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  • · Fachbeitrag · Vergütungsvereinbarung

    OLG München bestätigt „Mandantenfalle“

    | Das RVG bietet nicht für alle Konstellationen eine auskömmliche Vergütung. Aus diesem und weiteren Gründen kann es daher sinnvoll sein, eine vom RVG abweichende, höhere Vergütung zu vereinbaren. Der Rechtsanwalt trägt allerdings das Risiko, dass diese Vergütungsvereinbarung vor dem AGB-Recht Bestand hat. Eine für den Anwalt üppige Regelung, die auch als „Mandantenfalle“ gescholten wird (Schons, AnwBl. 17, 280), hat jetzt das OLG München bestätigt. |

     

    Sachverhalt

    Der Mandant beauftragte den Anwalt, einen Spezialisten im Arbeitsrecht, den Entwurf eines Geschäftsführeranstellungsvertrags zu prüfen. Beide vereinbarten einen Stundensatz von 290 EUR netto, mindestens aber das Zweifache der gesetzlichen Vergütung nach dem RVG einschließlich RVG-VV.

     

    Nach einer zweieinhalb- bis dreistündigen Beratung übersandte der Anwalt den überarbeiteten Entwurf des Geschäftsführervertrags mit einer erläuternden E-Mail. Der Gesamtaufwand soll acht bis zehn Stunden nicht überschritten haben. Die Kostennote des Anwalts schloss mit knapp 50.000 EUR brutto, ausgehend von einer zweieinhalbfachen Geschäftsgebühr.

     

    Der Mandant wies den Vergütungsanspruch zurück. Die Vereinbarung sei nach §§ 305 ff. BGB unwirksam. Mangels hinreichender Kostenaufklärung könne er auch mit einem Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe aufrechnen. Das LG hat die Vergütung auf der Grundlage eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer auf 15.568,53 EUR festgesetzt.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG sah keinen Anlass, die Vergütungsvereinbarung zu beanstanden. Seine Auffassung kann wie folgt zusammengefasst werden:

     

    • Leitsatz: OLG München 30.11.16, 15 U 1298/16
    • 1. Die durch AGB getroffene Regelung in einer Vergütungsvereinbarung, dass der Rechtsanwalt mindestens das Zweifache der gesetzlichen Gebühren erhält, ist weder überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB, noch verstößt sie gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
    • 2. Die Vereinbarung einer Vergütung in Höhe des Zweifachen der gesetzlichen Vergütung ist regelmäßig nicht unangemessen hoch i. S. v. § 3a Abs. 2 S. 1 RVG.
    • 3. Der Anwalt ist trotz Nachfrage des Mandanten nicht verpflichtet, vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären, wenn eine seröse Berechnung zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war. Ohne eine weitere Nachfrage des Mandanten muss er auch im Folgenden nicht über die voraussichtlichen Kosten aufklären, selbst wenn er sie dann ermitteln kann.
     

    Das OLG hat die Vergütungsvereinbarung also zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Die wesentlichen Argumente des OLG hierfür sind:

     

    • Die Vergütungsvereinbarung sei nicht (form-)fehlerhaft im Sinne der § 4b S. 1, § 3a Abs. 1 S. 1 und 2 RVG. Sie sei ausdrücklich als Vergütungsvereinbarung bezeichnet; auch sei sie von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt und nicht in der Vollmacht enthalten (§ 3a Abs. 1 S. 2 RVG). Sie enthalte nur Regelungen, die die Vergütung beträfen, während die „anderen Vereinbarungen“ (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 3a Rn. 10) im gesonderten Dokument „Mandatsbedingungen“ enthalten seien. Textform (§ 3a Abs. 1 S. 1 RVG) sei ebenfalls gewahrt. Durch Übersendung der Vergütungsvereinbarung per E-Mail habe der Anwalt seine auf Abschluss der Vereinbarung gerichtete Willenserklärung in Textform gemäß § 126b BGB abgegeben. Dies schließt das im Text der begleitenden E-Mail enthaltene Angebot eines Rabatts von 10 Prozent ein. Der Mandant hat seine Willenserklärung, mit der er die Vergütungsvereinbarung angenommen hat, ebenfalls in Textform abgegeben, nämlich per E-Mail. Die beigefügte Vergütungsvereinbarung hatte der Mandant unterschrieben. Auch der von § 3a Abs. 1 S. 3 RVG vorgeschriebene Hinweis auf die begrenzte Kostenerstattung war in der Vergütungsvereinbarung enthalten.

     

    • Die Mindesthonorarklausel sei Vertragsbestandteil geworden (§ 305 Abs. 2, § 305c Abs. 1 BGB) und nicht gemäß § 307, § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB unwirksam. Es handele sich auch nicht um eine überraschende Klausel im Sinn des § 305c Abs. 1 BGB. Neben der objektiven Ungewöhnlichkeit fehle es am Überraschungsmoment. Dieses ergebe sich nicht aus der Nachfolge von Zeit- und Mindesthonorar.

     

    • Die Klausel verstoße auch nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Dieses erfordert, dass die Klausel wirtschaftliche Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Eine Verpflichtung des Anwalts, den Mandanten ungefragt über die voraussichtliche Höhe der gesetzlichen Gebühren aufzuklären, besteht aber nicht. Gleiches gilt für den voraussichtlich anfallenden Zeitaufwand des nach einer Zeithonorarvereinbarung abrechnenden Anwalts. Ausreichend für die Transparenz der ABG ist, dass diese klar und präzise darstellen, nach welchen Maßstäben sich die geschuldete Vergütung bestimmt. Die erforderliche klare Darstellung der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien enthält die Mindesthonorarklausel, indem sie mit dem Wort „mindestens“ eindeutig und präzise bestimmt, dass der Anwalt das vereinbarte Zeithonorar enthält, mindestens aber das Zweifache der gesetzlichen Vergütung.

     

    • Die Mindesthonorarvereinbarung stelle auch nicht aus anderen Gründen eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten im Sinne des § 307 BGB dar. Insbesondere sei sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), vereinbar. Eine Zeithonorarvereinbarung als solche ist - auch formularmäßig - zulässig (z. B. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 3a Rn. 65). Gleiches gelte für die Vereinbarung eines Mehrfachen der gesetzlichen Gebühren, die - jedenfalls bei einer Vereinbarung des Zweifachen - ebenfalls zulässig ist (Hartmann, KostG, 43. Aufl., RVG § 3a Rn. 26, 30).

     

    Der Höhe nach hat das OLG auf die Berechnung des LG abgestellt. Dieses hatte nach einem Gutachten der Rechtsanwaltskammer eine 2,0-Geschäftsgebühr (statt 2,5) als angemessen erachtet. Die Angelegenheit sei so schwierig gewesen, dass die 1,3-Schwellengebühr habe überschritten werden dürfen. Die weitere Berechnung war nicht im Streit. Gleichwohl lag das LG rund 30.000 EUR unterhalb der Berechnung des Rechtsanwalts.

     

    Die vereinbarte Vergütung in Höhe des Zweifachen der gesetzlichen Vergütung sei dann auch nicht unangemessen hoch im Sinne des § 3a Abs. 2 S. 1 RVG. Ist eine vereinbarte, eine nach § 4 Abs. 3 S. 1 von dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer festgesetzte oder eine nach § 4a für den Erfolgsfall vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch, kann sie danach im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden. Die Frage der Unangemessenheit nach § 3a Abs. 2 RVG ist unter dem allgemeinen Gesichtspunkt des § 242 BGB zu beurteilen, also danach, ob sich das Festhalten an der getroffenen Vereinbarung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als unzumutbar und als ein unerträgliches Ergebnis darstellt (BGH NJW 11, 63). Das verneint das OLG. Es betont den Umstand, dass sich beim Zusammentreffen eines hohen Gegenstandswerts einerseits und eines unterdurchschnittlichen Zeitaufwands andererseits bei einer Division der gesetzlichen Vergütung durch die aufgewandte Arbeitszeit des Rechtsanwalts arithmetisch ein sehr hoher „Stundenlohn“ weit über den vorliegenden Fall hinaus ergeben kann, was das Gesetz bewusst in Kauf nehme. Das Haftungsrisiko sei ebenfalls zu sehen.

     

    Letztlich könne der Mandant vom Anwalt nicht verlangen, wegen unterlassener Aufklärung über das Eingreifen des Mindesthonorars oder über die Höhe des Honorars die vereinbarte Vergütung nicht bezahlen zu müssen. Der Anwalt schulde ihm hieraus keinen Schadenersatz gemäß § 280 BGB, denn er habe insoweit keine (vorvertraglichen) Pflichten (§ 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB) verletzt. Ob eine anwaltliche Pflicht bestehe, den Auftraggeber vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären, hänge entscheidend davon ab, ob der Anwalt nach den Umständen des Einzelfalls ein Aufklärungsbedürfnis erkennen konnte und musste (BGH NJW 98, 3486). Ein Verlangen des Auftraggebers, ihm die voraussichtliche Höhe des Entgelts mitzuteilen, könne eine solche Pflicht auslösen. Danach bestehe hier keine Aufklärungspflicht. Eine seriöse Berechnung der voraussichtlichen Vergütung sei dem Rechtsanwalt vor dem Vertragsschluss nicht möglich gewesen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist sehr anwaltsfreundlich. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob die obergerichtliche Rechtsprechung sie akzeptiert. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Grundsätze hätten höchstrichterlich geklärt werden können. Die Revision wurde jedoch nicht zugelassen und von der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde kein Gebrauch gemacht. Der Rechtsanwalt, der künftig seine Vergütungsvereinbarung an den Grundsätzen des OLG ausrichtet, wird sich also noch nicht ganz sicher fühlen können.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2017 | Seite 103 | ID 44683529