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  • · Fachbeitrag · Pandemie-Massnahmen

    „Corona-Schutzschild“: Das müssen Sie wissen

    | Im Schnelldurchgang von knapp einer Woche haben Bundesregierung, Bundestag und -rat das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ (BT-Drucksache 19/18110; 19/18158) verabschiedet. Es ist hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Vorschriften rückwirkend zum 1.3.20 und hinsichtlich der zivilrechtlichen Moratorien bei Miet- und Darlehensverträgen sowie anderen wesentlichen Dauerschuldverhältnissen am 1.4.20 in Kraft getreten. Hier das Wichtigste: |

    1. Regelungsbereiche

    Das Gesetz hat verschiedene Regelungsbereiche:

     

    • Schutz von Mietern vor Kündigungen sowie die Stundung von Darlehensverträgen und Leistungsverweigerungsrechte bei sonstigen wesentlichen Dauerschuldverhältnissen;
    • vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht mit der korrespondierenden Beschränkung des Gläubigerantragsrechts, der Begrenzung der Organhaftung bei Rechtshandlungen trotz Insolvenzreife und der Einschränkung von Anfechtungsrechten;
    • Möglichkeiten im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der jeweiligen Gesellschaften und der Durchführung von Online-Haupt- oder Gesellschafterversammlungen.

    2. Miete, Darlehen und wesentliche Dauerschuldverhältnisse

    Befristet bis zum 30.6.20, verlängerbar bis zum 30.9.20 und ein weiteres Mal verlängerbar bis längstens 30.9.22 wird nach Art. 240 § 2 EGBGB bei Mietverhältnissen über Grundstücke oder Räume das Recht des Vermieters, wegen Zahlungsverzugs zu kündigen, eingeschränkt werden. Die Zahlungspflicht des Mieters bleibt ebenso unberührt, wie die Möglichkeit des Vermieters, aus anderen Gründen ‒ als wegen Zahlungsverzugs ‒ zu kündigen.

     

    Bei Verbraucherdarlehen greift nach Art. 240 § 3 EGBGB eine gesetzliche Stundungsregelung für drei Monate, gepaart mit der Möglichkeit einer einvernehmlichen Vertragsanpassung, um die Stundung zu vermeiden, oder während der Stundung sowie nach Ablauf der Stundungsfrist. Die Parteien können also abweichende Zins- und Tilgungsleistungen oder eine Streckung der Vertragslaufzeit vereinbaren. Dies wird von einem gesetzlichen Kündigungsschutz begleitet. Auch hier bleibt die eigentliche Zahlungspflicht unberührt.

     

    Letztlich sollen wesentliche Dauerschuldverhältnisse von Verbrauchern (§ 13 BGB) und Kleinstunternehmern (bis zehn Mitarbeitern und weniger als 2 Mio. EUR Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz) geschützt werden. Hier wird nach Art. 240 § 1 EGBGB ab dem Zeitpunkt, in dem Pandemie-bedingt der angemessene Lebensunterhalt des Schuldners und/oder seiner Angehörigen bzw. die wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsgeschäftes nicht mehr gesichert sind, frühestens ab dem 1.4.20 ein Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt.

     

    MERKE | Die Wirkung geht hier über die Stundung hinaus. Das Leistungsverweigerungsrecht steht der Durchsetzbarkeit der Forderung ‒ zeitlich begrenzt ‒ entgegen, sodass in dem genannten Zeitraum kein Verzug vorliegt. Das bedeutet: Rechtsverfolgungskosten, die in diesem Zeitfenster entstanden sind, können nicht als Verzugsschaden erstattet verlangt werden.

     

    Im Hinblick auf Verbraucher nennt der Gesetzgeber Pflichtversicherungsverträge, Telekommunikationsverträge und Versorgungsverträge über Strom, Gas oder Wasser als wesentliche Dauerschuldverhältnisse. Auch hier gelten die vorgenannten Optionen der Verlängerung des zunächst bis zum 30.6.20 befristeten Leistungsverweigerungsrechtes.

     

    Abgelehnt hat der Bundestag einen Entschließungsantrag (BT-Drs. 19/18142), in dem ein vorübergehendes Verbot von Zwangsräumungen sowie von Strom-, Gas-, Fernwärme-, Telefon- und Wassersperren gefordert wurde.

    3. Insolvenz

    Für das Insolvenzrecht wird mit dem „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (CoVInsAG)“ sogar ein eigenes Gesetz geschaffen.

     

    Die Insolvenzantragspflicht und die bei Insolvenzreife sonst bestehenden Zahlungsverbote werden in einem ersten Schritt bis zum 30.9.20 ‒ verlängerbar bis zum 31.3.21 ‒ ausgesetzt, wenn die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruhen. Auch in diesem Fall unterbleibt die Aussetzung, wenn keine Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit besteht.

     

    PRAXISTIPP | Hat die Insolvenzreife schon vor der COVID-Pandemie bestanden oder wäre diese auch ohne die COVID-Pandemie eingetreten, so besteht die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO fort. Dabei besteht eine gesetzliche Vermutung für die Kausalität, wenn am 31.12.19 keine Insolvenzreife vorgelegen hat.

     

    Korrespondierend mit der Einschränkung des Insolvenzantragsrechtes wird für einen dreimonatigen Übergangszeitraum das Recht der Gläubiger suspendiert, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen, wenn nicht der Eröffnungsgrund schon vor dem 1.3.20 vorgelegen hat.

     

    Zugleich werden Anfechtungsrechte eingeschränkt und Anreize für frisches Kapital gesetzt. Wer den Unternehmen in schwieriger Zeit jetzt Liquidität zuführt, soll darunter insolvenzrechtlich nicht leiden.

    4. Gesellschaftsrecht

    Es werden Maßnahmen zur Sicherstellung der Beschlussfähigkeit im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Wohnungseigentumsrecht getroffen, insbesondere wird die Durchführung von Online-Versammlungen ermöglicht. Gleichzeitig wird der Fortbestand der Organe sichergestellt. Das soll im Falle fortbestehender Beschränkungen der Versammlungsfreiheit helfen.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 59 | ID 46463469