· Fachbeitrag · Factoring
Gewährleistung und Verjährung bei einer verkauften, aber nicht existenten Forderung
| Der Forderungseinzug gliedert sich in verschiedene Phasen ‒ von der Vertragsanbahnung über den Vertragsschluss bis zur Vertragsüberwachung. Vor allem die Bonität des potenziellen Kunden steht im Fokus. Wird die Leistung abgerechnet, kann der Gläubiger den debitorischen Prozess von der Rechnungserstellung über das debitorische Mahnwesen selbst gestalten oder sich eines Dritten bedienen. Im Bereich des Gesundheitswesens ist dabei die Nutzung von Abrechnungsstellen die Regel. Es sichert dem Gläubiger zu einem fixen Zeitpunkt die tatsächliche Verfügbarkeit von Finanzmitteln. Dieser Vorteil wird zunehmend auch von anderen Branchen erkannt, die sich vermehrt des Factorings bedienen. Vor diesem Hintergrund gewinnt eine aktuelle höchstrichterliche Entscheidung Bedeutung. Sie klärt, wie zu verfahren ist, wenn die zur Vorfinanzierung übergebene Forderung ‒ vermeintlich ‒ nicht besteht. |
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt ein medizinisches Abrechnungszentrum. Sie kauft Forderungen von Ärzten aus medizinischen Behandlungen und macht diese gegenüber den Patienten aus abgetretenem Recht geltend. Der Beklagte ist ein niedergelassener Zahnarzt.
Am 3.8.10 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über den Ankauf von Forderungen aus zahnärztlicher Behandlung, die nicht über die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen abgerechnet werden müssen (im Folgenden: Abrechnungsvereinbarung). Die Vereinbarung sieht vor, dass der Beklagte der Klägerin durch Übermittlung der den jeweiligen Behandlungsfall betreffenden Rechnungsunterlagen oder -daten seine sich hieraus ergebenden Forderungen gegen die Patienten zum Kauf anbietet und diese zugleich für den Fall der Annahme des Kaufangebots abtritt. Zudem ist bestimmt, dass die Klägerin das Kaufangebot und die Abtretung konkludent durch die Auszahlung des Kaufpreises an den Beklagten annimmt. Nach der Vereinbarung beträgt der Kaufpreis 100 Prozent des Rechnungsbetrags abzüglich einer der Klägerin zustehenden Vergütung (Kaufpreisabschlag). Die Auszahlung an den Beklagten erfolgt unabhängig davon, ob der Patient zahlt. Die Klägerin übernimmt unter im Einzelnen geregelten Voraussetzungen für die angekauften Forderungen bei nachgewiesener Zahlungsunfähigkeit des Patienten das Ausfallrisiko.
In dem Abrechnungsvertrag ist geregelt, dass der Zahnarzt im Hinblick auf das übernommene Ausfallrisiko zusichert, dass weder er noch Dritte die Forderung bisher abgerechnet haben, er über die jeweils zum Kauf angebotene Forderung uneingeschränkt verfügungsberechtigt ist und der jeweilige Patient bzw. dessen gesetzlicher Vertreter dem Zahnarzt das schriftliche Einverständnis zur Weitergabe sowie zur Abtretung erteilt haben und die Rechnung entsprechend den jeweiligen Gebührenordnungen aufgestellt ist. Zugleich ist geregelt, dass die Klägerin zum Rücktritt vom Forderungskauf berechtigt, wenn die Forderung von Anfang an rechtlich ganz oder teilweise nicht bestanden hat, nicht entsprechend der jeweils gültigen Gebührenordnung aufgestellt wurde oder nachträglich in ihrem Bestand verändert wurde. Folge des Rücktritts ist die Rückbelastung des Kaufpreises, wobei der Kaufpreisabschlag bei der Klägerin verbleibt. Für die Einziehung bis dahin entstandener Kosten muss der Zahnarzt sorgen.
Auf der Grundlage der Abrechnungsvereinbarung verkaufte der Beklagte der Klägerin im Jahr 2011 die streitgegenständlichen Forderungen aus zahnärztlichen Behandlungen. Die Klägerin machte die Rechnungsforderungen gegenüber den einzelnen Patienten zunächst außergerichtlich, später auch gerichtlich geltend. Einige Patienten leisteten Teilzahlungen an die Klägerin. Im Übrigen lehnten sie ‒ wie auch die anderen Patienten ‒ Zahlungen ausdrücklich ab. Daraufhin nahm die Klägerin sämtliche Patienten wegen der jeweils (noch) offenen Rechnungsbeträge gerichtlich auf Zahlung in Anspruch und verkündete dem Beklagten in den jeweiligen Vergütungsprozessen den Streit. Eine vollständige Titulierung der verkauften Honorarforderungen gegenüber den Patienten gelang der Klägerin in keinem der Verfahren.
Mit Schreiben vom 21.9.18 erklärte sie unter Verweis auf die erfolglosen Vergütungsprozesse hinsichtlich aller 17 Forderungskäufe den Rücktritt vom jeweiligen Kaufvertrag. Mit der am 13.12.18 eingereichten und am 23.1.19 zugestellten Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Kaufpreis zurückzuzahlen sowie bei ihr angefallene Rechtsanwalts- und Gerichtskosten aus den gegen die Patienten geführten Vergütungsprozessen zu erstatten, zuletzt in Höhe eines Zahlungsbetrags von insgesamt 152.981,57 EUR nebst Zinsen. Der Beklagte hat sich auf Verjährung berufen. Das LG hat den Zahnarzt weitgehend antragsgemäß verurteilt, während das OLG den Zahlbetrag auf rd. 148.500 EUR reduziert hat. Der Zahnarzt begehrt vor dem BGH weiterhin die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Der BGH hat die Sach- und Rechtslage abweichend von der Einschätzung des OLG gesehen und das Recht der Unmöglichkeit sowie das allgemeine Verjährungsrecht als einschlägig angesehen. Auf dieser Grundlage war die Sache dann noch nicht entscheidungsreif und wurde zurückverwiesen.
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Bei den Verträgen der Parteien über den Erwerb von zahnärztlichen Honorarforderungen handelt es sich aufgrund ihrer Ausgestaltung als echtes Factoring (BGH NJW 14, 2358) um Rechtskäufe, sodass gemäß § 453 Abs. 1 BGB die gesetzlichen Bestimmungen über den Kauf von Sachen in der vorliegend bis zum 31.12.21 geltenden Fassung (Art. 229 § 58 EGBGB; nachfolgend a. F.) entsprechende Anwendung finden.
Einheitliches Leistungsstörungsrecht
Der BGH folgt dann aber nicht der Auffassung der Vorinstanz, die Klägerin könne von dem Beklagten wegen des Verkaufs nicht oder nicht in der angegebenen Höhe bestehender Honorarforderungen die Rückzahlung des jeweiligen Kaufpreises nach dem kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht (§ 453 Abs. 1 BGB a. F., § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 346 Abs. 1 BGB), den Ersatz der ihr in den Vergütungsprozessen gegen die Patienten entstandenen Kosten hingegen auf der Grundlage des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (§ 311a Abs. 2 BGB) verlangen. Eine solche Sichtweise verkennt nach dem BGH schon im Ausgangspunkt, dass sich die Rechtsfolgen ein und derselben Leistungsstörung einheitlich nach der im konkreten Fall gegebenen Art der Leistungsstörung ‒ Nichtbestehen oder Mangelhaftigkeit der verkauften Forderung ‒ und nach den für diese jeweils geltenden Regelungen richten.
Infolgedessen misslang dem OLG zugleich der Blick für die im Streitfall maßgeblichen verjährungsrechtlichen Bestimmungen (§§ 195, 199 BGB einerseits, § 438 BGB andererseits).
Maßgeblich: Art der Leistungsstörung
Welche gesetzlichen Regelungen für die Verjährung der Ansprüche des Käufers einer Forderung gegen den Verkäufer im Falle einer Leistungsstörung maßgeblich sind, bestimmt sich nach der Art der im konkreten Einzelfall in Rede stehenden Leistungsstörung sowie danach, ob der Gesetzgeber die Folgen dieser Leistungsstörung in den für alle Schuldverhältnisse geltenden Bestimmungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts oder abweichend hiervon in den besonderen Vorschriften des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts geregelt hat.
Forderung existiert nicht
Existiert die als bestehend verkaufte Forderung nicht oder nicht mehr, kann der Verkäufer sie dem Käufer nicht durch Abtretung gemäß § 398 BGB übertragen. Vermag er die Forderung nicht noch zu schaffen oder sich ‒ falls sie bei einem Dritten entsteht ‒ zu verschaffen, liegt nicht etwa ein vom kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht geregelter Mangel der verkauften Forderung vor. Vielmehr kann der Verkäufer seine Pflicht zur Verschaffung der verkauften Forderung nach § 453 Abs. 1 BGB a. F., § 433 Abs. 1 S. 1 BGB nicht erfüllen (BGHZ 174, 61).
Beachten Sie | Damit ist ein vom allgemeinen Leistungsstörungsrecht geregelter Fall der Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB gegeben. Der Verkäufer wird von seiner Leistungspflicht frei.
Für die Verjährung der Ansprüche eines Forderungskäufers auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB i. V. m. § 326 Abs. 4, Abs. 1 S. 1 HS 1 BGB; § 326 Abs. 5, § 323 BGB) sowie auf Schaden- oder Aufwendungsersatz (§ 311a Abs. 2 BGB; §§ 280, 281, 283, 284 BGB) gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), deren Beginn gemäß § 199 Abs. 1 BGB vom Eintritt der dort bestimmten objektiven und subjektiven Voraussetzungen abhängt.
Forderung ist mit Mängeln behaftet
Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die verkaufte Forderung zwar besteht, aber mit Mängeln behaftet ist. Da dem Verkäufer eine Übertragung der ‒ so beschaffenen ‒ Forderung auf den Käufer durch Abtretung gemäß § 398 BGB möglich ist, liegt kein Fall der Nichterfüllung der kaufrechtlichen Verschaffungspflicht nach § 453 Abs. 1 BGB a. F., § 433 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Vielmehr ist ein Fall der Schlechtleistung, nämlich eine Verletzung der aus § 453 Abs. 1 BGB a. F., § 433 Abs. 1 S. 2 BGB folgenden Pflicht des Verkäufers, dem Käufer das Recht „frei von Rechtsmängeln“ zu verschaffen, gegeben.
MERKE | Ein Beispiel wäre das Bestehen der Honorarforderung des Zahnarztes, der aber Schadenersatzansprüche aus Arzthaftung entgegengehalten werden. |
In einem solchen Fall bestimmt sich die Verjährung der Ansprüche eines Forderungskäufers auf Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 Abs. 1 BGB i. V. m. § 453 Abs. 1 BGB a. F., § 437 Nr. 2, §§ 440, 323, 326 Abs. 5 BGB) sowie auf Schaden- oder Aufwendungsersatz (§ 453 Abs. 1 BGB a. F., § 437 Nr. 3, §§ 280, 281, 284 BGB) nach der besonderen Verjährungsvorschrift des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts (§ 453 Abs. 1 BGB a. F., § 438 BGB).
Beachten Sie | Maßgeblich ist die in § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB geregelte Verjährungsfrist von zwei Jahren, die einheitlich für alle mangelbedingten Ansprüche des Forderungskäufers entsprechend § 453 Abs. 1 BGB a. F., § 438 Abs. 2 BGB zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem die verkaufte Forderung auf den Käufer übergehen soll, mithin mit deren Abtretung.
Entstanden oder nicht entstanden? Das ist hier die Frage!
Es ist also zu prüfen, ob die Honorarforderungen jeweils schon nicht bestanden haben oder ob sie zwar bestanden, aber mangelbehaftet waren. Im konkreten Fall sprach viel dafür, dass die Forderungen schon gar nicht entstanden waren.
Streitfrage: Verjährung bei nicht bestehenden Forderungen
Allerdings ist umstritten, nach welchen Bestimmungen sich beim Verkauf einer nicht bestehenden Forderung die Verjährung von Ansprüchen des Forderungskäufers gegen den Forderungsverkäufer richtet.
- Nach einer Ansicht gelten die allgemeinen Verjährungsregeln der §§ 195, 199 BGB (BeckOGK-BGB/Arnold, Stand: 1.8.23, § 438 Rn. 76; Staudinger/Bach, BGB, Neubearb. 2023, § 438 Rn. 39; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 83. Aufl., § 453 Rn. 31).
- Die Gegenansicht befürwortet eine analoge Anwendung des § 438 Abs. 1 BGB, wobei teilweise die zweijährige Verjährungsfrist der Nr. 3 (vgl. Wälzholz, DStR 02, 500), überwiegend aber die 30-jährige Verjährungsfrist der Nr. 1 Buchst. a, herangezogen wird (BeckOK-BGB/Faust, Stand: 1.11.23, § 438 Rn. 18 und § 453 Rn. 12; BeckOGK-BGB/Wilhelmi, Stand: 1.4.23, § 453 Rn. 105; MüKo/Westermann, BGB, 8. Aufl., § 438 Rn. 7).
Der BGH schließt sich nun der ersten Auffassung an. Der Verkauf einer nicht bestehenden Forderung wird als Fall der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit und damit der Nichterfüllung von der besonderen gewährleistungsrechtlichen Verjährungsregelung in § 453 Abs. 1 BGB a. F., § 438 BGB weder unmittelbar noch analog erfasst. Maßgeblich sind vielmehr die allgemeinen verjährungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 195, 199 BGB.
Checkliste / Anwendung des allgemeinen Verjährungsrechts |
Der BGH zieht für seine Auffassung verschiedene Gründe heran:
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§ 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BGB liegt, wie gezeigt, der vom Gesetzgeber angestrebte Gleichlauf der gewährleistungsrechtlichen Verjährungsfrist für Ansprüche des Käufers einer Sache mit der für den Herausgabeanspruch des Dritten aus dem dinglichen Recht geltenden Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB) zugrunde. Hiermit stimmt die Interessenlage im Fall des Verkaufs einer nicht bestehenden Forderung nicht überein. Weder hat der Käufer aufgrund einer gleichwohl vorgenommenen Abtretung irgendeine Rechtsposition erlangt, vor deren drohender Entziehung er ‒ wie von § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BGB vorausgesetzt ‒ (langfristig) geschützt werden müsste, noch gibt es einen Dritten, der an dem Kaufgegenstand berechtigt sein könnte (BT-Drucksache 14/7052, S. 172 bis 174).
Relevanz für die Praxis
Die Verjährung der geltend gemachten Zahlungsansprüche gegen den Beklagten ist wohl bis zum Abschluss der erfolglosen Vergütungsprozesse gegen die Patienten durchgehend gehemmt. Der BGH leitet dies aus den vertraglichen Regelungen zwischen den Parteien ab. Er legt sie nach Maßgabe des AGB-Rechts dahin aus, dass die „Rückrechnung“ einer nicht bestehenden Forderung bis zum Abschluss der streitigen Rechtsverfolgung zurückgestellt wird:
- Der mit dem Eingehen der laufenden Geschäftsverbindung von den Parteien verfolgte Zweck, den Beklagten hinsichtlich des Zahlungsmanagements einschließlich des Mahnwesens und der Durchsetzung in einem streitigen Verfahren gegen die Patienten zu entlasten, legt das Verständnis nahe, dass etwaige im Fall einer Erfolglosigkeit dieses Vorgehens in Betracht kommende (Rückgriffs-)Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens gegen den Patienten einem internen Ausgleich zugeführt werden sollen.
- Anderenfalls wäre die Klägerin zur Wahrung ihrer eigenen Ansprüche gegenüber dem Beklagten in jedem Fall bereits bei ersten Anhaltspunkten für Hindernisse bei der Forderungsdurchsetzung gegen den jeweiligen Patienten gezwungen, zugleich auch ‒ ggf. gerichtlich ‒ gegen den Beklagten vorzugehen.
Der BGH konnte dies aber nicht abschließend entscheiden, da den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zur Vertragsauslegung zu geben war.
PRAXISTIPP | Besser wäre es, diesen Hemmungstatbestand ausdrücklich in einen Abrechnungsvertrag aufzunehmen. Dann bedarf es keiner Auslegung. |