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  • · Fachbeitrag · Prämiensparverträge

    Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen: BGH legt Referenzzins fest

    von VRiOLG Frank-Michael Goebel, Koblenz

    | Banken und Sparkassen haben über viele Jahre für den Abschluss sogenannter Prämiensparverträge geworben. Dabei zahlen die Kunden regelmäßig einen festgelegten Betrag auf ein Sparkonto ein und erhalten dafür zwei unterschiedliche Zinszahlungen. Sie erhalten zunächst einen variablen Zins, der das jeweilige Guthaben verzinst, und dann einen Prämienzins, der schon vorab festgelegt ist und in der Regel jedes Jahr steigt. In den Verträgen haben die Banken und Sparkassen aber nicht genau definiert, woraus und wie sich der variable Basiszinssatz definiert. Das führt seit mehr als zwei Jahrzehnten immer wieder zu Streitigkeiten. Bereits im Jahre 2004 hatte der BGH (17.2.04, XI ZR 140/03) entschieden, dass Vertragsklauseln rechtswidrig sind, mit denen Banken und Sparkassen die variablen Zinsen nach Belieben festlegen können. Im Jahr 2021 bestätigte der BGH (6.10.2021, XI ZR 234/20) die Unzulässigkeit entsprechender Klauseln. Offengeblieben ist bislang die Frage, wie hoch die Verzinsung sein müsste und ersatzweise zu berechnen ist. Das OLG Dresden (13.4.22, 5 U 1973/20) hat dann erstmals einen Referenzzins festgelegt. Danach soll die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere mit 8 bis 15 Jahren Restlaufzeit maßgebend sein. Anfang 2023 folgten ähnliche Entscheidungen des OLG Naumburg (8.2.2023, 5 MK 1/20) und erneut des OLG Dresden (22.3.23, 5 MK 1/22). Der BGH hat nun in der Revisionsinstanz beide vorinstanzlichen Entscheidungen bestätigt (9.7.24, XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23), die Revisionen aber im Ergebnis zurückgewiesen. |

    Sachverhalt

    Die im Rahmen einer Musterfeststellungsklage beklagten Sparkassen schlossen in den Jahren 1993 bis 2010 mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Jahr eine der Höhe nach gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. Die Musterkläger halten die in den Sparverträgen vorgesehenen Klauseln zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die vorgenommene Verzinsung für zu niedrig. Sie begehren die Bestimmung eines Referenzzinses, der für die von den Banken vorzunehmenden Zinsanpassungen maßgebend ist. Dem hatten LG und OLG dem Grunde nach entsprochen. Mit der Revision möchten die Musterkläger darüber hinaus die Feststellung erreichen, dass

    • die Zinsanpassungen auf der Basis von gleitenden Durchschnittswerten vorzunehmen sind. Basis sollen dabei die Umlaufrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von zehn Jahren sein.
    • die dreijährige Regelverjährung nach § 199 BGB nicht bereits mit Ablauf der Vertragslaufzeit, sondern erst beginnt, wenn die Verbraucher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklauseln und den Parametern für die korrekte Zinsanpassung Kenntnis erlangen.

    Entscheidungsgründe

    Der BGH ist den Vorinstanzen im Ergebnis gefolgt und hat dabei wichtige Festlegungen für die Behandlung der Fallgestaltungen getroffen

     

    • Leitsätze: BGH 9.7.24, XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23
    • 1. Die Regelungen in Prämiensparverträgen zur beliebigen Änderung des variablen Zinssatzes sind unwirksam.
    • 2. Die Zinsanpassungen sind auf der Grundlage der Umlaufsrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren vorzunehmen.
    • 3. Der Beginn der Verjährung von Ansprüchen auf Nachzahlung von Zinsen beginnt mit der Beendigung des Vertrags und nicht erst mit der Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklauseln.
     

     

    Vertragsauslegung schließt Regelungslücke

    Die in den Prämiensparverträgen infolge der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklauseln entstandene Regelungslücke müsse durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB geschlossen werden. Der danach zu bestimmende Referenzzins könne nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte berechnet werden. Im Rahmen der Anlageentscheidung vergleiche ein Sparer regelmäßig den angebotenen variablen Zins mit dem gegenwärtigen durchschnittlichen Marktzins und nicht mit einem Zins, der aus überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zinsen berechnet werde.

     

    Auch die Umlaufsrendite von Hypothekenpfandbriefen könne als Referenzzins für die variable Verzinsung risikoloser Spareinlagen nicht in Betracht kommen, da diese einen Risikoaufschlag enthalten, der im Vergleich zu den Umlaufsrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führe. Der typische Sparer, der Prämiensparverträge abschließe, zeige aber gerade keine Risikobereitschaft, sodass der im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmende Referenzzins ebenfalls keinen Risikoaufschlag enthalten dürfe.

     

    Die vom jeweiligen OLG als Referenzzins herangezogenen Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren genügten den Anforderungen, die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung an einen Referenzzins für die variable Verzinsung der Sparverträge zu stellen seien.

     

    Ansprüche anmelden

    Da die variablen Zinsen regelmäßig zu niedrig angesetzt wurden, bleibt zu klären, auf welchem Weg die Sparer etwaige Nachzahlungsansprüche geltend machen können.

     

    Nach § 259 BGB sind die Banken und Sparkassen verpflichtet, die Zinsberechnung darzulegen und eine nachvollziehbare Zusammenstellung vorzulegen. Eine solche Aufforderung an die Banken oder Sparkassen könnte wie folgt aussehen:

     

    Musterformulierung / Aufforderung an Banken

    An die

     

    Sparkasse …

     

    in …

     

    Prämiensparvertrag Nr. …

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9.7.24, XI ZR 44/23, sind Klauseln in Sparverträgen, die die Änderung des variablen Zinssatzes der beliebigen Entscheidung der Bank oder Sparkasse überlassen, unwirksam. In dem o. g. Vertrag, ist eine solche Klausel vorgesehen. Diese unwirksame Klausel ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, wobei als Referenzzins die Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren heranzuziehen sind.

     

    Ich fordere Sie daher auf, den o. g. Vertrag rückwirkend zum Vertragsbeginn gemäß den Vorgaben des Bundesgerichtshofs neu und in nachvollziehbarer Weise abzurechnen. Stellen Sie dabei bitte den Berechnungsvorlauf detailliert in einer den Anforderungen des § 259 BGB genügenden Weise dar, sodass das nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs festgelegte Verfahren zur Zinsanpassungsklausel sowie sämtliche darauf basierenden Zinsberechnungen nachvollziehbar und überprüfbar sind.

     

    Ihrer entsprechenden Rückmeldung sehe ich bis zum … (Absendedatum + 2 Wochen) entgegen.

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Unterschrift

     

     

    Verjährung

    Ferner stellt sich die weitere Frage, für welchen Zeitraum Nachzahlungsansprüche geltend gemacht werden können. Ein vermeintlicher Anspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren (§ 195 BGB).

     

    Die Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Kalenderjahres

    • in dem der Anspruch entstanden ist,
    • der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und
    • der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

    Relevanz für die Praxis

    Der Anspruch auf die Zinsnachzahlung entsteht nach einer Entscheidung des BGH (6.10.21, XI ZR 234/20) ‒ frühestens ‒ mit Beendigung des Vertrages, also zu dem Zeitpunkt, an dem die Kündigung wirksam wird.

     

    Streitig war bislang, wann der Sparer von den Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, die den Anspruch begründen. Die Musterkläger wollten dabei festgestellt wissen, dass den Sparern, die den Anspruch begründenden Umstände erst bekannt werden, nachdem der BGH abschließend über die Bemessung des Referenzzinssatzes entschieden habe. Das hat der BGH abgelehnt.

     

    Die für den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis beziehe sich nicht auf die Unwirksamkeit der in den Sparverträgen enthaltenen Zinsanpassungsklausel und auf die Parameter für die Zinsanpassung, die höchstrichterlich festgelegt worden sind. Denn der Inhaber eines Anspruchs müsse keine rechtlich zutreffenden Schlüsse nachvollziehen, damit der Lauf der Verjährung seines Anspruchs in Gang gesetzt werde.

     

    Beachten Sie | Für den Beginn der Verjährungsfrist ist daher regelmäßig die Beendigung des Vertrags maßgebend:

     

    • Wenn der Vertrag im Jahr 2021 beendet wurde, tritt mit Ablauf des 31.12.24 Verjährung ein.
    • Für Verträge die vor 2021 beendet wurden, ist der Nachzahlungsanspruch verjährt.

     

    PRAXISTIPP | Eine verlässliche verjährungshemmende Wirkung erreicht man nur über eine Klage oder ein Ombudsverfahren. Solange ein Sparvertrag noch läuft, besteht hingegen kein Zeitdruck, eine Nachzahlung zu fordern.

     

    Da solche Prämiensparverträge regelmäßig viele Jahre laufen, könnten also im Einzelfall noch Ansprüche zu realisieren sein.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Neues zur Kündigung eines Prämiensparvertrags, FMP 23, 214
    • Sparverträge: Was vereinbart ist, gilt!, FMP 20, 40
    • Kündigung eines Prämiensparvertrags, FMP 24, 23
    • Unkalkulierbare Zinsanpassungsklauseln sind unwirksam, FMP 22, 112
    • Kündigung von Prämiensparverträgen, FMP 19, 112
    Quelle: Ausgabe 09 / 2024 | Seite 159 | ID 50102260