· Fachbeitrag · Inkassokosten
Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten bei Beauftragung durch einen Inkassodienstleister
| Ist es erforderlich und/oder zweckmäßig, wenn ein Inkassounternehmen, dessen primäre geschäftliche Betätigung darin besteht, abgetretene Ausgleichsansprüche nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu verfolgen, einen Rechtsanwalt damit beauftragt, diese außergerichtlich gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend zu machen? Diese Frage musste das AG Eilenburg beantworten. Es hat sie verneint, liegt damit in der Sache aber offensichtlich falsch. Wenn es die einschlägigen Normen geprüft hätte, wäre es zu einem anderen Ergebnis gekommen. |
Relevanz für die Praxis
Das Argument des AG, um den Kostenerstattungsanspruch zu verweigern (16.10.19, 11 C 516/19, Abruf-Nr. 212583): Bei der Klägerin handele es sich um eine Inkassodienstleisterin, die sich insbesondere auf die Verfolgung von Forderungen der vorliegenden Art (Ausgleichsansprüche von Fluggästen gegenüber ausführenden Luftfahrtunternehmen nach der EU-Fluggastrechteverordnung wegen Annullierung oder großer Verspätung eines Fluges) spezialisiert habe. Es sei deshalb ihr originärer und vermutlich einziger Geschäftszweck, Forderungen einzuziehen. Da wäre es doch geradezu absurd, wenn sie externer, anwaltlicher Hilfe bedürfte, um diesen zu erreichen.
Hilfreich wäre es gewesen, hätte das AG §§ 280, 286 BGB geprüft. Danach muss der in Verzug befindliche Schuldner die Rechtsverfolgungskosten tragen, die tatsächlich angefallen sind (MüKo/Ernst, BGB, 8. Aufl., § 286, Rn. 163), sofern die vorgerichtliche Forderungseinziehung als solches ‒ egal ob durch Anwalt oder Inkassounternehmen ‒ erforderlich und zweckmäßig war. Dies ist der Fall, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass eine außergerichtliche Einziehung möglich ist. Dafür gab der Fall des AG nichts her.
Damit sind die Rechtsanwaltskosten vom Schuldner zu tragen. Anders wäre der Fall nur zu beurteilen, wenn durch die Beauftragung des Rechtsanwalts Mehrkosten entstanden wären. In diesem Fall läge ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB vor, was den Erstattungsanspruch allerdings auch nicht gänzlich entfallen lässt, sondern ihn der Höhe nach nur begrenzt. Für eine solche Begrenzung ist aber kein Anhaltspunkt zu erkennen. Es wurden nicht Inkassokosten und Rechtsanwaltskosten kumulativ, sondern lediglich Rechtsanwaltskosten erstattet verlangt.
Hätte ‒ wie das AG meint ‒ das Inkassounternehmen die außergerichtliche Forderungseinziehung selbst übernommen, wären aber gleichermaßen Rechtsverfolgungskosten in gleicher Höhe angefallen.
MERKE | In der Praxis ist es inzwischen üblich, dass auch Inkassodienstleister eine Vergütung nach dem RVG erhalten. Insoweit wären die Rechtsverfolgungskosten nicht geringer gewesen. |