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  • · Fachbeitrag · Zustellungsrecht

    Post haftet für fehlerhafte Zustellung

    Füllt der Zusteller die Zustellungsurkunde entgegen § 182 ZPO falsch aus, haftet für einen daraus entstehenden Schaden das mit der Zustellung beauftragte Unternehmen (OLG Hamm 18.6.14, 11 U 98/13, Abruf-Nr. 142624).

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin begehrte die Feststellung der Einstandspflicht für die Folgen einer angeblich fehlerhaften Durchführung der Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks. Ihr sollte in einem ausländischen Verfahren eine Klageschrift und eine Terminsladung durch das AG im Wege der Rechtshilfe zugestellt werden. Der Zusteller kreuzte auf der Postzustellungsurkunde an, die Postsendung in einen zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung geworfen zu haben. Beides gibt es am Geschäftslokal der Klägerin jedoch - was unstreitig ist - nicht. In der Folgezeit erging gegen die Klägerin ein Versäumnisurteil. Die dadurch verursachten zusätzlichen Kosten belaufen sich - wenn auch streitig - auf möglicherweise rund 12.000 EUR.

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Entscheidung des OLG ist für die Praxis bedeutsam, da immer wieder festzustellen ist, dass der Schuldner eine fehlerhafte Zustellung behauptet und die Zustellungsurkunde keinen Gegenbeweis zulässt, weil sie entweder unvollständig oder - nicht zu bestreitend - fehlerhaft ausgefüllt wurde. Hierdurch kann es zur Notwendigkeit einer erneuten Zustellung kommen, zu einer verzögerten Forderungsbeitreibung, zusätzlichen Kosten bei der Rechtsverfolgung oder sogar zu einem Rechtsverlust - etwa weil der Schuldner sich jetzt auf Verjährung berufen kann oder ein anderer Gläubiger wirksam eine nun vorrangige Pfändung ausgebracht hat. Dem Gläubiger entsteht also möglicherweise ein Schaden.

     

    Das OLG eröffnet nun - ungeachtet der Frage, ob der Schuldner materiell-rechtlich oder aufgrund prozessualer Kostenerstattungsvorschriften hierfür einstehen muss - einen Weg, diesen Schaden beim Zustellungsunternehmen zu liquidieren.

     

    MERKE | Anders als beim Schuldner wird hier regelmäßig von einer hinreichenden Leistungsfähigkeit auszugehen sein.

     

    Ein Postunternehmen, das Briefzustelldienstleistungen erbringt, ist nach § 33 Abs. 1 PostG verpflichtet, Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist das Postunternehmen mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet (beliehener Unternehmer). Grundlage des Schadenersatzanspruchs ist dann § 35 PostG.

     

    • Im Wortlaut: § 35 PostG

    Für Schäden, die durch eine Pflichtverletzung bei der Durchführung der förmlichen Zustellung entstehen, haftet der verpflichtete Lizenznehmer nach den Vorschriften über die Schadenersatzpflicht eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn für seine Bediensteten im hoheitlichen Bereich.

     

    In prozessualer Hinsicht hat das OLG keine Zweifel, dass eine Feststellungsklage zulässig ist. Das Zustellungsverhältnis begründet ein Rechtsverhältnis und die bestrittene Schadenersatzpflicht das Feststellungsinteresse (BGH NJW 86, 2507). Da die Mehrkosten durch das Versäumnisverfahren noch nicht abschließend feststehen, greift auch der Vorrang der Leistungsklage nicht.

     

    MERKE | Kann der Gläubiger seinen Schaden beziffern, muss er also Leistungsklage erheben. Ist ein Teil des Schadens bezifferbar, nicht aber der ganze Schaden, kann er auch gegebenenfalls teilweise Leistungsklage und im Übrigen eine Feststellungsklage erheben.

     

    Die Klägerin hat nach Ansicht des OLG aufgrund einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Postunternehmens des für sie handelnden Zustellers einen Schadenersatzanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. § 35 PostG.

     

    Das OLG prüft die einzelnen Tatbestandsvorrausetzungen der genannten Normen, wie es der Gläubiger vor Anspruchsstellung ebenfalls tun müsste:

     

    • Der Zusteller handelte bei dem von ihm beurkundeten Zustellungsvorgang als Beamter im Sinne des § 839 BGB. Anders als bei der Beförderung des Schriftstücks vom Absender bis in die Hand des Zustellers, bei der es sich um eine typische privatrechtliche postalische Leistung handelt, stellt die eigentliche Zustellung an den Empfänger ein hoheitliches Handeln dar. Das Postunternehmen ist nach der ausdrücklichen Regelung in § 35 PostG insoweit als beliehener Unternehmer anzusehen und mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet.

     

    • Es ist also unerheblich, dass die Zustellung durch ein privatrechtliches Unternehmen mit Postlizenz erfolgt.

     

    • Das Postunternehmen hat ihre - auch die Klägerin schützende - Pflichten aus § 33 Abs. 1 PostG verletzt. Aus § 33 Abs. 1 PostG folgt die Pflicht, Schriftstücke nach den Vorschriften der Prozessordnungen zuzustellen. Die nach § 182 Abs. 1 S. 1 ZPO anzufertigende Postzustellungsurkunde muss dabei die nach § 182 Abs. 2 ZPO erforderlichen Angaben enthalten. Die Angaben müssen vor allem im Hinblick auf die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde richtig sein.

     

    • Im Fall des OLG ist Kläger der Zustellungsempfänger. Genau wie dieser muss auch der Absender in den Schutzbereich des § 33 PostG einbezogen werden, der durch die Zustellung seine Rechte wahren will.

     

    • Die Postzustellungsurkunde war vorliegend inhaltlich nicht richtig ausgefüllt. Die aus ihr hervorgehende Übergabe durch Einwurf in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung ist nicht erfolgt. Denn eine derartige Empfangsvorrichtung für Postsendungen gibt es am Geschäftslokal der Klägerin nicht.

     

    • Die Urkunde ist auch nicht zugestellt worden. Das Postzustellungsunternehmen trägt insoweit die sekundäre Darlegungs- und Beweislast, nachdem die Klägerin nachgewiesen hat, dass die beurkundete Zustellung jedenfalls nicht so erfolgt ist. Dem hat es nicht genügt.

     

    • Die Pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft. Das Verschulden wird durch die offensichtlich unrichtige - und jedenfalls fahrlässig herbeigeführte -Beurkundung indiziert.

     

    • Der Klägerin ist durch den pflichtwidrigen Zustellungs- und Beurkundungsvorgang auch ein Schaden entstanden. Da es sich um eine Feststellungsklage handelte, konnte offen bleiben, in welcher Höhe er entstanden ist.

     

    • Dafür, dass der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Zustellung entstanden wäre, fehlt es ebenso an Anhaltspunkten wie für die Annahme, die Geschädigte hätte den Schaden durch ein Rechtsmittel oder in anderer Weise abwenden können.

     

    MERKE | Hier kann sich für den Gläubiger als Absender und Auftraggeber der Zustellung eine andere Situation ergeben, wenn er wegen einer veranlassten Parteizustellung über die Zustellungsurkunde verfügt. Diese muss zumindest auf Vollständigkeit geprüft werden. Wurde diese Prüfung versäumt, wird man eine Abwendungsmöglichkeit und ein Mitverschulden nicht in Abrede stellen können.

     
    • Der Anspruch scheitert, wenn es eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gibt. Im Fall des OLG war dies nicht so. Wenn der Gläubiger als Auftraggeber der Geschädigte ist, kommt als anderweitige Ersatzmöglichkeit die Befriedigung durch den Schuldner in Betracht. Aber gerade wenn diese fehlschlägt, etwa bei der gescheiterten Forderungspfändung und einem nun vorrangigen anderen Gläubiger, steht diese Voraussetzung der Ersatzpflicht des Postunternehmens nicht entgegen.

     

    Für die Praxis wird die Entscheidung weitreichende Folgen haben. Die Wirksamkeit von Zustellungen kann und muss nun nicht nur mit dem negativen Effekt von Rechtsnachteilen geprüft werden, sondern auch mit der Aussicht, einen Ersatzanspruch zu gewinnen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zustellung stets aktiv kontrollieren, FMP 10, 36
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 173 | ID 42925205