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  • · Fachbeitrag · Honorarvereinbarung

    Formverstöße gefährden den Honoraranspruch

    | Honorarvereinbarungen unterliegen nach den verschiedenen Honorarordnungen besonderen Formvorschriften. Gerade bei Zahnärzten nehmen die damit in Zusammenhang stehenden Fragen zu, weil immer mehr Eigenanteile des Patienten gefordert sind. Denn Leistungen, die über das Maß einer notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgehen, und ihre Vergütung müssen nach der Gebührenordnung der Zahnärzte (GOZ) in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden. Dieser muss vor der Leistung erstellt werden, die einzelnen Leistungen und Vergütungen sowie die Feststellung enthalten, dass es sich um Leistungen auf Verlangen handelt, und eine Erstattung möglicherweise nicht gewährleistet ist. Hier fragt es sich, welche Folgen es hat, wenn die Formvorschriften nicht eingehalten werden. Wie der BGH nun zeigt, kann der Zahlungsanspruch im Einzelfall zwar gerettet werden. Besser ist es aber, ihn schon nicht zu gefährden. |

    Sachverhalt

    Die Klägerin nahm als Zahnärztin die gesetzlich krankenversicherte Beklagte auf Zahlung des Eigenanteils für zahnprothetische Leistungen in Anspruch. Sie erstellte die Heil- und Kostenpläne ordnungsgemäß, hinsichtlich der kassenärztlichen Leistungen genehmigte die Krankenkasse diese auch, aber ‒ was unbemerkt blieb ‒ die Beklagte unterschrieb sie wegen des Eigenanteils nicht.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Ablauf bei der Rücknahme eines Heil- und Kostenplans und die Prüfungsroutinen sollten im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips organisiert sein, sodass nicht nur die Rückgabe, sondern auch die Einhaltung der Formalien geprüft wird. Auch kann der Arzt sich diesen vor Beginn der Behandlung mit der Dokumentation noch einmal vorlegen lassen oder aufrufen. Der damit verbundene Aufwand ist überschaubar. Die Folgen eines Unterlassens können dagegen gravierend sein.

     

    Nachdem die zahnärztliche Leistung erbracht und in Rechnung gestellt war, eine Zahlung aber nicht einging, berief sich die Beklagte erstmals im Prozess auf die Formunwirksamkeit der Honorarvereinbarung. Während das AG die Beklagte dazu verurteilte, den Eigenanteil zu tragen, wies das LG die Klage ab.

     

    Für das LG war klar: Nach §§ 125, 126 BG fehlte die Schriftlichkeit, sodass die Vereinbarung formunwirksam war. Der Beklagten sei es auch nach § 242 BGB nicht verwehrt, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen. Anderenfalls werde der Schutzzweck der Formvorschrift umgangen. Die Umgehung der Regeln über das Bereicherungsrecht sei unzulässig.

    Entscheidungsgründe

    Der BGH sieht die Rechtslage abweichend vom LG und billigt der Zahnärztin einen vertraglichen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. dem genehmigten Heil- und Kostenplan auf Zahlung des Eigenanteils an den zahnärztlichen Behandlungskosten zu. Seine Sicht der Dinge lässt sich in folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

     

    • Leitsatz: BGH 3.11.16, III ZR 286/15
    • 1. Der Grundsatz von Treu- und Glauben nach § 242 BGB findet bei formnichtiger Honorarvereinbarung für eine über das zahnmedizinisch notwendige Maß hinausgehende zahnärztliche Versorgung grundsätzlich Anwendung.
    • 2. Bei einem formnichtigen Heil- und Kostenplan steht der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ, den Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten zuverlässig zu informieren und ihn von einer unüberlegten und übereilten Honorarvereinbarung abzuhalten, Ansprüchen des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung entgegen.
     

    Der BGH sieht den wirksam geschlossenen Behandlungsvertrag ebenso wenig infrage gestellt wie die Formunwirksamkeit der Honorarvereinbarung aufgrund der fehlenden Unterschrift auf dem Heil- und Kostenplan. Der Heil- und Kostenplan muss zu seiner Wirksamkeit von beiden Parteien eigenhändig unterschrieben werden (§ 126 Abs. 2 S. 1 BGB). Daran fehlt es hier. Die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form hat gemäß § 125 S. 1 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Anders als das LG und in Übereinstimmung mit dem AG hält der BGH aber im Einzelfall die Berufung auf die Formunwirksamkeit für einen Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB.

     

    Der Formmangel eines Rechtsgeschäfts ist nach dem BGH nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich. Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Ausnahmen sind deshalb nur zulässig, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Das Ergebnis darf die betroffene Partei nicht bloß hart treffen, sondern es muss schlechthin untragbar sein (BGH NJW 16, 1391). Von der Rechtsprechung sind bislang insbesondere zwei Fallgruppen als Ausnahmen anerkannt worden:

     

    • Fälle der 9‒ hier nicht vorliegenden ‒ Existenzgefährdung des einen Teils und

     

    • Fälle einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils. Diese Fälle kommen regelmäßig in Betracht, wenn eine Partei in schwerwiegender Weise gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstoßen hat, etwa dadurch, dass sie die Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung verweigert, nachdem sie über längere Zeit die Vorteile aus der formunwirksamen Vereinbarung in Anspruch genommen hat. Gleichzeitig muss die andere Seite ‒ der Arzt ‒ schutzwürdig sein.

     

    Der BGH hat im konkreten Fall die Voraussetzungen einer besonders schweren Treuepflichtverletzung gesehen:

     

    • Die Beklagte war umfassend über die Kosten aufgeklärt,
    • sie hat sich angesichts der Kostenaufklärung für die teurere Variante entschieden,
    • sie hat den Kostenplan mit ihrem erkennbaren Eigenanteil der Krankenkasse zur Genehmigung vorgelegt,
    • sie hat alle Vorteile der zahnärztlichen Behandlung genutzt und
    • das Unterschriftserfordernis war klar ersichtlich und sie wurde darauf auch hingewiesen.

     

    Das Verhalten der Beklagten ist in hohem Maß widersprüchlich, sodass sie sich auf den mit der Formvorschrift des § 2 Abs. 3 GOZ verfolgten Zweck (Schutz des Patienten vor einer übereilten Bindung, Information des Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten) und die Formnichtigkeit der Vergütungsvereinbarung nicht berufen kann.

    Relevanz für die Praxis

    Die Erwägungen des BGH zeigen, dass diese sehr auf den Einzelfall bezogen sind und nicht zu der generellen Auffassung führen können, dass die Berufung auf die Formnichtigkeit treuwidrig ist. Die Übergabe des Heil- und Kostenplans, die Einreichung und Genehmigung bei der Krankenkasse und auch die Hinweise auf die Notwendigkeit der Unterschrift müssen im Einzelfall von dem Arzt als Anspruchsteller dargelegt und bewiesen werden.

     

    Die Anwendung von Treu und Glauben setzt nicht nur die Treuepflichtverletzung auf der einen Seite, sondern auch die Schutzwürdigkeit auf der anderen Seite voraus. Das setzt ein besonderes Vertrauen auf die Formgültigkeit voraus, die ausscheidet, wenn

    • beide Parteien den Formmangel kannten oder
    • die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht.

     

    MERKE | Grobe Fahrlässigkeit erfordert einen in objektiver Hinsicht schweren und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss das unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Es muss eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet.

     

    Sofern beide Vertragsparteien den Formmangel nicht kannten, kann sich regelmäßig auch der Vertragspartner auf die Formnichtigkeit des Rechtsgeschäfts berufen, der diese objektiv verursacht hat. Aufgrund des schlichten Büroversehens, verneint der BGH ‒ auch wenn das Wissen der Arzthelferinnen dem Arzt nach § 166 BGB zurechenbar ist ‒ die grobe Fahrlässigkeit der Unkenntnis.

     

    Das zeigt, wie wichtig es ist, im konkreten Einzelfall darlegen zu können, welche Prüfungsmechanismen bestehen, um eine Formunwirksamkeit rechtzeitig zu sehen und zu beheben.

     

    Bedauerlich ist, dass der BGH bei Berücksichtigung des Formmangels weder einen Schadenersatzanspruch wegen culpa in contrahendo (§ 280 Abs. 1 i. V. m. § 311 Abs. 2 BGB) noch einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 BGB oder einen bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB sieht, die jeweils für sich geeignet wären, den Anspruch (auch) zu begründen:

     

    • Ein etwaiger Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 i. V. m. § 311 Abs. 2 BGB ‒ vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich des Unterbleibens der Unterschrift ‒ würde nach dem BGH zu keinem angemessenen Ausgleich führen, weil der Anspruch auf das negative Interesse gerichtet ist.

     

    • Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB) bzw. aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) steht der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ entgegen. Die Notwendigkeit der Vereinbarung eines schriftlichen Heil- und Kostenplans soll dem Bedürfnis des Zahlungspflichtigen nach Information über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten und damit der Transparenz und dem Patientenschutz auch bei sog. Verlangensleistungen Rechnung tragen. Wie § 2 Abs. 2 S. 1 GOZ bezweckt auch § 2 Abs. 3 S. 1 GOZ, den Zahlungspflichtigen wegen der Risiken einer Honorarvereinbarung vor einer unüberlegten und übereilten Bindung zu schützen. Dieser Schutzzweck würde unterlaufen, wenn dem Zahnarzt bei einer formnichtigen Honorarvereinbarung ein Bereicherungs- oder Aufwendungsersatzanspruch nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag zustünde. Zwingende Formvorschriften gelten auch, wenn ihr Zweck im Einzelfall anderweitig erreicht wird.

     

    Beide Ansprüche würden aber auch nicht zum gewünschten Erfolg führen, weil der Behandlungsvertrag unabhängig vom Heil- und Kostenplan wirksam geschlossen wurde und daher ein rechtlicher Grund für die zahnärztliche Leistung vorlag. Nur die höhere Honorarforderung ist nicht durchsetzbar.

     

    Die Darlegungen des BGH zeigen, dass der Honoraranspruch des (Zahn-)Arztes nur unter besonderen Voraussetzungen gegen eine Formunwirksamkeit gesichert ist. Um dem entgegenzuwirken, kommt Folgendes in Betracht:

     

    Checkliste / So sind Honoraransprüche zu sichern

    • Der Arzt muss durch eine Dokumentation den Nachweis der Kostenaufklärung sicherstellen, indem diese nicht nur in der ärztlichen Dokumentation aufgeführt, sondern auch von dem Patienten unterschrieben wird.

     

    • Der Arzt sollte die privatärztliche Behandlung nur beginnen, wenn im Wege des Vier-Augen-Prinzips die Formwirksamkeit, also das Vorliegen der Unterschrift geprüft wurde. Die Überprüfung der formellen Anspruchsvoraussetzungen kann auch an eine Abrechnungsstelle delegiert werden.

     

    • Durch einen Vorschuss kann sich der Arzt weiter absichern. Zwar sehen § 614 BGB und § 10 GOZ bzw. § 12 GOÄ eine Fälligkeit der ärztlichen Leistung erst am Ende der Behandlung und nach Rechnungstellung vor. Richtigerweise wird aber von disponiblem Recht auszugehen sein, sodass die Vorschriften einer vertraglich vereinbarten Vorschussleistung nicht entgegenstehen (OLG München OLGR 95, 198; Guntermann, Abrechnung aktuell 9/2010, 6).
     

    Wichtig | Für den Arzt kann es sich empfehlen, eine Abrechnungsstelle zu nutzen, die ihm eine Plausibilitätsprüfung bietet, d. h. bei der er den Heil- und Kostenplan zur Prüfung schon einreichen kann, bevor er die Leistung ausführt.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 44 | ID 44541922