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  • · Fachbeitrag · Forderungsbeitreibung

    Richtiger Umgang mit jungen Schuldnern

    von Irena Aust, Leiterin Forderungsmanagement Universum Inkasso GmbH

    | Laut Schuldneratlas sind mittlerweile rund 27 Prozent aller Schuldner jünger als 30 Jahre. Der folgende Beitrag erläutert, was das für die Beitreibung offener Forderungen bedeutet. |

    1. Ausgangslage

    Angesichts o.g. Zahlen scheint es so zu sein, dass es Eltern, Schule und Gesellschaft nicht gelingt, jungen Menschen nahe zu bringen, wie sie mit ihrem Geld vernünftig haushalten. Denn bei den 18- bis 25-jährigen Schuldnern hat sich jeder Fünfte durch „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ ins Finanzdebakel hineingeritten. Hinzu kommen viele Lockangebote - wie „heute kaufen, morgen zahlen“ -, die nahe legen, dass unbegrenzter Konsum ohne Weiteres möglich ist. Dass tatsächlich Rechnen und Planen wichtig sind, dringt immer weniger zu jungen Menschen durch.

     

    Die Folgen sind fatal: Typisch sind z.B. viele parallellaufende Ratenkäufe mit der Gefahr, auch geringste Raten nicht mehr zahlen zu können. Und so tappt der - bislang noch zahlungsfähige - Kunde häufig in die Schulden-Falle.

    2. Auf jeden Fall: Titulieren!

    Junge Schuldner stehen noch am Anfang ihres beruflichen Werdegangs. Perspektivisch machen sie vielleicht sogar Karriere und verdienen schon bald ein stattliches Gehalt. Dann können sie die Schulden begleichen, die sie in jungen Jahren verursacht haben.

     

    Bis der Titel frühestens verjähren kann, ist der Schuldner immerhin fast 60 Jahre alt (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Das bietet also gute Beitreibungsperspektiven.

    3. Und dann: Geduld haben!

    Dieser Erkenntnis folgend muss der Gläubiger aber auch seinen weiteren Workflow so gestalten, dass er dem Jugendlichen Zeit gibt, seinen Berufsweg zu entwickeln und seine Einkommens- und Vermögenssituation zu verbessern.

     

    Achtung | Anderes kann gelten, wenn davon auszugehen ist, dass etwa der Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft und die daraus folgende Eintragung des Schuldners im Schuldnerverzeichnis dazu führt, dass das „Umfeld“ des Schuldners, insbesondere die Familie oder der Partner, bei der Begleichung der Forderung helfen, wenn diese nicht zu hoch ist. Meist bedarf es dafür aber keiner tatsächlichen Beauftragung des Gerichtsvollziehers, sondern die Ankündigung reicht, um eine Reaktion des Schuldners auszulösen.

     

    Vollstreckungen in der Phase der Berufsausbildung belasten ansonsten zunächst nur den Gläubiger, der die Drittauslagen vorlegen muss. Hier genügen regelmäßige Erinnerungsschreiben, dass der Zahlungsanspruch weiter verfolgt wird, um sich später nicht dem Einwand der Verwirkung auszusetzen.

     

    PRAXISHINWEIS | Lediglich die Verjährung des Zinsanspruchs muss im Auge behalten werden. Nach § 197 Abs. 2 BGB verjähren Zinsen, die erst nach Rechtskraft des Vollstreckungstitels anfallen, nämlich schon in drei Jahren, auch wenn sie tituliert sind. Es handelt sich um regelmäßig wiederkehrende künftige Ansprüche. Dem kann auf zwei Wegen begegnet werden:

     

    • Kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist muss dann doch eine Vollstreckungsmaßnahme beauftragt werden, die nach § 212 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die Verjährung unterbricht.

     

    • Es kann versucht werden, mit dem jungen Schuldner zunächst ein Moratorium für sechs Monate oder ein Jahr zu vereinbaren, dass dann auch eine verjährungsverlängernde Vereinbarung enthält, die § 202 Abs. 2 BGB genügen muss.
     

    4. Und bei den ganz jungen Menschen?

    Ist der Schuldner hingegen noch jünger - also minderjährig -, müssen die Erziehungsberechtigten für dessen Schulden aufkommen, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben (§ 832 BGB). Doch wann ist das der Fall?

     

    Angesichts zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen zu diesem Thema, fehlt hier der Platz für eine umfassende Darstellung. Besonders brisant sind aber zurzeit die Aufsichtspflichtfälle rund ums Internet und hier vor allem zum Thema „Filesharing“.

     

    Hier hat der BGH in einem Fall bezüglich der Reichweite der elterlichen Haftung für illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder entschieden, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch genügen, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (NJW 13, 1441).

     

    PRAXISHINWEIS | Das bedeutet aber auch im Umkehrschluss: Ohne eine solche Belehrung, für die die Eltern die Darlegungs- und Beweislast trifft, ist eine Haftung der Eltern wegen einer Aufsichtspflichtverletzung anzunehmen. Auch müssen die Eltern nachweisen, dass das Kind üblicherweise ihren Geboten und Verboten folgt. Beides wird nicht ohne Schwierigkeiten darzulegen und zu beweisen sein, was eine Zahlung auf die Forderung auslösen kann.

     

    Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (NJW 09, 1954) bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Danach ist entscheidend, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern.

     

    Aber was tun, wenn sich die eigenen Kinder deutlich besser mit der modernen Technik auskennen, als die Aufsichtsführenden selbst? Der BGH sagt dazu, dass sich die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens richtet (15.11.12, I ZR 74/12, Abruf-Nr. 131391). Problem: Viele Eltern wissen nicht, was ihre Kinder im Internet anstellen können. Datendiebstahl und -missbrauch seitens ihrer Sprösslinge sind so kaum zu verhindern. Ob hier eine Verletzung der Aufsichtspflicht vorliegt, ist dann nur sehr schwer nachzuweisen.

     

    Folge: Kosten- und Zeitaufwand entstehen bei der Forderungsbeitreibung schon für die Klarstellung, ob die Erziehungsberechtigten für die verursachte Verbindlichkeit aufkommen müssen oder nicht. Anschließend kommt dann noch die eigentliche Beitreibung der Forderung, die weitere Kosten verursacht.

     

    PRAXISHINWEIS | Hier gilt es daher genau abzuwägen, ob sich die Kosten lohnen. Noch ärgerlicher sind solche Fälle, in denen von Seiten des Schuldners bzw. seiner Eltern keinerlei Reaktion - weder auf die Mahnschreiben noch auf Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid - erfolgt. Leider sind solche Fälle in der Praxis gar nicht so selten. Stellt erst der mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher vor Ort fest, dass der Schuldner noch minderjährig ist, haben Gläubiger oft schon hohe Beträge investiert. Dann kann - je nach Forderungshöhe - schlagartig nicht mehr die Forderungsbeitreibung, sondern die Verlustminimierung im Fokus stehen.

     

    Ausnahme: Zu beachten sind allerdings die Fälle, in denen Erziehungsberechtigte unter dem Namen ihrer minderjährigen Kinder - insbesondere im Internet - handeln. Das erfüllt zumindest den Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB und begründet einen Schadenersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 2, 826 BGB. Das Problem: Hier trifft den Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast, was sich in der Praxis oft als schwierig herausstellt. Aber nicht jeder Schuldner ist wirklich geschickt in seiner Rechtsverteidigung und so mancher verwickelt sich schnell in Widersprüche, sodass entweder die Haftung wegen einer Aufsichtspflichtverletzung oder die Eigenhaftung in Betracht kommt.

    5. Fazit

    Junge Schuldner verschaffen viel Spielraum für die Forderungsbeitreibung. Hier lohnt es sich zu investieren. Minderjährige Schuldner hingegen verursachen oft nur unnötige Kosten und verlangen eine hinreichende Risikoabwägung.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 108 | ID 42683173