· Fachbeitrag · Zahlungsdienste
Anschlussinhaber haften nicht automatisch für die Kosten von Mehrwertdiensten
| Wer sich in der digitalen Welt bewegt, ist so manches Mal gezwungen, für Leistungen zu zahlen. Die Onlineanbieter versuchen, eine immer breitere Auswahl von Bezahldiensten zur Verfügung zu stellen, um den Zugang zu ihren Leistungen besonders einfach zu gestalten. Das Problem liegt darin, dass sich Anbieter und Nutzer nicht gegenüberstehen. Die Verifizierung der handelnden Personen stellt sich also als Problem dar. Die Lösung, eine Zurechnung zum formellen Inhaber eines Internet- oder eines Telefonanschlusses, ist nicht ohne Tücken, wie eine aktuelle Entscheidung des BGH zeigt. |
Sachverhalt
Eine Telefongesellschaft macht aufgrund einer Einziehungsermächtigung im eigenen Namen gegenüber der Inhaberin eines Festnetztelefonanschlusses einen Anspruch auf Vergütung für die Nutzung von 0900er-Nummern geltend, die von einem Dritten unterhalten werden. Der minderjährige Sohn der Inhaberin hatte im Gegenwert von 1.253,93 EUR die kostenpflichtigen Rufnummer zum Ankauf von „Credits“ für ein Computerspiel kontaktiert.
Entscheidungsgründe
Das AG hat der Klage, bestätigt durch das LG, stattgegeben, was der BGH aber abweichend beurteilt hat. Streitig waren die Voraussetzungen von § 45i Abs. 4 S. 1 TKG i.V.m. § 675c BGB, die der BGH nicht als erfüllt ansah.
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§ 45i Abs. 4 S. 1 TKG findet auf Zahlungsdienste keine Anwendung, auch wenn die Zahlung über eine Premiumdienstnummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll. Eine solche Nutzung des Telefonanschlusses durch einen Dritten wird dem Anschlussinhaber deshalb nicht über § 45i Abs. 4 S. 1 TKG zugerechnet (Abruf-Nr. 193629). |
Zunächst liegt aus Sicht des BGH ein Zahlungsdienstevertrag im Sinne von § 675c Abs. 1 BGB vor. Ein Zahlungsdienst kann nach § 675c Abs. 3 BGB i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 5 ZAG auch vorliegen, wenn die Zustimmung des Zahlers zur Ausführung des Zahlungsvorgangs über das Telefon übermittelt wird und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen soll. Der Zahlungsdienstleister verpflichtet sich durch den Vertrag, einen Zahlungsvorgang auszuführen (§ 675f Abs. 1 BGB), der hier darin lag, das Entgelt für die Zusatzfunktionen an die Spielebetreiberin zu übermitteln. Der Zahlungsdienstnutzer ist im Gegenzug zum Ersatz der Aufwendungen nach § 675c Abs. 1, § 670 BGB oder zur Zahlung eines Vorschusses nach § 675c Abs. 1, § 669 BGB verpflichtet. Daneben kann er - abhängig von der Vereinbarung zwischen ihm und dem Zahlungsdienstleister - verpflichtet sein, ein Entgelt für die Zahlungsdienstleistung zu entrichten (§ 675f Abs. 4 BGB).
Bei dem hier geltend gemachten Anspruch handelt es sich um einen Aufwendungsersatz- oder Vorschussanspruch, gerichtet auf Erstattung des an die Spielebetreiberin bereits gezahlten oder noch zu zahlenden Betrags, nicht jedoch um ein seitens des Zahlungsdienstnutzers geschuldetes Entgelt für die Erbringung der Zahlungsdienstleistung. Denn Gegenstand des Rechtsstreits ist nicht ein bei der Zahlungsdienstleisterin verbleibendes, von dem Zahlungsdienstnutzer geschuldetes Entgelt für die Durchführung der Zahlungsdienstleistung, sondern ein Betrag in Höhe des Preises der „Credits“, der im Verhältnis zu dem Zahlungsdienstnutzer von dem beauftragten Zahlungsdienstleister als Gegenstand des geschuldeten Zahlungsvorgangs nach § 675q Abs. 1 BGB ungekürzt weiterzuleiten ist.
Das Problem liegt in folgenden Fragen: Kann die Handlung des Minderjährigen der Anschlussinhaberin zugerechnet werden? Wird mittelbar der Minderjährigenschutz unterlaufen und wem muss dies zugerechnet werden? Nach dem BGH fehlt es zunächst an jeder Vollmacht:
- Eine ausdrückliche Vollmachterteilung war bestritten und nicht bewiesen.
- Eine Duldungsvollmacht scheiterte an der fehlenden Kenntnis von der Nutzung der Zahlungsmöglichkeit durch den Sohn und dem Einverständnis der Anschlussinhaberin hiermit.
- Auch eine Anscheinsvollmacht war zu verneinen, weil es an dem erforderlichen Vertrauenstatbestand fehlte. Sie ist anzunehmen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters, anders als bei der Duldungsvollmacht, zwar nicht kennt, es jedoch bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere darauf vertraut hat und vertrauen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters.
MERKE | Dem BGH hat es nicht genügt, dass die Anschlussinhaberin schon eine Vorrechnung erhalten habe, auf der eine Belastung mit Kosten einer 0900-Nummer stattgefunden habe, ohne dass dann die Nutzung dieser Nummer unterbunden wurde. Die tatsächliche Nutzung sei erst aus einem Einzelverbindungsnachweis zu ersehen gewesen. Auch könne allein aus einem Rechnungsausgleich - der im konkreten Fall nicht einmal vollständig erfolgt war - nicht auf ein Einverständnis mit dem Tun des Sohnes geschlossen werden. Ergo: Es kommt auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.
Etwas anderes ergibt sich nach dem BGH auch nicht aus § 45i Abs. 4 S. 1 TKG, weil die Norm hier nicht anwendbar sei. Danach hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer, wenn dieser nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann. Der der Anscheinsvollmacht zugrunde liegende Gedanke, nach dem ein Teilnehmer am Rechtsverkehr für das seiner Risikosphäre zuzurechnende Verhalten Dritter einstehen muss, ist hierdurch nach dem BGH zwar über die herkömmlichen Fallgruppen hinaus anwendbar. Auf einen Zahlungsdienstauftrag und die sich hieraus ergebenden Ansprüche des Dienstleisters gegen den Nutzer ist diese Regelung indes nicht anzuwenden, auch wenn die Zahlung über eine Premiumdienstnummer veranlasst wird und die Abrechnung nach der gewählten Bezahlmethode über die Telefonrechnung erfolgen soll:
- Hiergegen spreche bereits der Wortlaut der Vorschrift, da § 45i TKG als Adressaten der Regelung den Anbieter von Telekommunikationsdiensten und den Teilnehmer nenne. Im Verhältnis zur Inhaberin ist der Anspruchsinhaber aber nicht Anbieterin von Telekommunikationsdiensten - diese macht die Forderung nur aufgrund einer Einzugsermächtigung geltend -, sondern von Zahlungsdiensten.
- Als Gegenargument sei auch der Regelungsort bei den Kundenschutzvorschriften für die Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten (legal definiert in § 3 Nr. 24 TKG) - aber nicht Zahlungsdiensten - zu sehen.
- Letztlich verdrängen die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen für nicht rechtsgeschäftlich autorisierte Zahlungsvorgänge § 45i Abs. 4 S. 1 TKG. Nach § 675u S. 1 BGB hat der Zahlungsdienstleister im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Diese Vorschrift enthält mithin eine spezielle Regelung für den Fall von durch den Berechtigten nicht gemäß § 675j BGB autorisierten, das heißt, ihm auch nach den allgemeinen Vertretungsregeln nicht zuzurechnenden Zahlungsvorgängen.
- Dies wird durch § 675v BGB bestätigt. Danach bestehen bei nicht autorisierter Zahlung auch bei missbräuchlicher Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments nur die dort geregelten Schaden-, nicht jedoch Aufwendungsersatzansprüche. Die Regeln über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge würden bei Anwendung von § 45i Abs. 4 S. 1 TKG auf durch die Inanspruchnahme eines Premiumdienstes veranlasste Zahlungsvorgänge unterlaufen.
Relevanz für die Praxis
Ob Schadenersatzansprüche, etwa nach § 675v BGB, im Hinblick auf die nicht autorisierte Nutzung des Telefonanschlusses in Betracht kommen, muss dann im jeweiligen Einzelfall geprüft werden. Im konkreten Fall des BGH waren solche Ansprüche nicht geltend gemacht.
Für Zahlungsdienstleister, die häufig dem Onlinedienst die Zahlung garantieren, stellt sich die Entscheidung des BGH als erhebliches Risiko für die Beitreibung der Zahlung dar. Sie gibt deshalb Anlass, die Grundsätze des BGH, nämlich die Nutzung eines autorisierten Zahlungsweges, der ein Vertrauen auf die Rechtswirksamkeit der Leistungsinanspruchnahme erlaubt, im Hinblick auf die genutzten Zahlungsdienste zu überprüfen.