· Fachbeitrag · Gläubigerverzeichnis
Umfang des Gläubigerverzeichnisses bei unbestimmten Forderungen
Der wegen einer Straftat verurteilte Schuldner muss in seinem Gläubigerverzeichnis die möglichen Forderungen seiner Opfer auch angeben, wenn diese ihre Forderungen noch nicht konkret beansprucht haben. Vom Schuldner wird insoweit auch nichts Unzumutbares verlangt, da er auch ohne dass von Seiten des Gläubigers bereits konkrete Forderungen angemeldet worden sind, anhand des Strafurteils bzw. der Anklageschrift den Gläubiger ermitteln und zur ungefähren Höhe der Ansprüche Stellung nehmen kann (LG Memmingen 28.1.13, 43 T 106/13, Abruf-Nr. 140329). |
Sachverhalt
Der Schuldner stellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden mit dem Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten gemäß § 4a InsO. Das AG wies den Schuldner darauf hin, dass er die Opfer seiner Straftaten (Brandstiftung, Körperverletzung) im Gläubigerverzeichnis nicht als Gläubiger angegeben habe und ein unvollständiges Gläubigerverzeichnis zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen kann, was eine Stundung der Verfahrenskosten nicht ermögliche. Auf das Schreiben des Schuldners, dass derzeit keine Ansprüche aus den Straftaten geltend gemacht werden, wurde der Schuldner erneut darauf hingewiesen, dass er auch für diesen Fall die Opfer seiner Straftaten als Gläubiger angeben müsse. Der Schuldner ist dem entgegengetreten und hat sein Gläubigerverzeichnis nicht ergänzt. Das AG hat daraufhin den Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Schuldners, der das AG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Nach gefestigter Rechtsprechung ist nach § 4 a Abs. 1 S. 3 InsO die Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens nicht nur in den Fällen des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO zu versagen, sondern auch wegen der anderen in § 290 Abs. 1 InsO aufgeführten Versagungsgründe. Liegt ein Verstoß des Schuldners gegen seine Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor oder reicht er ein unrichtiges Gläubigerverzeichnis (§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO) ein und sind diese Tatsachen leicht feststellbar und offensichtlich, ist die beantragte Stundung zu versagen (Braun/Buck, Kommentar zur Insolvenzordnung, 5. Aufl., § 4a, Rn. 19).
Der Schuldner hat vorliegend die Opfer seiner Straftaten trotz entsprechenden Hinweises des Gerichts und damit vorsätzlich nicht als Gläubiger in dem vorgelegten Gläubigerverzeichnis aufgeführt. Damit liegt unzweifelhaft der Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO vor. Gemäß § 20 Abs. 1 InsO hat der Schuldner dem Insolvenzgericht die Auskünfte zu erteilen, die zur Entscheidung über den Antrag erforderlich sind. Im Hinblick auf § 30 Abs. 2 InsO, wonach auch den Gläubigern des Schuldners der Eröffnungsbeschluss zuzustellen ist, muss der Schuldner umfassende Auskünfte über seine Vermögensverhältnisse erteilen, insbesondere in dem Verzeichnis sämtliche Gläubiger aufführen. Das LG teilt insoweit ausdrücklich die Auffassung des AG, dass auch die Gläubiger anzugeben sind, die ihre Forderungen noch nicht konkret beim Schuldner eingefordert haben. Dies ändert nichts daran, dass aufgrund der vom Schuldner unstreitig begangenen Straftaten, die strafrechtlich rechtskräftig festgestellt worden sind, den Geschädigten hieraus zivilrechtliche Ansprüche zustehen.
Den Opfern der Straftaten muss im Hinblick auf die beantragte Restschuldbefreiung die Möglichkeit gegeben werden, hieraus entsprechende rechtliche Konsequenzen (§§ 290, 302 Nr. 1 InsO) zu ziehen. Zweck der umfassenden Auskunftspflicht des Gläubigers ist es, das Gericht bei der Information der Gläubiger über die Grundlagen der geplanten Schuldenbereinigung zu entlasten. Vom Schuldner wird insoweit auch nichts Unzumutbares verlangt, da er auch ohne dass von Seiten der Gläubiger bereits konkrete Forderungen angemeldet worden sind, anhand des Strafurteils bzw. der Anklageschrift die Gläubiger ermitteln kann und zur ungefähren Höhe der Ansprüche Stellung nehmen kann. Vorliegend bestreitet der Schuldner ja nicht einmal das Bestehen entsprechender Forderungen der Opfer seiner Straftaten.
MERKE | Der BGH (NJW-RR 10, 60) hat bereits entschieden, dass der Schuldner im Verzeichnis der gegen ihn gerichteten Forderungen auch Forderungen angeben muss, deren Bestehen er bestreitet. Verschweigt er solche Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig, ist ihm die Restschuldbefreiung regelmäßig zu versagen. |
Nach Auffassung des LG steht diese Entscheidung der Annahme einer Verpflichtung, dem Grunde nach feststehende, der Höhe nach nur noch nicht bezifferte Forderungen anzugeben, nicht entgegen. Dazu habe der BGH keine Aussage getroffen.
Eine Ausnahme dieser Forderungen von der Auskunftspflicht des Schuldners wäre nicht sachgerecht im Hinblick auf die anderenfalls wirksam werdende Restschuldbefreiung. Dass sich die Gläubiger hiervon auch auf andere Weise Kenntnis verschaffen können, kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
MERKE | Gläubiger, die Erkenntnisse über Forderungen gegen den Schuldner aus Straftaten haben, sollten das Insolvenzgericht hierauf hinweisen, wenn das Gläubigerverzeichnis die Opfer nicht ausweist. Nicht immer wird das Insolvenzgericht davon nämlich Kenntnis haben oder aus einer solchen Erkenntnis die gebotenen Konsequenzen ziehen. Wird darauf nicht schon die Stundung der Verfahrenskosten verweigert und dem Insolvenzverfahren damit - meist - die wirtschaftliche Grundlage entzogen, kann jeder (!) Gläubiger einen darauf gestützten Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen. |