis zum 30.9.21 geltenden Regelung bestimmt die Bearbeitungsphase die Höhe des Gebührensatzes für die Einigungsgebühr. Nach Nr. 1000 VV RVG entsteht eine 1,5-Einigungsgebühr in der vor- und außergerichtlichen Forderungseinziehung, die sich auf eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG reduziert, wenn die Einigung während eines gerichtlichen Verfahrens erzielt wird.

     

    Künftig ist dagegen der Inhalt der gütlichen Einigung für die Höhe des deutlich abgesenkten Gebührensatzes bestimmend. Die 1,5-Einigungsgebühr kommt nur noch in Betracht, wenn die einzuziehende Forderung streitig ist und dieser Streit durch die erzielte gütliche Einigung beseitigt wird.

     

    MERKE | Der Gesetzgeber hält nicht einmal diese Regelung konsequent aufrecht: Wird im Rahmen der Einigung die Hauptforderung vollständig anerkannt oder auf diese vollständig verzichtet, fällt nicht eine 1,5-, sondern lediglich eine 0,7-Einigungsgebühr an. Das ergibt sich aus Nr. 1000 Ziff. 1 i. V. m. Abs. 1 VV RVG. Ob auch Nebenforderungen anerkannt werden oder ob auf diese verzichtet wird, ob sonstige Abreden (etwa Sicherungsabreden oder Abreden zu Zinsen oder Kosten) getroffen werden oder ob eine Zahlungsvereinbarung geschlossen wird, ist dann unerheblich. Wird also der Hauptanspruch anerkannt und treffen die Beteiligten eine Zahlungsvereinbarung, kann nur die niedrigere Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Ziff. 2 VV RVG mit einem Gebührensatz von 0,7 nach dem gemäß § 31b RVG verminderten Gegenstandswert entstehen (BT-Drucksache 24735, S. 13/14 ‒ Beschlussempfehlung).

     

    Wird dagegen ‒ wie bei einer Inkassodienstleistung regelmäßig ‒ allein um die Art und Weise des Forderungsausgleichs gerungen und vor diesem Hintergrund ein Abfindungsvergleich oder eine Raten- bzw. Teilzahlungsvereinbarung getroffen, entsteht lediglich eine 0,7-Einigungsgebühr, die sich dann auch noch aus dem deutlich reduzierten Gegenstandswert nach § 31b RVG berechnet.

     

    So stellt sich die Neuregelung im Wortlaut dar (Nr. 1000, 1003 VV RVG):

     

    Übersicht / Im Wortlaut: Nr. 1000, 1003 VV RVG

    Nr. 1000

    Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags

     

    • 1. durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird
    • 2. durch den die Erfüllung des Anspruchs geregelt wird bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf seine gerichtliche Geltendmachung oder, wenn bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt, bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen (Zahlungsvereinbarung) …
    • (1) Die Gebühr nach Nummer 1 entsteht nicht, wenn der Hauptanspruch anerkannt oder wenn auf ihn verzichtet wird
    • (2) …

     

     

     

    1,5

     

     

     

     

     

    0,7

    Nr. 1003

    Über den Gegenstand ist ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig.Die Gebühr Nr. 1000 Nr. 1 sowie die Gebühren Nr. 1001 und 1002 betragen

     

     

    1,0

     

    3. Neue Hinweispflichten zu den Kosten

    Der Schuldner muss die im Vergütungsverhältnis zwischen dem Rechtsdienstleister und seinem Mandanten entstandene Einigungsgebühr nur erstatten, wenn er sie vertraglich übernommen hat. Das ergibt sich aus dem Rechtsgedanken von § 98 ZPO für die vorgerichtliche Forderungseinziehung ebenso wie für die gerichtliche Geltendmachung oder die Zwangsvollstreckung.

     

    Ungeachtet dessen normiert der Gesetzgeber für Inkassodienstleister in § 13a Abs. 3 RDG und für Rechtsanwälte in § 43d Abs. 3 BRAO weitergehende Hinweispflichten im Hinblick auf die Kostenerstattung, die eine zeitliche und eine formelle Dimension haben. Beabsichtigt ein Rechtsdienstleister, mit einer Privatperson eine Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen, muss er sie zuvor in Textform auf die dadurch entstehenden Kosten hinweisen.

     

    Beachten Sie | Es wird vor diesem Hintergrund mit neuen Schwierigkeiten verbunden sein, mit dem Schuldner im Rahmen einer telefonischen Erörterung eine gütliche Erledigung zu finden. Zwar kann vor deren Abschluss mündlich auf seine Erstattungspflicht hingewiesen und diese vereinbart werden, die aber dann an der fehlenden notwendigen Textform leidet. Es erscheint daher sinnvoll, den Schuldner bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass eine gütliche Einigung unter der Bedingung einer Kostenübernahme durch ihn steht. Erfolgt dieser Hinweis im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss der Zahlungsvereinbarung, ist den Hinweispflichten Rechnung getragen.

     

    Musterformulierung / Hinweis an den Schuldner

    Sollten Sie mit dem Gläubiger, vertreten durch uns, eine Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung treffen, weisen wir schon jetzt darauf hin, dass Sie die dadurch entstehende

    • Einigungsgebühr in Höhe von 0,7 aus der Hauptforderung in Höhe von ... EUR
    • (bei einer bestrittenen Forderung) Einigungsgebühr von 1,5 aus der Hauptforderung in Höhe von ... EUR

    aufgrund vertraglicher Vereinbarung erstatten müssen.

     

     

    4. Vorsicht: Neue Hinweispflichten zum Inhalt

    Weitergehende Hinweispflichten normiert der Gesetzgeber im Hinblick auf den Inhalt einer Zahlungsvereinbarung. Fordert der Inkassodienstleistungen erbringende Rechtsanwalt oder Inkassodienstleister eine Privatperson zur Abgabe eines Schuldanerkenntnisses auf, muss er sie nach § 43d Abs. 4 BRAO bzw. § 13 Abs. 4 RDG mit der Aufforderung in Textform darauf hinweisen, dass sie durch das Schuldanerkenntnis in der Regel die Möglichkeit verliert, solche Einwendungen und Einreden gegen die anerkannte Forderung geltend zu machen, die zum Zeitpunkt der Abgabe des Schuldanerkenntnisses begründet waren.

     

    Beachten Sie | Der Hinweis muss dabei deutlich machen, welche Teile der Forderung vom Schuldanerkenntnis erfasst werden, und typische Beispiele von Einwendungen und Einreden benennen, die nicht mehr geltend gemacht werden können, wie das Nichtbestehen oder die Erfüllung oder die Verjährung der anerkannten Forderung.

     

    Die Neuregelung ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von den Berufsverbänden beider Rechtsdienstleister scharf angegriffen worden. Sie trägt den Charakter eines Parteiverrats in sich, wenn der Schuldner in dieser Weise beraten wird. Das hat den Gesetzgeber jedoch nicht abgehalten, daran festzuhalten.

     

    Ob die Regelung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält, wenn aus dem fehlenden Hinweis Konsequenzen gezogen werden sollen, kann zumindest infrage gestellt werden. Unangemessen ist die Regelung allemal. Da der fehlende Hinweis gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen würde, wäre das Schuldanerkenntnis wohl nach § 134 BGB als unwirksam anzusehen.

     

    Auch in der Sache ist die Regelung unzureichend. Sie differenziert nicht zischen dem abstrakten und dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis. Beim Letzteren ist nicht zu sehen, wo bisherige Einreden oder Einwendungen verloren gehen sollen. Nicht einmal beim abstrakten Schuldanerkenntnis kommt dies in Betracht, weil der Schuldner ein falsches Anerkenntnis stets nach § 812 BGB kondizieren kann.

     

    Lediglich die Beweislast dreht sich um ‒ wegen der Schwächung der Beweis-lage für den Gläubiger bei einer zeitlichen gestreckten Zahlungsvereinbarung zu Recht. Beim abstrakten Schuldanerkenntnis wird der Schuldner auch durch das Schriftformerfordernis nach §§ 780, 781 BGB hinreichend geschützt.

     

    Im Ergebnis liegt eine in der Intention wie dem Inhalt nach völlig misslungene Regelung vor.

     

    Musterformulierung / Hinweis an den Schuldner

    Unsere Zahlungsvereinbarungen für den Gläubiger enthalten ein Schuldanerkenntnis. Da Sie mehr Zeit zum Ausgleich der Forderung bekommen, erhält der Gläubiger ein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis und Beweiserleichterungen zum Nachweis der Forderung. Durch das Schuldanerkenntnis verlieren Sie in der Regel die Möglichkeit, solche Einwendungen und Einreden gegen die anerkannte Forderung geltend zu machen, die zum Zeitpunkt der Abgabe des Schuldanerkenntnisses begründet waren. Typische Beispiele von Einwendungen und Einreden, die nicht mehr geltend gemacht werden können, sind das Nichtbestehen, die Erfüllung oder die Verjährung der anerkannten Forderung.

     

    Gibt es solche Einreden oder Einwendungen, machen Sie sie bitte sofort geltend. Vom Schuldanerkenntnis werden die Hauptforderung, die Gläubigermahnspesen, die Zinsen, Drittauslagen, also z. B. Kosten von Einwohnermeldeämtern, Auskunfteien, Banken für Rücklastschriften, Gerichten, Gerichtsvollziehern, Außendiensten sowie Inkassokosten erfasst.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2021 | Seite 145 | ID 47488018