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  • 14.07.2011 | Grundlagenwissen kompakt

    Fernabsatzverträge: Wer ist der richtige Schuldner, wenn über die Identität getäuscht wird?

    Verträge im Massen- und Fernabsatzgeschäft haben ein klares praktisches Problem: Der Schuldner als Vertragspartner wird nicht immer unmittelbar sichtbar. Die wahre Identität des Handelnden kann deshalb nur bedingt überprüft werden. Der Beitrag zeigt, wie die Frage nach vertraglicher, deliktischer oder Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung zu beantworten ist, wenn es sich beim Schuldner um einen Minderjährigen handelt. In den nächsten Ausgaben von „Forderungsmanagement kompakt“ stellen wir die Problematik beim Strohmann und beim Ehegatten dar.  

     

    Wenn ein Minderjähriger den Vertrag schließt

    Der Gläubiger wird sich die Frage stellen, gegen wen er in einem solchen Fall vorgeht und woraus sich ein Zahlungsanspruch ergeben kann.  

     

    Beispielsfall: Stromlieferungsvertrag mit Minderjährigen

    Die Eheleute M. und F. haben zum 1.1.10 von Vermieter V. eine Wohnung gemietet. Der 16-jährige Sohn S. lebt im elterlichen Haushalt und hat unmittelbar nach dem Einzug in die Wohnung den Energieversorger E. per E-Mail kontaktiert, um einen Stromlieferungsvertrag abzuschließen. Dabei gibt S. sein Geburtsdatum fälschlich mit „1991“ an, obwohl er erst 1993 geboren wurde. E. unterzeichnet den Vertrag und gibt die Stromlieferungen für die Wohnung frei. 12 Monate später ziehen M., F. und S. unter Hinterlassung erheblicher Zahlungsrückstände aus der Wohnung aus. Auf eine Mahnung des E. an S. wenden M. und F. ein, S. sei minderjährig, daher sei eine Inanspruchnahme ausgeschlossen. Ihnen selbst sei das Handeln des S. unbekannt. Sie seien daher nicht zur Zahlung verpflichtet.  

     

    Vertragliche Ansprüche gegen den Minderjährigen

    Naheliegend sind Ansprüche gegen S. aus Vertrag. Sie müssen aber scheitern. Der Stromlieferungsvertrag wird nach ganz überwiegender Auffassung als Kaufvertrag (§§ 433 BGB) qualifiziert (Palandt, BGB, 70. Aufl., § 433 Rn. 4). Dann müsste S. einen wirksamen Kaufvertrag mit E. über die Stromlieferungen geschlossen haben. S. ist gemäß §§ 2, 106 BGB beschränkt geschäftsfähig (minderjährig). Nach § 107 BGB bedurfte S. zur Abgabe einer Willenserklärung der Einwilligung seiner Eltern als gesetzliche Vertreter (§§ 183, 1629 BGB), soweit er durch den Vertragsschluss nicht einen lediglich rechtlichen Vorteil erlangt. Letzteres ist nicht der Fall, da S. sich durch Abschluss des Stromlieferungsvertrags zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises verpflichtet. Auch eine ausdrückliche Einwilligung oder Genehmigung der Eltern (§ 108) liegt nach der Einlassung der Eltern nicht vor.