· Fachbeitrag · Inkassokosten
Wann darf der Gläubiger ein Inkassounternehmen einschalten?
| Der Streit um die Berechtigung von Inkassokosten ist ein Dauerbrenner. Auch wenn sich das BVerfG und der BGH zu verschiedenen Fragen geäußert haben, fehlt es an einer streitbeendenden höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das liegt auch daran, dass die Kosten niedrig sind und deshalb die Rechtsmittelwerte regelmäßig nicht überschritten werden. Auch lohnt es sich meist nicht, die Inkassokosten „bis zum Schluss“ zu verfolgen, wenn schon zweifelhaft ist, ob sich die Hauptforderung realisieren lässt. Umso wichtiger ist es, die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung wahrzunehmen und die Unterschiede zur Rechtsprechung vor dem 1.7.08 zu erkennen. Wer hier die gewandelte Rechtslage und Rechtsprechung aufzeigen kann, hat die Chance, Inkassokosten mehr als früher anerkannt und tituliert zu bekommen. In diesem Zusammenhang ist eine aktuelle Entscheidung des OLG München zu sehen. |
Sachverhalt
Die Klägerin ist die Abrechnungsstelle eines Zahnarztes. Der Zahnarzt hat ihr eine Vergütungsrechnung im Wege des echten Factorings abgetreten. Nachdem der Patient nur einen Teil der Vergütung ausglich, begehrt sie die restliche Vergütung. Nach erfolgloser außergerichtlicher Mahnung beauftragte sie einen Inkassodienstleister mit der weiteren vorgerichtlichen Forderungsbeitreibung und verlangt nun dessen Kosten ersetzt.
Entscheidungsgründe
Das OLG meint, dies sei berechtigt und fasst seine Sicht der Dinge in folgendem Leitsatz zusammen:
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Inkassokosten kann jeder Gläubiger, auch ein Kaufmann, ersetzt verlangen, soweit das beauftragte Inkassobüro Leistungen erbringt, die über die Erstmahnung hinausgehen (Abruf-Nr. 190446). |
Die Erstmahnung hat die Abrechnungsstelle selbst versandt und erst danach mangels vollständiger Zahlung den Inkassodienstleister eingeschaltet. Daraufhin zahlte der Patient weitere 1.400 EUR. Dass die Klägerin selbst ein Inkassounternehmen ist, steht der Erstattungspflicht der Kosten nicht entgegen. Auch ein Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, sich selbst zu vertreten, sondern kann einen Kollegen beauftragen (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 249 Rn. 57; MüKo/Oetker, BGB, 7. Aufl., § 249 Rn. 180 ff.). Von einem rechtlich einfach gelagerten Fall kann hier nicht ausgegangen werden.
MERKE | Das OLG bezweifelt also nicht, dass Inkassokosten erstattungsfähig sind. Auch sieht es kein hierarchisches Verhältnis zwischen dem Inkassodienstleister und dem Anwalt. Unter Berücksichtigung des Rechtsdienstleistungsgesetzes dürfen beide vorgerichtlich die gleiche Leistung erbringen. § 4 Abs. 5 RDGEG verhindert dabei, dass durch die Beauftragung des einen Rechtsdienstleisters höhere erstattungsfähige Kosten anfallen, als bei der Beauftragung des anderen. |
Das OLG hielt die Inkassokosten hier für schlüssig begründet. Es fasst die notwendigen Darlegungen noch einmal zusammen:
- Darzulegen ist zunächst die Beauftragung des Inkassounternehmens.
- Bestandteil dieser Darlegung ist die vereinbarte Vergütung dem Grunde und der Höhe nach, wobei Inkassodienstleister inzwischen auf vertraglicher Basis mit dem Gläubiger ebenfalls die Vergütungsbestimmungen des RVG zugrunde legen, während sich dies bei einem Rechtsanwalt schon aus dem Gesetz, § 612 Abs. 2 BGB i. V. m. dem RVG, ergibt.
- Zu begründen ist, dass das Inkassounternehmen auch Leistungen erbracht, also Tätigkeiten entfaltet hat. Auch wenn nicht erforderlich ist, dass diese Tätigkeiten nach außen hervortreten, stand dies im konkreten Fall nicht infrage, weil auf weitere Mahnungen des Inkassounternehmens immerhin die o. g. Teilzahlung erfolgte.
Bei der Höhe der zu ersetzenden Inkassokosten geht das OLG davon aus, dass diese angesichts der Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 BGB durch die Sätze des RVG begrenzt sind, sodass Inkassokosten nur in Höhe der nicht auf die Prozessgebühr anrechenbaren RVG-Geschäftsgebühr verlangt werden können (§ 15a RVG; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 286 Rn. 46).
MERKE | Dabei übersieht das OLG die spezialgesetzliche Regelung in § 4 Abs. 5 RDGEG, ohne dass es aber im Ergebnis darauf ankommt. Die Regelung ist inhaltsgleich zu § 254 Abs. 2 BGB. Insgesamt knüpft das OLG München allerdings an seine frühere Rechtsprechung an, dass Inkassokosten einen Verzugsschaden darstellen und deshalb auch erstattungsfähig sind (OLG München JurBüro 89, 90; zum Ganzen auch Goebel, Praxisleitfaden Inkassokosten, 2. Aufl.). |