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  • · Fachbeitrag · Insolvenzanfechtung

    Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf der Grundlage von Indizien

    • 1. Im Insolvenzanfechtungsprozess beurteilt sich die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach § 17 InsO. Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet auch dies gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungseinstellung.
    • 2. Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind solche Indizien vorhanden, bedarf es keiner darüber hinausgehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert.
    • 3. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können ‒ weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt ‒ meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt.
    • 4. Bewertet der Gläubiger das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat.
    • (BGH 8.1.15, IX ZR 203/12, Abruf-Nr. 174957)
     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO greift in der Praxis immer weiter um sich und wird zu einer echten Sorge der Gläubiger und ihrer Rechtsdienstleister. Der ganz erhebliche Anfechtungszeitraum von 10 Jahren und eine immer breiter angelegte Rechtsprechung zu den Indizien für das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen schafft Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Behaltensdürfens erlangter Zahlungen und zwingt den Gläubiger letztlich für diesen Fall Rückstellungen zu bilden. Das beeinträchtigt die finanzielle Flexibilität des Gläubigers. Die vorliegende Entscheidung ist ein weiteres Beispiel dafür.

     

    Checkliste / Hier kann angefochten werden

    • Nach § 133 Abs. 1 S. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

     

    • Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge ‒ sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils ‒ erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz.

     

    • Dessen Vorliegen ist auch schon zu vermuten, wenn der Schuldner seine drohende Zahlungsunfähigkeit kennt. Dies ergibt sich mittelbar aus § 133 Abs. 1 S. 2 InsO.

     

    • Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten (BGHZ 167, 190; BGH ZInsO 11, 1410).