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  • · Vertragsrecht

    Kann ein Emoji eine Willenserklärung darstellen?

    Bild: © Latief - stock.adobe.com / KI-generiert

    | Moderne Kommunikation hat ihre Tücken, wie ein Fall des OLG München zeigt. Wird nicht konsequent die schriftliche Form eingehalten, sondern ‒ auch ‒ über E-Mail und Messengerdienste (WhatsApp, Threema etc.) kommuniziert und werden dabei nicht nur Buchstaben und Zahlen, sondern auch Bilder, Formen und Emojis genutzt, stellt sich die Frage nach dem Erklärungswert solcher Nachrichten. |

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Neuwagenkauf eines Pkw nach beiderseitigen Rücktritten vom Kaufvertrag. Der Kläger begehrt mit der Klage die Rückzahlung der von ihm geleisteten Vorschusszahlung von 59.500 EUR. Der Beklagte macht mit der Widerklage einen Schadenersatzanspruch geltend, da er im Rahmen des aufgrund der Nichtabnahme des Pkw durch den Kläger erforderlichen Weiterverkaufs einen Verlust von 103.616 EUR gemacht habe. Dieser Schaden übersteige den Rückzahlungsanspruch des Klägers um 44.116 EUR.

     

    Die Parteien handelten jeweils als Unternehmer. Im Kaufvertrag vom November 2020 wurde ein „Liefertermin 2./3. Quartal 2021 (unverbindlich)“ vereinbart, wobei eine Anmahnung der Lieferung erst möglich sein sollte, wenn der unverbindliche Liefertermin um zwei Quartale überschritten ist. Andererseits wurde ein Aufpreis auf den Kaufpreis von 80.000 EUR unstreitig zumindest auch für eine zeitnahe Lieferung des Pkw vereinbart. Es wurde die Geltung der AGB des Herstellers sowie eine Änderung des Vertrags nur per Schriftform vereinbart.

     

    Die Parteien führten dann eine umfangreiche Konversation mit Textnachrichten über WhatsApp. Darin teilte der Autohändler mit, dass die Lieferung sich auf das erste Halbjahr 2022 verschiebe, worauf der Käufer antwortete „Ups“, ein Emoji anhängte 😬 und etwas Schriftliches zur Bestellung verlangte, worum sich der Verkäufer kümmern wollte. Die Beklagte sandte ihm dann die Konfiguration, worauf der Kläger wieder mit einem Emoji 👍 antwortete.

     

    Am 27.1.22 sandte der Kläger eine WhatsApp-Nachricht mit dem Inhalt: „Erstes Halbjahr hat angefangen. 😄 schon ein Lebenszeichen von Ferrari, wann mit dem Auto zu rechnen ist?“ Darauf nannte der Verkäufer den 9.5.22, was der Käufer bestätigte. Am vermeintlichen Liefertag wurde ihm aber mitgeteilt, dass in dem Fahrzeug die falschen Batterien eingebaut seien und die Auslieferung unbestimmt sei. Der Käufer erklärte nun, dass der Verkäufer schon seit März 2022 in Verzug sei und er ihm nun eine Nachfrist zur Lieferung bis zum 24.5.22 setze und sich vorbehalte, danach vom Vertrag zurückzutreten. Der Verkäufer wies dies zurück, worauf der Kläger nach einer noch mal verlängerten Frist ohne Lieferung vom Vertrag zurücktrat und seine Vorleistungen zurückverlangte. Im Gegenzug verlangte der Verkäufer den Kaufpreises von rd. 620.000 EUR Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs im August 2022. Später wurde der Kaufpreis gesenkt, bis auch der Händler zurücktrat und die Differenz zum Veräußerungserlös als Schadenersatz verlangte. Das LG hat die Rückzahlungsklage abgewiesen und der Schadenersatzklage stattgegeben.

    Entscheidungsgründe

    Das OLG sieht die Sachlage ganz anders, hält die Klage für begründet und die Widerklage des Händlers für unbegründet.

     

    • Leitsatz: OLG München 11.11.24, 19 U 200/24

    Kündigt der Kfz-Händler eine Lieferverzögerung für einen Neuwagen an und antwortet der Käufer darauf mit einem eine Grimasse schneidenden Emoji, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der Käufer mit der verzögerten Lieferung einverstanden ist (Abruf-Nr. 245344).

     

    Der Kläger hat aufgrund seines wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag eine Forderung gegen den Beklagten auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 59.500 EUR gemäß § 346 Abs. 1 BGB. Der Kläger habe wirksam sein Rücktrittsrecht nach § 349 BGB ausgeübt. Dem Kläger habe zu diesem Zeitpunkt auch aufgrund § 323 BGB ein Rücktrittsrecht zugestanden, da der Beklagte seine aufgrund des Kaufvertrags geschuldete, fällige Leistung nicht erbracht habe. Es liege eine vertragliche Pflichtverletzung in der Leistungsverzögerung.

     

    Die Pflicht des Händlers zur mangelfreien Übergabe und Übereignung des Pkw nach § 433 Abs. 1 S. 1, 2 BGB sei mit Ablauf des 31.3.22 fällig gewesen. Mit der unverbindlichen Lieferzeit (2./3. Quartal) sei zugleich eine unechte Nachfrist von zwei Quartalen und damit bis zum Ende des 1. Quartals 2022 vereinbart worden. Danach konnte der Händler nach § 286 Abs. 1 BGB durch einfache Mahnung in Verzug gesetzt werden, wobei vor dem Hintergrund der unechten Nachfrist eine kurze Fristsetzung erlaubt war (BGH 7.10.81, VIII ZR 229/80).

     

    Der Händler wandte nun ein, dass der Käufer aufgrund des Chatverkehrs in eine Verlängerung der Lieferfrist bis zum 30.6.22 eingewilligt habe. Dem folgt das OLG München aber nicht:

     

    • Es sei bereits umstritten, ob WhatsApp-Mitteilungen bei rechtsgeschäftlich vereinbarter Schriftform ‒ wie hier ‒ die Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 S. 1 BGB erfüllen. Danach genügt zur Wahrung der schriftlichen Form, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung. Der Text muss so zugehen, dass er dauerhaft aufbewahrt werden oder der Empfänger einen Ausdruck anfertigen kann.

     

    • Zum Teil wird vertreten (OLG Frankfurt a. M., 21.12.23, 15 U 211/21), diesen Anforderungen entspreche die Übermittlung per Messenger nicht. Es fehle es an einer sicheren Möglichkeit der dauerhaften Archivierung und des Ausdrucks. Selbst der bloße Namenszusatz biete zudem nicht ohne Weiteres hinreichend sichere Gewähr, welche Person die Erklärung verantworte. Ferner sei zu berücksichtigen, dass ein Formerfordernis auch die erklärende Person warnen und vor übereilten Erklärungen schützen soll. Die typische Art der Benutzung eines Messengerdienstes stehe dem entgegen.

     

    • Die aus Sicht des OLG München vorzugswürdige Ansicht bejaht die Voraussetzungen der gewillkürten Schriftform nach § 127 Abs. 2 S. 1 BGB auch bei der Übermittlung einer Textnachricht oder eines Attachments in Gestalt einer Textverarbeitungs- oder PDF-Datei oder eines ausreichend guten Fotos per WhatsApp ‒ nicht jedoch bei einer WhatsApp-Sprachnachricht oder einem Video- oder Audio-Attachment (Schäfer, NJOZ 23, 1376; Wollenschläger in: BeckOK BGB, Stand: 1.9.24, § 127 BGB Rn. 54; Härting, Internetrecht, 7. Aufl., Rn. 534). Die Nachrichten seien dauerhaft in einer Cloud gespeichert und könnten nach einem kurzen Zeitfenster auch nicht mehr gelöscht werden. Die Ansicht sei überholt, dass Messengerdienste weit überwiegend nur zum raschen Austausch rein privater Nachrichten und gerade nicht zur Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen benutzt würden und dabei die Emotionalität privater Nachrichten und nicht das überlegte Handeln mit entsprechenden rechtlichen Konsequenzen im Vordergrund stünde.

     

    • Der Chatverlauf der Parteien weise aber vor allem nicht den vom Händler darin erblickten Inhalt auf. Insbesondere signalisierte der Käufer nach Ansicht des OLG nicht seine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung bis zum 30.6.22, insbesondere nicht mit den von ihm verwendeten Emojis.

     

    Das Zustandekommen einer den ursprünglichen Kaufvertrag hinsichtlich des Liefertermins und der unechten Nachfrist abändernden Abrede zwischen den Parteien setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen in Gestalt von Antrag (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB) voraus. Willenserklärungen können sowohl ausdrücklich ‒ mündlich oder schriftlich ‒ als auch konkludent erfolgen, also durch schlüssiges Verhalten. Bei Nachrichten, die per Messengerdienst gesendet werden, handelt es sich um elektronisch übermittelte Willenserklärungen (MüKo/Säcker, BGB, 9. Aufl, Einl. Rn. 209). Auch elektronische Erklärungen sind echte Willenserklärungen (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl., Einf. v. § 116 Rn. 1). Diese unterliegen den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre. Der Erklärende kann seinen Willen mittels Zeichen kundtun, also auch durch digitale Piktogramme (z. B. Emojis). Diese werden häufig genutzt, um eine Aussage zu unterstreichen oder zu verstärken oder sollen klarstellen, in welchem Sinne etwas zu verstehen ist (z. B. ironisch). In dieser Funktion erfüllen Emojis im digitalen Diskurs ähnliche Funktionen wie Intonation, Gestik, Mimik und andere körpersprachliche Elemente in realen Gesprächen (Pendl, NJW 22, 1054). Teilweise werden aber auch Worte innerhalb eines Satzes durch ein Emoji ersetzt.

     

    Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen ausdrücken oder nur seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, ist Auslegungsfrage (Freyler, JA 18, 732). Emojis besitzen als Zeichen Interpretationsmöglichkeiten, die heranzuziehen sind; dabei spielen aber nur solche eine Rolle, die der Empfänger auch verstehen kann (Freyler, a. a. O.).

     

    Umstände, die dem Erklärungsempfänger weder bekannt noch erkennbar waren, bleiben außer Betracht (BGH 5.10.06, III ZR 166/05: Ellenberger, a. a. O., § 133 Rn. 9). Nationalität und Muttersprache, kultureller Hintergrund sowie Alter, Geschlecht oder Persönlichkeitsstruktur können sowohl die Nutzung als auch das Verständnis von Emojis beeinflussen, wobei sich besonders deutliche Einschnitte zwischen den Altersgruppen ergeben (Pendl, NJW 22, 1054). Emojis bergen somit die Gefahr von Missverständnissen und Fehlschlüssen, weil die verwendeten Symbole ggf. auf einem spezifischen „Emoji-Soziolekt“ beruhen, der bloß innerhalb einer bestimmten Gruppe existiert.

     

    MERKE | Es ist zu fragen, wie ein verständiger Empfänger der Nachricht die Willenserklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte, §§ 133, 157 BGB. Dabei können die Begleitumstände zu berücksichtigen sein, soweit diese einen Anhaltspunkt für den Sinngehalt des Erklärten bieten. Zur Bestimmung des Bedeutungsgehalts von Emojis kann der Rechtsanwender gegebenenfalls Emoji-Lexika zurate ziehen. Hinweise auf das Verständnis eines Emojis können auch aus dem Begleittext folgen.

     

    Ausgehend davon ist ‒ so das OLG ‒ die Verwendung des Emojis mit einem Grimassen schneidenden Gesichts in der WhatsApp-Nachricht des Käufers nicht als Zustimmung zur Aussage des Beklagten in der Nachricht zuvor zu werten, „Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022.“ Der sog. „Grimassen schneidendes Gesicht“-Emoji stellt negative oder gespannte Emotionen dar, besonders Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen oder Peinlichkeit. Dass die Parteien ‒ individuell oder aus Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ‒ diesem eine davon abweichende Bedeutung beimaßen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem ist der spezifische Kontext zu berücksichtigen, in dem der Emoji verwendet wurde. Der daneben vom Kläger verwendete Ausdruck „Ups“ ist allenfalls als Ausruf der Überraschung oder des Erstaunens zu werten, keinesfalls ist damit eine zustimmende Aussage verbunden. Die folgende Aussage des Klägers ändert daran nichts mehr.

    Relevanz für die Praxis

    Zwar signalisiert der sog. „Daumen hoch“-Emoji regelmäßig Zustimmung, Einverständnis oder Anerkennung. Die Nachricht bezog sich aber ersichtlich nicht mehr auf die erste Nachricht des Beklagten, sondern auf die dazwischen geführte Konversation um die Umstände der Verbindlichkeit der Bestellung des Pkw und dessen Konfiguration ‒ und in keiner Weise auf den Liefertermin. Auch die klägerische WhatsApp-Nachricht mit dem Emoji „Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“ sei mangels Eindeutigkeit keine Zustimmung. Er vermittelt oft allgemeine Freude, Glücksgefühle, eine warme, positive Stimmung oder gutmütige Belustigung, kann aber auch Stolz oder Aufregung vermitteln. Außerdem war er eingebettet in folgende Nachricht: „Erstes Halbjahr hat angefangen. Schon ein Lebenszeichen von Ferrari, wann mit dem Auto zu rechnen ist?“ Dass dadurch zum Ausdruck kommen soll, dass der Kläger nun mit einer Verlängerung der Lieferfrist für den Pkw bis zum 30.6.22 sein Einverständnis zum Ausdruck gebracht habe, ergibt sich ebenfalls nicht.

     

    Die weitere Verzugsbegründung sei dann nicht infrage zu stellen. Hinweise des Händlers auf „höhere Gewalt“ und sein fehlendes Verschulden lässt das OLG nicht durchgreifen. Dabei verweist es auf die beträchtliche Zahlung von 80.000 EUR für zeitnahe Lieferung. Damit trüge der Händler das Lieferungsrisiko zumindest durch die vertragliche Übernahme. Auch sei die Nachfrist von drei Wochen nach den Umständen des Einzelfalls nicht unangemessen gewesen. Nur bei den geforderten Zinsen hatte das OLG Bedenken. Da es sich bei dem Rückzahlungsanspruch nicht um eine Entgeltforderung handele, seien Zinsen nur i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu fordern.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2025 | Seite 43 | ID 50314173