· Fachbeitrag · Mahnkosten
Mahnkosten von 4,95 EUR und 10 EUR sind wettbewerbswidrig
| Der Kunde bezahlt seine Rechnung nicht und wird deshalb vom Gläubiger kaufmännisch gemahnt. Dies geschieht täglich in hohen Fallzahlen und soweit möglich bei den Gläubigern auch automatisiert. Üblicherweise werden dabei auch Mahnspesen erhoben. Unternehmen als Vorleistende (Gläubiger), die Kunden (Schuldner) und die jeweiligen Bevollmächtigten (Rechtsanwälte, Inkassodienstleister) müssen sich dabei mit der Frage auseinandersetzen, welche Mahnkosten dem Grunde und der Höhe nach angemessen sind. Die Diskussion darum dauert an und erreicht die Rechtsprechung im Einzelfall, im Kontext wettbewerbsrechtlicher Verfahren der Verbraucherzentralen und künftig wohl auch über die Fortentwicklung der Musterfeststellungsklage in der neuen Abhilfeklage nach dem in der Beratung befindlichen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. |
1. Mahnspesen außerhalb von AGB
Dem Praktiker begegnen häufig Mahnspesen von 4,95 EUR für eine erste und 10 EUR für eine zweite Mahnung. Zu viel, sagt jedenfalls aktuell das OLG Hamburg (22.11.22, 5 U 83/21, Abruf-Nr. 233911; Vorinstanz: LG Hamburg 17.6.21, 312 O 201/20) auf eine Klage eines Verbraucherschutzverbands. Ein Handelskonzern dürfe seinen Kunden keine Mahngebühren in dieser Höhe oder höher in Rechnung stellen.
Die Entscheidung trifft aber jeden Gläubiger, dessen Forderung der Schuldner bei Fälligkeit nicht ausgeglichen hat und der nun den Aufwand des debitorischen Mahnwesens hat. Im konkreten Fall ging es um das Versandhandelsunternehmen „Otto“, das seinen Kunden mit seiner automatisierten Rechnungssoftware die o. g. Beträge in Rechnung stellte. Die dortigen AGB enthielten solche Pauschalen allerdings nicht. Sie wurden „einfach erhoben“.
Das OLG schloss sich der Auffassung an, wonach die automatische Inrechnungstellung von Mahngebühren ohne vertragliche Vereinbarung, z. B. in AGB, eine unzulässige Umgehung des Rechts der AGB darstellt. Durch eine derartige Umgehungspraktik könne sich ein Unternehmer der Geltung des Rechts der AGB aber nicht entziehen, wie sich aus § 306a BGB ergebe. Die Umgehungspraktik verstoße letztlich gegen § 309 Nr. 5b BGB, weil der Handelskonzern seine Kunden nicht auf die Möglichkeit des Gegenbeweises eines geringeren Schadens hingewiesen habe.
MERKE | Das Risiko für den Unternehmer liegt in diesen Fällen darin, dass alle Kunden, die solche überhöhten Mahnpauschalen gezahlt haben, ihr Geld zurück- verlangen können und verschiedene Verbraucherschutzverbände oder auch Legal-Tech-Unternehmen solche Ansprüche „sammeln“. Der Gesamtprozess kann dann einen ganz erheblichen Aufwand und auch erhebliche Rechtsverteidigungskosten nebst der notwendigen Befriedigung der Rechtsverfolgungskosten der Verbraucher verursachen. |
2. Ebenso unzulässig: Mahnpauschalen im Einkaufskonto
Ähnlich hat das OLG Hamburg die Rechtsfragen schon in einem anderen Kontext gesehen (22.12.21, 15 U 14/21). Wenn ein Versandhandelsunternehmen gegenüber Verbrauchern, die ihre Ratenzahlungen nicht mehr leisten, für automatisiert erstellte Mahnungen jeweils eine „Mahngebühr“ in Höhe von 10 EUR kommentarlos im Kontoauszug des Kunden aufführt, sei dies gleichermaßen unzulässig. Denn der angesprochene Durchschnittsverbraucher gehe davon, dass er eindeutig und unzweifelhaft zur Bezahlung der Mahngebühr verpflichtet ist, dass die Mahngebühr also fester Bestandteil seiner bereits aufgelaufenen Schulden sein wird.
Das OLG teilte hier nicht die Ansicht des Unternehmens, dass der durchschnittliche Verbraucher die im Kontoauszug angesetzte „Mahngebühr“ als bloße Rechtsansicht des Unternehmens ansehe. Ein pauschaler Abzug sei nicht gerechtfertigt. Die Gesellschaft lege nicht dar, warum dem Verbraucher klar sein sollte, dass es sich bei ihr „um ein Unternehmen handelt, das in einem stark umkämpften Markt tätig ist, besonderen Wert auf langlebige Kundenbeziehungen legt und deshalb sowohl mit Blick auf die angebotenen Zahlungsoptionen wie auch in der Forderungsbearbeitung auf Flexibilität bedacht ist“. Auch die weitergehende Schlussfolgerung, dass deswegen der Verbraucher in der Mahngebühr keine feststehende Forderungsposition, sondern eine Meinungsäußerung sehe, wollte das OLG nicht nachvollziehen. Schon weil es sich vorliegend also um eine „unwahre“ ‒ und nicht nur „zur Täuschung geeignete“ ‒ Angabe nach § 5 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. UWG handele, komme die Einordnung als schlichte Meinungsäußerung nicht in Betracht.
3. Beachtliche Grundsätze zu den Mahnspesen
Zur Risikominimierung ist es erforderlich, die Grundsätze der Geltendmachung von Mahnspesen zu kennen und zu berücksichtigen. Für deren Erstattung muss es eine Rechtsgrundlage geben! Die erste Mahnung begründet erst den Verzug nach §§ 280, 286 BGB, sodass für die Kosten der Erstmahnung nur ein Erstattungsanspruch besteht, wenn die Forderung auf einer unerlaubten Handlung fußt oder eine vertragliche Erstattung ‒ etwa in AGB ‒ vereinbart wurde. Es besteht also Handlungsbedarf, bei dem Gläubiger prüfen, ob für die Erstmahnung ein entsprechender Erstattungsanspruch besteht oder aber eben für die Zukunft vereinbart werden kann.
Der Höhe nach ist zu beachten, dass die Mahnspesen des Gläubigers im debitorischen, also kaufmännischen Mahnprozess nur die Sachkosten (Porto, Papier etc.) widerspiegeln dürfen, nicht aber die Personalkosten (BGH 19.6.19, VIII ZR 95/18). Der über die Sachkosten hinausgehende Aufwand muss also schon bei der Preiskalkulation für die Ware oder die Werk- bzw. Dienstleistung kalkuliert und berücksichtigt werden. Er trifft am Ende so alle Verbraucher.
Die Mahnspesen dürfen dabei auch in AGB pauschaliert werden. Die Pauschale darf aber nach § 309 Nr. 5 Buchst. a BGB nur den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden umfassen, also nicht den maximalen Betrag ausmachen. Dazu muss dem Schuldner ausdrücklich die Möglichkeit gegeben werden, einen geringeren Sachschaden darzulegen und nachzuweisen.