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  • · Nachricht · Forderungsrecht

    Beginn der Verjährung für Rückzahlungsansprüche der Stromkunden

    | Der BGH hat mit Urteil vom 26.9.12 (VIII ZR 279/11, Abruf-Nr. 123281 ) Wesentliches zum Beginn der Verjährung für Rückzahlungsansprüche aufgrund unwirksamer Preisänderungsklauseln in einem Stromlieferungsvertrag mit Sonderkunden entschieden. |

     

    Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem Jahr 2000 Strom, zunächst aufgrund eines am 27.6.00 mit der Beklagten geschlossenen, vorformulierten Stromliefervertrags. Im Vertragsformular ist angekreuzt, dass die Abrechnung nach der „Individualvereinbarung Spartarife“ erfolgen soll. Weiter wird den Parteien unter Hinweis auf § 32 AVBEltV nach Ablauf des ersten Jahres eine Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende eingeräumt. Ergänzend verweist der Vertrag auf die AVBEltV, deren Text dem Kläger weder bei Vertragsschluss noch später übergeben wurde. Die Beklagte änderte wiederholt ihre Preise. Der Kläger leistete in den Jahren 2005 bis 2007 ohne Beanstandungen die monatlichen Abschläge und glich die entsprechenden Jahresabrechnungen aus.

     

    Am 16.4.07 schlossen die Parteien einen neuen Vertrag. Die Abrechnung sollte nun nach dem Tarif „Strompreise nach Maß“ erfolgen. Der Vertrag sah eine Preisgarantie bis Ende Dezember 2008 vor und räumte den Vertragspartnern ‒ nach einer Vertragslaufzeit von einem Jahr ‒ eine Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende ein. Vertragsbestandteil dieses Vertrags wurden die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen Strom der E. AG“, die in Ziffer 6.4 ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Beklagten enthalten.Zudem finden sich dort folgende Bestimmungen:

     

    „8.1. Die E. AG ist berechtigt, sofort die Lieferung einzustellen und die Anschlussnutzung unterbrechen zu lassen, wenn der Kunde in nicht unerheblichem Maße schuldhaft Strom unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Messeinrichtungen verwendet („Stromdiebstahl“).

     

    8.2. Gleiches gilt bei Zahlungsverzug des Kunden ab einem säumigen Betrag von mindestens 100 EUR (inklusive Mahn- und Inkassokosten unter Berücksichtigung etwaiger Anzahlungen und Vorauszahlungen nach Ziffer 5.1 oder Sicherheitsleistungen nach Ziffer 5.3), wenn dem Kunden spätestens vier Wochen zuvor die Unterbrechung angedroht und drei Werktage vorher die Unterbrechung erneut angekündigt wurde.

     

    ...

    8.4. Der Vertrag kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist gekündigt und die Lieferung eingestellt werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die Voraussetzungen nach Ziffer 8.1 oder 8.2 wiederholt vorliegen und, im Fall des wiederholten Zahlungsverzugs, dem Kunden die Kündigung zwei Wochen vorher angedroht wurde.“

     

    Mit Schreiben vom 15.12.08 widersprach der Kläger erstmals den seit dem Jahr 2000 erfolgten Preiserhöhungen der Beklagten und kündigte an, künftig unter Vorbehalt einen geringeren als den von der Beklagten geforderten Preis zu zahlen. Da die Beklagte in der Folgezeit trotzdem vom Konto des Klägers den vollen Abschlagsbetrag einzog, widerrief der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 8.4.09 die erteilte Einzugsermächtigung. Daraufhin kündigte die Beklagte den Stromliefervertrag durch Schreiben vom 9.4.09 mit sofortiger Wirkung und berief sich dabei darauf, die Durchführung des kostengünstigen Bankeinzugsverfahrens sei Voraussetzung für die am 16.4.07 getroffene Sondervereinbarung. Seitdem beliefert sie den Kläger im Rahmen der Grundversorgung.

     

    Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Feststellung begehrt, dass fünf konkret benannte, im Zeitraum von 2005 bis 2007 vorgenommene Strompreisbestimmungen der Beklagten und die Endabrechnungen aus den Jahren 2005 bis 2007 unwirksam und unbillig seien. Ferner hat er die Feststellung begehrt, dass der zwischen den Parteien bestehende Liefervertrag nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 9.4.09 aufgelöst worden sei, sondern ungekündigt fortbestehe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

     

    Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung hat der Kläger beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass vier konkret benannte, im Zeitraum von 2005 bis 2006 von der Beklagten vorgenommene Preisbestimmungen unwirksam seien, soweit diese den vertraglichen Ausgangspreis überstiegen (Antrag zu 1). Daneben hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die auf den Stromverbrauch bezogenen Endabrechnungen der Beklagten aus 2005 bis 2007 nicht fällig seien (Antrag zu 2) beziehungsweise ‒ so sein Hilfsantrag ‒ unwirksam seien, sofern sie auf Preisbestimmungen beruhten, die den vertraglichen Ausgangspreis überstiegen. Weiter hat der Kläger beantragt festzustellen, dass der mit der Beklagten bestehende Liefervertrag über den 9.4.09 hinaus ungekündigt fortbestehe (Antrag zu 3) und dass ihm aus dem Versorgungszeitraum vom 1.1.05 bis 31.12.09 Rückzahlungsansprüche zustünden (Antrag zu 4).

     

    Der BGH hält den Antrag zu 2 bereits für unzulässig. Es fehlt am Feststellungsinteresse, da der Schuldner, der eine nicht fällige Forderung erfüllt hat, gemäß § 813 Abs. 2 BGB keine hierauf gestützte Rückerstattung verlangen kann (BGH NJW 12, 2659 Rn. 25).

     

    Weiter, so der BGH, hat das Berufungsgericht den Klageantrag zu 3 rechtsfehlerhaft abgewiesen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist der am 16. 4.07 zwischen den Parteien geschlossene Sonderkundenvertrag nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 9.4.08 beendet worden. Die Ankündigung des Klägers, künftig geringere als die von der Beklagten geforderten Abschlagsbeträge zu entrichten, stellt keinen zur fristlosen Kündigung des Stromliefervertrags berechtigenden Kündigungsgrund im Sinne von Ziffer 8.3. der AGB der Beklagten dar. Auch die im Kündigungsschreiben allein als Kündigungsgrund angegebene Weigerung des Klägers, künftig am Lastschriftverfahren teilzunehmen, berechtigt die Beklagte ebenfalls nicht zur fristlosen Kündigung des Stromlieferliefervertrages nach Ziffer 8.3. S. 1 ihrer AGB. Der Stromlieferungsvertrag ist auch nicht durch eine ordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst worden. Eine solche hat die Beklagte nicht ausgesprochen.

     

    Allerdings waren die Rückforderungsansprüche des Klägers für Zahlungen aus dem Zeitraum vom 1.1.05 bis 31.12.06 nicht sämtlich verjährt. Die Rückforderungsansprüche für Stromentgelte, die der Kläger in den Jahren 2005 und 2006 als Abschlagszahlungen erbracht hat, sind nicht verjährt, soweit die Endabrechnung hierüber erst nach dem 31.12.06 erfolgt ist. Dies betrifft die im Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.06 erbrachten Abschlagszahlungen, über die mit Verbrauchsabrechnung vom 15.8.08 abgerechnet worden ist. Die Rückzahlungsansprüche des Klägers aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB verjähren innerhalb der dreijährigen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB (BGHZ 171, 1 Rn. 18). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die dreijährige Verjährungsfrist für die hier streitgegenständlichen Rückzahlungsansprüche begann daher mit dem Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die vom Kläger erbrachten Abschlagszahlungen berücksichtigt waren. Die Verjährung der Rückzahlungsansprüche durch die bereits erstinstanzlich erhobenen Klageanträge auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Preisänderungen und einzelner Endabrechnungen ist nicht gehemmt worden.

    Quelle: ID 36724840