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  • · Fachbeitrag · Insolvenzanmeldung

    Feststellung der Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle

    • 1.Die insolvenzrechtliche Privilegierung der deliktischen Forderung 
gemäß § 302 Nr. 1 InsO umfasst auch bei deren Durchsetzung entstandene Kosten und Auslagen (hier: Vollstreckungsversuche des titulierten Kindesunterhalts).
    • 2.Im Rahmen des Verfahrens auf Feststellung, dass eine zur Insolvenztabelle lediglich mit dem Schuldnerwiderspruch gegen ihre deliktische Begründung bereits festgestellte Forderung auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht (Attributsklage), kann der Schuldner Einwendungen gegen Entstehung oder Bestand der Forderung selbst sowie gegen die Forderungszuständigkeit des Gläubigers nicht mehr erfolgreich geltend machen. Insofern ist er insbesondere auch mit den Einwendungen der Verwirkung (hier: wegen langer Rückstandszeiträume) oder des teilweisen Übergangs auf einen Sozialhilfeträger bzw. die UVG-Kasse ausgeschlossen.
    • 3.Die deliktische Haftung des Unterhaltschuldners aus § 823 Abs. 2 BGB, § 170 StGB, der bei bestehender Unterhaltstitulierung eine selbstständige Tätigkeit mit einer „Gewinnerwartung“ von jährlich rund 12.000 EUR beginnt, obwohl er zuvor wie auch danach aus abhängiger 
Beschäftigung ein zur Leistung des titulierten Unterhalts ausreichendes Einkommen erzielen konnte, auch in diesen Zeiträumen den titulierten Unterhalt allerdings nicht oder nur teilweise geleistet hat, ist zu bejahen.

    (OLG Celle 11.3.13, 10 WF 67/13, Abruf-Nr. 132352)

     

    Sachverhalt

    Über das Vermögen des Antragsgegners ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Antragsteller, der minderjährige Sohn des Antragsgegners, hat unter Beifügung einer differenzierten Forderungsaufstellung ausstehende Unterhaltsforderungen von über 8.700 EUR nebst Kosten (Gebühren und Auslagen) in Höhe von weiteren rund 700 EUR, insgesamt also über 9.400 EUR zur Insolvenztabelle angemeldet. Er hat zugleich geltend gemacht, dass es sich um eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung handele. Die Forderung ist zur Insolvenztabelle festgestellt worden; weiter ist (nur) eingetragen worden, dass der Schuldner die Herkunft der Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bestritten hat.

     

    Der Antragsteller betreibt ein auf Feststellung gerichtetes Verfahren, dass es sich bei der zur Tabelle festgestellten Forderung um eine Deliktsforderung handelt. Der Antragsgegner ist seiner Inanspruchnahme entgegengetreten und begehrt für die Rechtsverteidigung Verfahrenskostenhilfe (VKH). Er bestreitet - unter Berufung auf seine Zahlungen an die Unterhaltsvorschusskasse - die Höhe der geltend gemachten Unterhaltsrückstände und meint, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Unterhaltspflichtverletzung im Sinne von § 170 StGB lägen im streitgegenständlichen Zeitraum zwischen Februar 2008 und Anfang November 2011 zu keinem Zeitpunkt vor, vielmehr sei er durchgängig für Kindesunterhalt nicht leistungsfähig gewesen. Das AG hat dem Antragsgegner die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe versagt, da seine Rechtsverteidigung keine hinreichende Erfolgsaussicht aufweist. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners.

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Die Zuständigkeit des Familiengerichts für die Feststellung der (auch) deliktischen Begründung eines - wie vorliegend - bereits titulierten und zur Tabelle festgestellten Unterhaltsanspruchs („Attributsklage“) wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung mittlerweile ganz überwiegend bejaht (OLG Celle FamRZ 12, 1838; OLG Hamm FamRZ 13, 67; KG FamRZ 12, 138; OLG Köln FamRZ 12, 1836; a.A. allein OLG Rostock FamRZ 11, 910 in einem obiter dictum).

     

    Vorteil der gesonderten Feststellung

    Das vorliegend vom Antragsteller betriebene Feststellungsverfahren betrifft allein die Frage, ob der Unterhaltsanspruch des Antragstellers aus der Zeit von Februar 2008 bis November 2011, der bereits ohne Eintragung eines 
Widerspruchs gegen die Forderung selbst zur Insolvenztabelle festgestellt ist, eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung darstellt. Eine entsprechende Feststellung hätte die Wirkung, dass die zur Tabelle festgestellte Forderung nach Verfahrensaufhebung gemäß § 302 Nr. 2 InsO durch eine etwaige Restschuldbefreiung für den Antragsgegner nicht berührt wird, also vom Antragsteller auch noch zukünftig vollstreckt werden kann.

     

    MERKE | Daher ist auch bei Unterhaltsforderungen die Anmeldung als Deliktsforderung stets erforderlich. Nur die Privilegierung nach § 850d ZPO hilft nicht weiter.

     

    Die bereits bestandskräftig und ohne diesbezüglichen Widerspruch des 
Antragsgegners erfolgte Feststellung des Anspruchs zur Insolvenztabelle gemäß § 201 Abs. 2 S. 1 InsO steht auch im Verhältnis zum Schuldner nach Verfahrensaufhebung einer rechtskräftigen Titulierung für die Vollstreckung gleich. Im Umfang ihrer Feststellung zur Insolvenztabelle kann sie mithin als solche im vorliegenden Verfahren überhaupt nicht mehr Gegenstand sein.

     

    MERKE | Auch dies hat Folgen: Der Antragsgegner ist mit allen Einwendungen, soweit sie nicht speziell die Frage der deliktischen Qualifikation der Forderung, sondern allgemein etwa deren Entstehung, Bestand, die Forderungszuständigkeit des Antragstellers oder ihre Höhe betreffen, von vornherein ausgeschlossen (OLG Celle MDR 12, 1167).

     

    Eine Berufung darauf, dass die insolvenzbefangenen Unterhaltsansprüche des Antragstellers nicht mehr in vollem Umfang diesem selbst, sondern teilweise der Unterhaltsvorschuss-Kasse bzw. dem Sozialhilfeträger zustehen, hätte gemäß § 178 Abs. 1 InsO allein mit im Prüfungstermin erhobenem 
Widerspruch durch den Insolvenzverwalter oder einen anderen Insolvenzgläubiger bzw. durch den Schuldner selbst erhoben werden können. Über diesen Widerspruch wäre dann gegebenenfalls gegenüber Insolvenzverwalter und Insolvenzgläubigern gemäß § 179 InsO, gegenüber dem Schuldner gemäß § 184 InsO zu befinden gewesen.

     

    Nachdem ein Widerspruch gegen die Forderung - auch als eine solche des Antragstellers - jedoch im Prüfungstermin gerade von keiner Seite erhoben und er zur Insolvenztabelle festgestellt worden ist, kann dies im - hier vorliegenden - Feststellungsverfahren, in dem allein über die deliktische Qualität der Forderung zu befinden ist, nicht mehr geltend gemacht werden.

     

    Weiten Begriff der Unterhaltsverletzung beachten

    Entgegen der Annahme des AG beseitigen Zuwendungen Dritter nach dem eindeutigen Wortlaut des § 170 StGB („sodass der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre“) gerade nicht dessen tatbestandliche Voraussetzungen. Es ist vielmehr sogar völlig anerkanntes Recht, dass auch Sozialhilfeträger, soweit Unterhaltsansprüche auf sie übergegangen sind, diese gerade als Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle anmelden können (BGH FamRZ 10, 1332).

     

    Der - bei der erfolgten Feststellung zur Insolvenztabelle offenbar allseits übersehene - teilweise Forderungsübergang auf die Unterhaltsvorschuss-Kasse bzw. das JobCenter berührt zwar die - hier nicht mehr relevante - Frage der Forderungszuständigkeit, nicht jedoch die vorliegend allein zu entscheidende Frage des Beruhens des titulierten Anspruches auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung.

     

    Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners war hinreichend

    Das LG stellt die hinreichende Leistungsfähigkeit für die Zeit bis Juni 2008 und ab Juli 2011 bis zur Insolvenzeröffnung aufgrund eines tatsächlichen Nettoeinkommens fest. Das bereitet in der Praxis keine Schwierigkeiten.

     

    Beachtlicher ist die fiktive Berechnung für den dazwischen liegenden Zeitraum: Für den Zwischenzeitraum muss dem Antragsteller - auch wenn er tatsächlich nicht über ein entsprechendes Einkommen verfügte - ein solches jedenfalls zugerechnet werden. Weder in den zwischenzeitlichen Abänderungsverfahren noch im hier vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller substanziiert seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung entsprechende Erwerbsbemühungen dargetan. In Ansehung des in der vorangegangenen bzw. nachfolgenden Zeit von ihm aus einer angestellten Tätigkeit im Bereich des Wachdienstes tatsächlich erzielten Einkommens sowie ohne jeglichen nachvollziehbaren Vortrag seinerseits, warum dies ausgerechnet in dem Zwischenzeitraum nicht gegolten haben soll, kann mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass er durchgängig jedenfalls ein unter Wahrung seines Selbstbehalts zur Leistung des titulierten Kindesunterhalts ausreichendes Einkommen erzielen konnte.

     

    Demgegenüber kann sich der Antragsgegner nicht erfolgreich darauf berufen, dass er in der Zwischenzeit den - alsbald gescheiterten - Versuch der Selbstständigkeit mit einem Kiosk unternommen hat. Bereits nach seinem eigenen ausdrücklichen Vortrag kam die - von einem eigens dafür herangezogenen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erstellte - „Analyse“ der Gewinnerwartung einer derartigen Unternehmung bereits lediglich zu einem Jahresergebnis von „12.374 EUR nach Gewerbesteuer“. Selbst ohne Berücksichtigung von den dabei nicht berücksichtigten Kosten von Kranken- und Pflegeversicherung sowie einer irgend gearteten Altersvorsorge für den 
Antragsgegner war ganz offenkundig, dass er selbst bei etwaiger Annahme einer späteren Ertragssteigerung damit auch auf lange Sicht seine bestehende und titulierte Unterhaltsverpflichtung für den Antragsteller nicht einmal teilweise würde erfüllen können.

     

    MERKE | Es gehört zu den Erwerbsbemühungen des Schuldners, dass er darlegt, von welcher Einkommenssituation er aufgrund der begonnenen Selbstständigkeit ausgeht. Dies muss der Schuldner belegen. Tut er dies nicht, muss von unzureichenden Bemühungen ausgegangen werden. Legt er die Unterlagen vor, ist zu prüfen, ob sie eine der Unterhaltsverpflichtung und den sonstigen 
Erwerbsaussichten entsprechende Entlohnung erwarten ließ.

     

    Verschulden muss festgestellt werden

    Die damit tatbestandlich feststehende Unterhaltspflichtverletzung des 
Antragsgegners erfolgte schließlich auch - zumindest bedingt - vorsätzlich. Zum einen war er sich des Bestehens seiner - titulierten - Unterhaltspflicht bewusst, was sich bereits aus seinen wiederholten Versuchen der Abänderung des Unterhaltstitels bzw. eines Vollstreckungsgegenantrages ergibt. Zum anderen hat er selbst in den Zeitabschnitten, in denen er tatsächlich über ein zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung mehr als ausreichendes Einkommen verfügte, überhaupt keine Leistungen erbracht.

     

    Der Annahme einer unzutreffenden Beurteilung der eigenen Leistungsfähigkeit durch den Antragsgegner, die in einer nicht einfachen unterhaltsrechtlichen Frage einen den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß 
§ 16 StGB darstellen könnte, steht im Streitfall durchgreifend entgegen, dass bereits durch die wiederholte Ablehnung von PKH/VKH für seine Abänderungsbegehren diesbezüglich jeder beachtliche Irrtum ausgeschlossen war.

     

    Auch Nebenforderungen werden von Deliktshandlung umfasst

    Ohne Erfolg wendet sich der Antragsgegner dagegen, dass auch die Vollstreckungskosten (über 700 EUR) vom Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung umfasst werden. Der BGH hat entschieden, dass sogar nicht selbst zur Tabelle angemeldete, nachträglich entstandene Nebenforderungen wie Zinsen und Kosten an der Qualifizierung der Hauptforderung als solche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung teilnehmen und gemäß 
§ 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung nicht erfasst werden (MDR 11, 195).

     

    Damit unterliegt es keinem Zweifel, dass vor Insolvenzeröffnung entstandene und ausdrücklich zur Tabelle festgestellte Nebenforderungen dem Feststellungsausspruch zur Qualifikation als deliktischer Forderung zugänglich sind.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 129 | ID 42216911