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  • · Fachbeitrag · Rechtsanwaltsvergütung

    Verjährung der Rechtsanwaltsvergütung trotz Stundung

    | Hohe Rechtsverfolgungs- oder -verteidigungskosten schrecken selbstzahlende Mandanten häufig von der Beauftragung des Bevollmächtigten ab. Oft wird deshalb zunächst einmal in Aussicht gestellt, dass Honorar erst geltend zu machen, wenn der Gegner es erstattet. Kritisch wird es, wenn zugleich noch vereinbart wird, dass gar kein Honorar oder nur ein Teilhonorar geltend gemacht wird, wenn der Gegner nichts oder nur Teile erstattet. Eine solche Konstellation zeigt eine Entscheidung des LG Bremen. |

     

    Sachverhalt

    Der klagende Rechtsanwalt beansprucht von seinem Mandanten Rechtsanwaltsvergütung. Der Mandant wiederum verlangt widerklagend die Auszahlung von Fremdgeld.

     

    Der Rechtsanwalt vertrat den Mandanten in diversen Streitigkeiten um Darlehen zur Finanzierung von Grundstücken. Der Rechtsanwalt kommunizierte mehrfach mit dem öffentlich-rechtlichen Gegner und forderte diesen zur Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen auf, was auch geschah. Den Ersatz der Rechtsverteidigungskosten verweigerte der Gegner allerdings, sodass diese in Höhe von rd. 45.000 EUR neben weiteren Ansprüchen von rd. 1,9 Mio. EUR klageweise geltend gemacht wurden. Man einigte sich dann vergleichsweise auf eine Zahlung von 900.000 EUR durch den Gegner, wobei streitig ist, ob die vorherigen Rechtsverteidigungskosten damit gleichfalls abgegolten sein sollten.

     

    Der Anwalt stellte der Beklagten neun Rechnungen für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen die Vollstreckungsmaßnahmen aus, deren Ausgleich der Mandant aber verweigerte. Der Rechtsanwalt erklärte dann die Aufrechnung mit bei ihm eingegangenen Fremdgeldern.

     

    Der Rechtsanwalt verlangt nun noch die Differenz zu seinen Forderungen. Der Mandant erhebt die Einrede der Verjährung, macht geltend, dass die Forderung gestundet sei, bis der Gegner die Rechtsanwaltsvergütung erstatte und verlangt widerklagend die Herausgabe des verrechneten Fremdgeldes.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Auffassung des LG lässt sich wie folgt zusammenfassen:

     

    • Leitsatz: LG Bremen 9.2.24, 4 O 618/23
    • 1. Eine Stundungsabrede ist unwirksam, wenn sie unzertrennbar mit einer unwirksamen Erfolgsvereinbarung getroffen wird.
    • 2. Die Aufrechnung mit Fremdgeldern ist unzulässig, wenn diese gegen den Verstoß nach § 4 Abs. 1 S. 1 BORA nicht unverzüglich ausgekehrt worden sind.
     

    Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Rechtsanwaltsvergütung aus § 675 Abs. 1, § 611 Abs. 1, § 612 Abs. 2 BGB i. V. m. dem RVG zu. Es kann dabei dahinstehen, in welcher Höhe der Vergütungsanspruch entstanden ist, denn dieser ist jedenfalls gemäß § 214 Abs. 1 BGB verjährt.

     

    Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 RVG wird die Vergütung des Rechtsanwalts bereits mit Beendigung der Angelegenheit fällig. Die Verjährung der Vergütung beginnt ab Fälligkeit, auch wenn der Rechtsanwalt dem Auftraggeber keine Berechnung mitgeteilt hat. Der Rechtsanwalt kann somit die Verjährung seiner Ansprüche nicht dadurch hinausschieben, dass er die Aufstellung einer Berechnung unterlässt, § 10 Abs. 1 S. 2 RVG (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., § 10 Rn. 36). Unstreitig wurde die abgerechnete Tätigkeit jeweils im Jahr 2015 beendet.

     

    Für die Vergütungsansprüche von Rechtsanwälten gilt dann die Regelverjährung, also drei Jahre ab Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis hatte, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.

     

    Zwischen den Parteien wurde auch keine dem Verjährungsbeginn entgegenstehende wirksame Stundungsvereinbarung getroffen. Eine anfängliche Stundung ‒ in Abgrenzung zu einem Stillhalteabkommen nach § 205 BGB ‒ steht einem von vornherein vereinbarten späteren Fälligkeitstermin gleich und lässt die Verjährung überhaupt nicht beginnen (BeckOK BGB/Henrich, 68. Ed. 1.11.23, BGB § 205 Rn. 2; Grüneberg/Ellenberger, 83. Aufl., BGB, § 205 Rn. 2).

     

    Es kann dabei dahinstehen, ob es die von dem Kläger behauptete mündliche Abrede mit dem Beklagten vor Tätigwerden gegeben hat. Diese enthält zwar grundsätzlich eine Stundungsvereinbarung, ist aber als unzulässige Gestaltung eines Erfolgshonorars nach § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO i. V. m. § 4a RVG in Gänze unwirksam.

     

    Der Begriff des Erfolgshonorars ist in § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO legal definiert: „Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält (Erfolgshonorar) […]“. Im Umkehrschluss liegt kein Erfolgshonorar vor, wenn sich die Vergütungspflicht und die Höhe der Vergütung aus dem RVG ergeben.

     

    Es ist dabei insbesondere auf die Bedingtheit des Honorars als wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Erfolgshonorar und erfolgsunabhängiger Vergütung abzustellen. Für das Entstehen oder für die Höhe der Vergütung ist bei einem Erfolgshonorar nicht nur Voraussetzung, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit einen bestimmten Tatbestand verwirklicht, es muss als weitere Bedingung hinzukommen, dass mit dieser Tätigkeit ein bestimmter Effekt für den Mandanten, regelmäßig ein bestimmter Erfolg, eintritt.

     

    So liegt es hier. Die Abrede weicht von den Regelungen des RVG ab, da sie die Fälligkeit entgegen § 8 RVG nicht bereits mit Beendigung der Angelegenheit eintreten lässt, sondern erst mit Erstattung der Kosten durch den Gegner. Es wird außerdem von dem Grundgedanken der Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG abgewichen, welche bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts nach Erhalt des Auftrags entsteht (Gerold/Schmidt/Mayer, a. a. O., VV 2300 Rn. 17). Für den Fall, dass vom Gegner gar keine oder nur eine geringere Kostenerstattung erreicht werden kann, reduziert sich die Vergütung des Klägers nämlich entsprechend.

     

    Die Vereinbarung ist unwirksam. Als mündliche Abrede ist sie bereits formunwirksam, da für Erfolgshonorarvereinbarungen als Vergütungsvereinbarungen i. S. d. § 3a RVG die Textform gilt, § 3a Abs. 1 S. 1 RVG (Gerold/Schmidt/Mayer, a. a. O., RVG § 4a Rn. 94, 36). Sie erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 4a Abs. 3 RVG. Vor diesem Hintergrund kann es dann dahinstehen, ob der Beklagte, wie vom Kläger behauptet, mittellos war und damit die inhaltlichen Anforderungen des § 4a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RVG vorlagen.

     

    Die Verstöße gegen § 4a Abs. 3 RVG und gegen § 3a Abs. 1 S. 1 und 2 RVG führen dabei nicht zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags und belassen dem Rechtsanwalt auch grundsätzlich den Anspruch auf die gesetzliche Vergütung (BeckOK RVG/v. Seltmann, 61. Ed. 1.12.2021, RVG § 4a Rn. 16). Wegen der untrennbaren Verbindung des Stundungsteils mit der Bedingung des Erfolgshonorars ist die vom Kläger vorgetragene Abrede in Gänze unwirksam (§ 139 BGB).

     

    Zwischen den Parteien wurde auch kein konkludentes Stillhalteabkommen i. S. d. § 205 BGB mit Einklagen der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten als Schadenersatz gegenüber dem Gegner vereinbart. Eine konkludente Abrede zur Hemmung der Verjährung wäre grundsätzlich erforderlich, da § 8 Abs. 2 RVG ausdrücklich auf die Rechtsanwaltsvergütung für eine Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren beschränkt ist. Diese deutliche Beschränkung auf eine bestimmte Art von Rechtsanwaltsgebühren verbietet jede Form von analoger Anwendung auf vorprozessuale Tätigkeit. Eine solche Vereinbarung kann grundsätzlich auch stillschweigend getroffen werden (BeckOK BGB/Henrich, 68. Ed. 1.11.23, BGB § 205 Rn. 3; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 205 Rn. 2). Geht der Kläger, wie vorliegend, aber von einer bereits getroffenen Abrede, die auf Ausschluss der Verjährung gerichtet ist, aus, ist kein Raum für eine schlüssige Erklärung mit demselben Zweck.

     

    Dem Kläger steht die geltend gemachte Rechtsanwaltsvergütung auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu. Der Mandant hat nichts auf dessen Kosten erlangt, als der Gegner die Vergleichszahlung nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens an den Beklagten geleistet hat. Es kann dabei dahinstehen, ob und in welchem Ausmaß die eingeklagten Schadenersatzansprüche des Beklagten für entstandene vorprozessuale Rechtsanwaltskosten durch das Tätigwerden des Klägers in die Vergleichssumme eingeflossen sind. Entscheidend ist hier, dass im Lichte der Relativität der Schuldverhältnisse zu beachten ist, dass Schadenersatzansprüche des Beklagten gegen den Gegner und die Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten rechtlich getrennt zu behandeln sind. Es oblag dem Rechtsanwalt, seine Vergütung bereits direkt mit Fälligkeit gegenüber dem Mandanten einzufordern oder (wirksame) verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.

     

    MERKE | Der Mandant soll also nach dem LG einerseits den Erstattungsanspruch gegenüber dem Gegner geltend machen und erhalten können und sich andererseits im Innenverhältnis auf die Verjährung berufen können. Das erscheint in den Fällen angreifbar, in denen der Erstattungsanspruch schon bei der klageweise Geltendmachung gegenüber dem Gegner verjährt war, weil es dann mit der Erhebung der Einrede der Verjährung am Schaden fehlt. Andererseits erscheint die Erhebung der Einrede der Verjährung aber auch treuwidrig, wenn gleichzeitig der Erstattungsanspruch erfolgreich geltend gemacht werden konnte.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die verjährte Vergütungsforderung hindert allerdings nicht zwangsläufig auch die Aufrechnung. Die Verjährung schließt die Aufrechnung nämlich nach § 215 BGB nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Allerdings hätte der Rechtsanwalt in diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr über das Fremdgeld verfügen dürfen. Er ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BORA verpflichtet, Fremdgelder unverzüglich an den Berechtigten auszukehren.

     

    Unstreitig verwahrt der Rechtsanwalt aber Gelder des Mandanten zum Teil bereits seit mehreren Jahren. Es lag damit nach Ansicht des LG ein Aufrechnungsverbot nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wegen des erheblichen Verstoßes gegen die Verpflichtung aus § 4 Abs. 1 S. 1 BORA, Fremdgelder unverzüglich weiterzuleiten, vor.

     

    § 242 BGB umfasst u. a. ein Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (Grüneberg/Grüneberg, a. a. O., § 242 Rn. 38). Eine typische Fallgruppe hiervon ist der unredliche Erwerb der eigenen Rechtsstellung. Die Ausübung eines Rechts ist demnach in der Regel missbräuchlich, wenn der Berechtigte es gerade durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat (Grüneberg/Grüneberg, a. a. O., Rn. 43). Der Vorbehalt des § 242 BGB steht grundsätzlich über der Ausübung des Aufrechnungsrechts durch den Rechtsanwalt und wird durch die Bewertung des besonderen Inhaltes des Mandatsvertrages konkretisiert (Hartung/Scharmer/Jacklofsky, 8. Aufl., BORA § 4 Rn. 105). Ein Rechtsmissbrauch liegt so bei treuwidriger Verzögerung der geschuldeten Leistung bis zum Entstehen des Gegenanspruchs vor (MüKo/Schubert, BGB, 9. Aufl. § 242 Rn. 349).

     

    Der Kläger hat sich seine Aufrechnungslage durch den Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 BORA unredlich und treuwidrig selbst geschaffen bzw. aufrechterhalten.

     

    PRAXISTIPP | In dauerhaften Mandatsverhältnissen sollte die Frage der Abrechnung von Fremdgeld in zeitlicher Hinsicht ausdrücklich vereinbart werden, wenn die gesetzliche Regelung den Parteien zu unflexibel erscheint.

     
    Quelle: Ausgabe 07 / 2024 | Seite 123 | ID 50043765