Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Rechtsgeschäft

    Keine Form ohne Norm: Chancen und Risiken von Formvorschriften in der Forderungseinziehung

    | Im Interesse der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs gilt der Grundsatz der Formfreiheit. Ausnahme: Das Gesetz schreibt eine bestimmte Form vor oder die Parteien haben eine solche im Vertrag vereinbart (vgl. § 127 BGB). Wird das Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Form vorgenommen, ist es nichtig (vgl. § 125 BGB), wenn nicht andere Rechtsfolgen geregelt sind (etwa § 550 BGB). In der praktischen Umsetzung werden die Formvorschriften jedoch oft nur nachlässig beachtet. Beispielhaft hat sich das LG Berlin mit einem solchen Fall beschäftigt. |

     

    Sachverhalt

    Die mangelnde Form ist geeignet, den Anspruch und dessen Durchsetzung zu gefährden. Andererseits kann es auch Situationen geben, in denen der Formmangel die Anspruchsdurchsetzung beschleunigt und ihr sonst dient. Bei der Übernahme eines Mandats zur Einziehung einer Forderung ist die Einhaltung der Form deshalb im Rahmen der notwendigen Rechtsprüfung zu betrachten. Für die Form von Rechtsgeschäften sieht das Gesetz insgesamt fünf verschiedene Arten vor:

     

    Checkliste / Fünf Formen für Rechtsgeschäfte

    • Schriftform, § 126 BGB
    • Elektronische Form, § 126a BGB
    • Textform, § 126b BGB
    • Notarielle Beurkundung, § 128 BGB
    • Öffentliche Beglaubigung, § 129 BGB
     

    Die Vorschriften beschreiben dabei detailliert, wie die Erklärungen zu gestalten sind, um dem Formerfordernis Rechnung zu tragen.

     

    Im Fall des LG hatte der Vermieter und Grundstückseigentümer (Kläger) die Hausverwaltungsgesellschaft mbH damit beauftragt, ein Objekt zu vermieten, das zur Nutzung als Restaurant und Biergarten diente. Am 11.7.11 konnte mit der Mieterin (Beklagten) ein schriftlicher Mietvertrag geschlossen werden. Im Vertrag wurde eine Mietzeit vom 15.7.11 bis zum 30.6.21 vereinbart. Für die Hausverwaltungsgesellschaft wurde der Mietvertrag von der Angestellten A unterzeichnet, die ihrer Unterschrift das Kürzel „i. A.“ voranstellte.

     

    Mit Schreiben vom 3.11.17 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis zum 30.6.18 und verlangt mit seiner Klage von der Mieterin, das Grundstück geräumt herauszugeben. Begründung: Der Mietvertrag habe die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform nicht beachtet. Daher sei der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und könne bereits vor dem vertraglich vorgesehenen Zeitablauf gekündigt werden. Die Mieterin ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam, da der Vertrag eine feste Laufzeit bis zum 30.6.21 habe.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG Berlin hat den Mieter verurteilt, das Objekt zu räumen und herauszugeben. Der Anspruch sei begründet, weil das Mietverhältnis gemäß § 580a BGB wirksam gekündigt worden sei. Der Mietvertrag sei nämlich nicht bis zum 30.6.21 befristet, sondern auf unbestimmte Zeit geschlossen, da die gemäß § 550 BGB vorgeschriebene Schriftform durch den Vertrag nicht eingehalten worden sei.

     

    • Leitsatz: LG Berlin 7.11.18, 26 O 66/18
    • 1. Die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform setzt nach § 126 BGB u. a. voraus, dass der Aussteller die Urkunde eigenhändig unterzeichnet. Dabei ist eine Stellvertretung zulässig.
    • 2. Der der Unterschrift vorangestellte Zusatz „i. A.“ macht deutlich, dass der Erklärende nur als Bote auftritt und keine eigene Erklärung als Vertreter abgeben möchte.
     

    Relevanz für die Praxis

    Nach § 550 BGB ist ein Mietvertrag schriftlich abzuschließen, wenn dessen Laufzeit länger als ein Jahr betragen soll. Fehlt die Schriftform, gilt er auf unbestimmte Zeit geschlossen.

     

    Der Mietvertrag ist schriftlich verfasst worden und von der A auch unterzeichnet worden. Auf den ersten Blick scheint das Schriftformerfordernis also beachtet worden zu sein.

     

    Checkliste / Was bedeutet Schriftform?

    Ist durch Gesetz für ein Rechtsgeschäft schriftliche Form vorgeschrieben, muss gemäß § 126 Abs. 1 BGB

    • eine Urkunde
    • von dem Aussteller
    • eigenhändig
    • durch Namensunterschrift oder
    • mittels notariell beglaubigten Handzeichens

     

    unterzeichnet werden.

     

     

    Regelmäßig fertig der Aussteller die Erklärung selbst im eigenen Namen an. Ist die Erklärung aber auch noch als „eigenhändig“ zu qualifizieren, wenn Dritte bei der Abgabe der Erklärung mitwirken?

     

    In der Praxis sind für die Unterzeichnung nicht immer alle erforderlichen Personen verfügbar, sodass sich die Frage stellt, wie einer der Beteiligten in Vertretung für die anderen unterzeichnen muss, um die Schriftform zu erfüllen. Unterschreibt der Vertreter nach dem Wortlaut des § 126 Abs. 1 BGB mit seinem Namen, muss die Unterzeichnung im Namen des Vertretenen in der Urkunde zum Ausdruck kommen, die Stellvertretung muss also offenkundig werden.

     

    MERKE | Angaben darüber, woraus der Unterzeichner seine Vertretungsmacht herleitet, sind zur Wahrung der Schriftform nicht erforderlich. Ob der Vertreter Vertretungsmacht gehabt hat, ist keine Frage der Schriftform, sondern der Wirksamkeit des Vertrags.

     

    Der BGH (19.9.07, XII ZR 121/05, Abruf-Nr. 073180) hat dabei deutlich gemacht, dass ein bloßer Hinweis auf eine Bevollmächtigung ausreicht (z. B. durch den Zusatz „i. V.“), ohne dass es einer näheren Kennzeichnung des Vertreterverhältnisses bedarf. Ein zusätzlicher Vertretungszusatz ist nicht erforderlich, wenn die Vertretung der Vertragspartei durch die den Vertrag unterzeichnende Person auf andere Weise hinreichend deutlich wird, z. B.

     

    • im Text der Urkunde (etwa bei Festlegung der Vertretungsverhältnisse im Vertrag selbst),
    •  
    • Musterformulierung / Festlegung des Vertretungsverhältnisses

      ... der ... (Vermieter), vertreten durch die Hausverwaltungs-GmbH, diese vertreten durch Martina Musterfrau, ...

       
    • bei Geschäftsbriefen im Briefkopf oder
    • bei Organen einer im Register eingetragenen juristischen Person oder Handelsgesellschaft.

     

    Im Fall des LG hatte die bei der GmbH angestellte A den Vertrag mit dem Zusatz „i. A.“ unterzeichnet. Das genügt nach Auffassung des LG nicht für eine wirksame Stellvertretung.

     

    Das entscheidende Moment: Wenn der Unterzeichner seine Unterschrift mit dem Kürzel „i. A.“ versehe, sei nicht davon auszugehen, dass er die Verantwortung für den Inhalt des Vertrags übernommen habe. Vielmehr könne seine Erklärung nur als die eines Erklärungsboten verstanden werden. Der Zusatz „i. A“ mache deutlich, dass es sich bei dem Unterzeichnenden nicht um jemanden handele, der eine eigene Erklärung als Vertreter abgeben wolle.

     

    Das LG differenziert also zwischen einem Vertreter und einem Boten. Danach kann nur ein Vertreter (i. V.) für den Vertretenen eine wirksame formbedürftige Erklärung abgeben. Dem Boten (i. A.) ist hingegen eine solche Möglichkeit versagt, da dieser nur eine fremde Erklärung überbringt. Die Schriftform erfordert aber eine eigenhändige Unterschrift des Ausstellers, also von demjenigen, von dem die Erklärung auch stammt.

     

    MERKE | Stellvertreter ist derjenige, der für einen anderen eine eigene Willenserklärung abgibt. Der Bote überbringt eine fremde Erklärung. Der Stellvertreter kann eigenständig entscheiden. Er hat also einen Handlungsspielraum. Der Bote ist hingegen an seinen Auftrag gebunden, er darf davon nicht abweichen.

     

    Im vorliegenden Fall hat das LG Berlin keine Anhaltspunkte für einen Vertretungswillen der handelnden Person erkannt. Lassen sich die dafür maßgeblichen Umstände aus der Urkunde nicht entnehmen, mangelt es nach Auffassung des Gerichts an der eigenhändigen Erklärung des Ausstellers und somit an der erforderlichen Form. Im Ergebnis führt dies gemäß § 550 BGB nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags, aber dazu, dass dieser auf unbestimmte Zeit läuft. Somit musste der Vermieter nicht auf den vereinbarten Fristablauf im Jahre 2021 warten, sondern konnte mit der ordentlichen Kündigungsfrist bereits zum 30.6.18 kündigen. Der Räumungsklage war daher stattzugeben.

     

    In vergleichbaren Fällen differenziert die Rechtsprechung: So hat das BAG auch in Gestalt des Zusatzes „i. A.“ einen Vertretungswillen erkannt, wenn dieser in der Urkunde jedenfalls andeutungsweise (zusätzlich) Ausdruck gefunden hat (BAG MDR 08, 572). Dementgegen haben (hier) das LG Berlin, das LAG Mainz (DB 08, 821) und das ArbG Hamburg (ArbRB 07, 72) nach Auslegung des konkreten Falls eine mit dem Zusatz „i.A.“ unterschriebene Kündigung als formunwirksam qualifiziert.

     

    Selbst wenn ein Vertretungswille des Unterzeichnenden erkennbar wird ‒ das Rechtsgeschäft somit der Form entspricht ‒ ist bei Erklärungen des Vertreters auf § 174 BGB zu achten. Auch hier werden immer wieder vermeidbare Fehler produziert. Tätigt nämlich ein Vertreter ein einseitiges Rechtsgeschäft (z. B. eine Kündigung), ist dieses Rechtsgeschäft gemäß § 174 S. 1 BGB unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt und der Empfänger das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.

     

    • Beispiel

    Die G-GmbH möchte den Mietvertrag mit Vermieter V fristgerecht zum Jahresende 2019 unter Einhaltung der vertraglich vorgesehenen Jahresfrist kündigen. Am 21. 12.18 unterzeichnet der für die Immobilienverwaltung der G-GmbH zuständige Abteilungsleiter A die Kündigung mit dem Zusatz „i. V.“ und seiner Funktionsbezeichnung. Die Kündigung geht dem V am 27.12.18 zu. Am 29.12.18 fertigt V ein Schreiben, in dem er die Kündigung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach § 174 S. 1 BGB zurückweist. Das Schreiben geht der GmbH am 2.1.19 zu. Die Kündigung ist dann nach § 174 S. 1 BGB unwirksam. Die G-GmbH kann fristgerecht erst wieder zum Jahresende 2020 kündigen.

     

    FAZIT | Rechtsgeschäftliche Erklärungen, die der Schriftform bedürfen, müssen grundsätzlich vom Aussteller eigenhändig unterzeichnet werden. Dabei kann ein Vertreter zur Unterzeichnung bevollmächtigt werden. Der Vertretungswillen muss aus der Erklärung erkennbar werden. Dies kann regelmäßig durch das Kürzel „i. V.“ erfolgen. Der der Unterschrift vorangestellte Zusatz „i. A.“ spricht für die Erklärung eines Boten, dessen Erklärung keine wirksame eigenhändige Erklärung begründen kann.

     

    Gibt der Vertreter eine einseitige Willenserklärung ab, ist es ratsam, der Erklärung eine Vollmachtsurkunde beizufügen. Andernfalls kann der Empfänger durch Zurückweisung die Erklärung unwirksam werden lassen.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2019 | Seite 141 | ID 46000729