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  • 13.11.2008 | Aktuelle Gesetzgebung

    Neu: Das europäische Mahnverfahren

    Der europäische Rat der Justizminister hat am 21.2.06 den Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens in den EU-Mitgliedstaaten beschlossen und damit dieses Verfahren eingeführt. Das europäische Parlament und der europäische Rat haben die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.06 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (EuMVVO) inzwischen ebenfalls beschlossen, sodass sie am 1.7.07 in Kraft getreten ist (ABl. L 399/1 v. 30.12.06) und das Verfahren aufgrund der Übergangsbestimmung tatsächlich ab dem 12.12.08 zur Verfügung steht. Die notwendigen Umsetzungsregelungen hat der nationale Gesetzgeber im 11. Buch der ZPO und hier in die §§ 1087 bis 1096 ZPO aufgenommen. Hier das Wichtigste:  

     

    Checkliste: Ziele der Verordnung
    • Grenzüberschreitende Verfahren im Zusammenhang mit unbestrittenen Geldforderungen werden vereinfacht und beschleunigt. Dabei ist die Anwendung weitgehend auf vertragliche Ansprüche beschränkt. Außervertragliche Ansprüche, etwa Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, werden nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d EuMVVO weitgehend ausgeklammert.

     

    Praxishinweis: Nach Art. 2 Abs. 1, 3 der EuMVVO liegt eine grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeit vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat hat als dem des befassten Gerichts. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht. Die Zuständigkeit bleibt unberührt, wenn sich der Wohnsitz später wieder ändert. Eine solche grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeit kann natürlich auch hergestellt werden, indem die Geschäftsabwicklung über eine Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat erfolgt oder die Forderung vor Titulierung zunächst an eine solche ausländische Gesellschaft abgetreten wird.

     

    • Die Verfahrenskosten werden durch Einführung des Europäischen Mahnverfahrens verringert.

     

    • Der freie Verkehr Europäischer Zahlungsbefehle wird in den Mitgliedstaaten durch Festlegung von Mindestvorschriften ermöglicht, bei deren Einhaltung die Zwischenverfahren im Vollstreckungsmitgliedstaat, die bisher für die Anerkennung und Vollstreckung erforderlich waren, entfallen. Das durch diese Verordnung geschaffene Verfahren soll eine zusätzliche und fakultative Alternative für den Antragsteller darstellen, dem es nach wie vor freisteht, sich für die im nationalen Recht vorgesehenen Verfahren zu entscheiden. Es sollen mithin die nach nationalem Recht vorgesehenen Mechanismen zur Beitreibung unbestrittener Forderungen weder ersetzt noch harmonisiert werden.

     

    Praxishinweis: Der Vorschlag, dass Verfahren auch auf inländische Forderungen auszudehnen, hat keine Mehrheit gefunden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass hier eine Regelungskompetenz der EU fehlt, die sich nur über eine Konstruktion über das Wettbewerbsrecht hätte begründen lassen.
     

    Alternative: Klage im Sitzland des Schuldners

    Es bleibt dem Antragsteller unbenommen, statt eines europäischen Zahlungsbefehls auch unmittelbar im Sitzland des Antragsgegners nach dem dortigen Recht Klage zu erheben. Dies wird vor allem bei streitigen Forderungen auch notwendig sein.  

     

    Checkliste: So läuft das Verfahren ab

    Das Verfahren gestaltet sich in folgenden Schritten:  

    Zuständig für den Erlass eines europäischen Zahlungsbefehls ist ein Gericht, dessen Zuständigkeit nach der VO (EG) 44/2001 begründet werden kann. Der europäische Zahlungsbefehl kann deshalb trotz des Wohnsitzes des Schuldners im EU-Ausland in Deutschland z.B. beantragt werden, wenn der Erfüllungsort in Deutschland liegt, es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigstelle (Niederlassung) handelt, die in Deutschland ihren Sitz hat oder mehrere Schuldner als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, von denen auch nur einer seinen Wohnsitz oder Sitz in Deutschland hat.  

     

    Im Einzelfall muss der Gerichtsstand nach der Verordnung geprüft werden. Ist der internationale Gerichtstand in Deutschland begründet, ordnet § 1087 ZPO n.F. an, dass sachlich und örtlich das AG Berlin-Wedding (Zentrales Mahngericht) ist. Dort ist – wie im nationalen Mahnverfahren – nach § 20 Nr. 7 RPflG n.F. der Rechtspfleger für die Durchführung des Verfahrens funktionell zuständig.  

     

    Soweit es sich um einen Verbrauchervertrag handelt und der Vertrag nicht zu dessen beruflicher oder gewerblicher Tätigkeit gehört, ist allerdings in jedem Fall ein Gericht in dem Mitgliedsstaat zuständig, in dem der Verbraucher wohnt.  

     

    Praxishinweis: Da das Verfahren mit vorgegebenen Formblättern betrieben wird, fällt dies aber nicht weiter ins Gewicht. Die Mitgliedsstaaten müssen die jeweils zuständigen Mahngerichte bis zum 12.6.08 gegenüber der EU-Kommission benennen. In Deutschland wurde die Zuständigkeit nach § 1087 ZPO dem zentralen Mahngericht Berlin Wedding übertragen. Für die anderen EU-Mitgliedsstaaten finden Sie die zuständigen Gerichte unter der Internetadresse auf S. 206 unten.  

     

    Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Mahnbescheids ist dann nach einem Formblatt A, das als Anlage 1 der EuMVVO beigefügt ist (ABl. L 399/1 v. 30.12.06), einzureichen. Der Inhalt des Mahnantrags entspricht weitgehend dem deutschen. Neu ist insoweit aber, dass die Gründe für den grenzüberschreitenden Charakter der Rechtssache sowie die Beweise für die Begründung der Forderung anzugeben sind, d.h. ob die Forderung durch Urkunden, Zeugen, Sachverständige oder Augenschein bewiesen werden kann und die Zuständigkeit zu begründen ist.  

     

    Der Antrag kann auch elektronisch, d.h. automatisiert eingereicht werden, soweit das Land, in dem das Gericht seinen Sitz hat, dies zulässt. In diesem Fall muss der Antrag allerdings mit einer elektronischen Signatur versehen sein. § 1088 ZPO n.F. sieht insoweit vor, dass der Antrag nur elektronisch eingereicht werden kann, wenn das Land Berlin dies bestimmt.  

     

    Ist der Antrag unvollständig, widersprüchlich oder sonst fehlerhaft, kommt es zu einem Monierungsverfahren, wobei der Antragsteller die Monierung binnen einer von dem Gericht zu bestimmenden Frist zu beheben hat. Die Frist kann verlängert werden.  

     

    Das Gericht prüft den Antrag auf die Formalien und ob die Forderung „begründet erscheint“, wobei Letzteres auch automatisiert geschehen kann. Wie im deutschen Recht findet also keine Schlüssigkeitsprüfung statt.  

     

    Erachtet das Gericht den Mahnbescheid nur teilweise für begründet, schlägt es dem Antragsteller vor, in welcher Weise der europäische Zahlungsbefehl ergehen kann. Stimmt der Antragsteller dem zu, ergeht der Zahlungsbefehl in dieser Form.  

     

    Praxishinweis: Soweit das Gericht den Mahnantrag für unbegründet gehalten hat, kann die Forderung dann aber nach den Regeln des nationalen Rechts weiterverfolgt werden. Gleiches gilt, wenn der Antragsteller die teilweisen Einschränkungen des Gerichts nicht akzeptieren will.  

     

    Das Gericht weist den Antrag zurück, wenn die Formalien nicht erfüllt sind und die monierten Fehler nicht fristgerecht beseitigt wurden, die geltend gemachte Forderung offensichtlich unbegründet ist, der Antragsteller den gerichtlichen Vorschlag auf Erlass eines teilweisen Europäischen Mahnbescheids ablehnt.  

     

    Praxishinweis: Ein Rechtsmittel gegen diese Zurückweisung ist allerdings nicht gegeben. Allerdings ist der Antragsteller auch nicht gehindert, die Forderung mittels eines neuen Antrages auf Erlass eines Europäischen Mahnbescheides oder durch Klage weiterzuverfolgen.  

     

    Ist der Antrag bei der Prüfung beanstandungsfrei geblieben, ergeht – nach der Verordnung regelmäßig binnen 30 Tagen – ein Europäischer Zahlungsbefehl.  

     

    Der Europäische Zahlungsbefehl wird dem Antragsgegner von Amts wegen mit dem Hinweis zugestellt, dass er entweder an den Antragsteller zahlen kann oder er gegen den Zahlungsbefehl binnen 30 Tagen Einspruch einlegen kann, Art. 16 EuMVVO. § 1089 Abs. 1 ZPO ordnet für einen in Deutschland zuzustellenden Europäischen Zahlungsbefehl die Anwendung der §§ 166ff. ZPO mit Ausnahme der §§ 185 bis 188 ZPO an. Ist der Europäische Zahlungsbefehl in einem anderen Mitgliedstaat der EU zuzustellen, gelten nach § 1089 Abs. 2 ZPO die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 sowie für die Durchführung §§ 1068 Abs. 1, 1069 Abs. 1 entsprechend.  

     

    Der Antragsgegner kann dem Zahlungsbefehl ohne Begründung widersprechen. Der Anspruch ist dann im Klageverfahren weiterzuverfolgen, es sei denn, dies wurde bei der Antragstellung ausdrücklich ausgeschlossen, Art. 17 EuMVVO.  

     

    Wird kein Einspruch eingelegt, erklärt das Mahngericht den Europäischen Zahlungsbefehl unverzüglich für vollstreckbar (Formblatt!). Es handelt sich damit um einen Vollstreckungstitel.  

     

    Der Europäische Zahlungsbefehl wird mit der Bestätigung der Vollstreckbarkeit dem Antragsteller zugesandt, der dann die Vollstreckung in allen Mitgliedsstaaten der EU nach den dort jeweils geltenden Regeln betreiben kann, ohne dass es einer gesonderten Vollstreckungsklausel bedarf (Art. 19 EuMVVO). Dies ist für Deutschland in § 1093 ZPO n.F. ausdrücklich festgehalten.  

     

    Praxishinweis: Entsprechend § 750 ZPO wäre eine Abschrift des Europäischen Zahlungsbefehls also sodann im Parteibetrieb zuzustellen. Auf dieser Grundlage kann dann die Mobiliar- oder Immobiliarzwangsvollstreckung beginnen.  

     

    Nach Art. 20 EuMVO kann der Antragsgegner bei einer unverschuldeten Versäumung der Einspruchsfrist „unverzüglich“ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Ferner darf er geltend machen, dass der Europäische Zahlungsbefehl „offensichtlich zu Unrecht“ erlassen wurde. Entsprechend dem deutschen Recht kann das Gericht in diesem Verfahren einstweiligen Rechtsschutz gewähren.