02.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123011
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 05.09.2012 – VII ZB 55/11
Eine Klausel in einer notariellen Urkunde, mit der sich der Erwerber einer Eigentumswohnung "wegen etwaiger Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Geldsummen" der Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde unterwirft, genügt nicht den Anforderungen des Konkretisierungsgebots.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und die Richter Dr. Eick, Kosziol und Dr. Kartzke
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 29. Juli 2011 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
1
Die Schuldnerin wendet sich gegen die Zulässigkeit einer von dem Notar zu einer notariellen Urkunde erteilten Vollstreckungsklausel.
2
Die Schuldnerin und Jan L. schlossen mit dem Gläubiger als Verkäufer am 19. Juni 2008 vor dem Notar F. einen Kaufvertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 355.000 €. Die Zahlungsvoraussetzungen sind in Ziffer III der notariellen Urkunde festgelegt:
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1. Eintragung der durch den Verkäufer unwiderruflich bewilligten und beantragten Auflassungsvormerkung im Grundbuch.
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2. Sicherstellung der Lastenfreistellung.
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Des Weiteren ist dort bestimmt: "Der Kaufpreis in Höhe von 355.000 € ist bis zum 1. September 2008, jedoch nicht vor Ablauf einer Woche nach Zugang einer schriftlichen Mitteilung des Notars an den Käufer, dass die vorstehenden Zahlungsvoraussetzungen vorliegen, zur Zahlung fällig. ... Der amtierende Notar wird angewiesen, bei den Gläubigern der Rechte Abt. III lfd. Nr. 3 und 3 a (Bl. ...) bzw. lfd. Nr. 2 und 2 a (Bl. ...) die Valutierung per 1. September 2008 zu erfragen und den Vertragsparteien mitzuteilen, sowie die Löschungsunterlagen von den Gläubigern zu beantragen und entgegenzunehmen. Der Käufer hat sodann den zur Ablösung der Valutenstände sich ergebenden Betrag direkt an die Grundpfandrechtsgläubiger bzw. auf deren Weisung zu zahlen. Ein eventuell verbleibender Differenzbetrag bis zur Höhe des Kaufpreises ist direkt an den Verkäufer auf dessen noch bekannt zu gebendes Konto zu zahlen."
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Die notarielle Urkunde enthält in Ziffer IV folgende Unterwerfungsklausel:
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"Wegen etwaiger Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Geldsummen unterwirft sich der Zahlungspflichtige - mehrere als Gesamtschuldner - der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Der Notar wird ermächtigt, dem Verkäufer nach Vorliegen der Zahlungsvoraussetzungen auf dessen jederzeitige Anforderung eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen."
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Der Kaufpreis ist noch nicht vollständig entrichtet. Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung aus der ihm vom Notar erteilten vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde.
9
Das Amtsgericht hat auf Antrag der Schuldnerin mit Urteil vom 3. September 2010 die Zwangsvollstreckung aus der für die notarielle Urkunde vom 19. Juni 2008 erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig erklärt. Gegen dieses Urteil hat der Gläubiger Berufung eingelegt. Das Landgericht hat auf das als sofortige Beschwerde des Gläubigers gewertete Rechtsmittel dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren - zurückverwiesen.
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Mit Beschluss vom 9. Dezember 2010 hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus der für die notarielle Urkunde des Notars F. vom 19. Juni 2008 erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig erklärt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29. Juli 2011 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Gläubiger mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Er will die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde weiterbetreiben.
II.
11
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
12
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Unterwerfungserklärung entspreche nicht dem Konkretisierungsgebot des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Dieses gehe über das allgemeine Bestimmtheitsgebot hinaus. Der Anspruch, in Bezug auf den sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfe, müsse konkret bezeichnet werden. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Norm und lasse sich auch der Gesetzesbegründung entnehmen. Die in der notariellen Urkunde enthaltene Unterwerfungserklärung genüge diesen Anforderungen nicht. Weder sei der Anspruch, dem die Vollstreckbarkeit verliehen werden solle, in der Unterwerfungserklärung konkret bezeichnet, noch werde konkret auf einen im Rahmen des übrigen Vertrags bezeichneten Anspruch Bezug genommen. Der bloße Umstand, dass sich der maßgebliche Anspruch möglicherweise im Wege der Auslegung ermitteln lasse, sei jedenfalls für die Erfüllung des Konkretisierungsgebots nicht ausreichend.
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2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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Das Beschwerdegericht geht zu Recht davon aus, dass das Konkretisierungsgebot nicht mit dem Bestimmtheitserfordernis gleichzusetzen ist, sondern eine zusätzliche formelle Voraussetzung für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel darstellt. Das Konkretisierungsgebot bezieht sich auf den zu vollstreckenden Anspruch, das Bestimmtheitserfordernis auf dessen Inhalt und Umfang, bei einem Zahlungsanspruch insbesondere auf dessen Höhe.
15
Die in Ziffer IV der notariellen Urkunde vom 19. Juni 2008 enthaltene Unterwerfungserklärung erfüllt jedenfalls nicht die Anforderungen an das Konkretisierungsgebot.
16
a) Der Anspruch, hinsichtlich dessen sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, muss gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO in der notariellen Urkunde "bezeichnet" sein. Gefordert wird damit die konkrete Bezeichnung eines jeden in der Urkunde begründeten oder erwähnten Anspruchs, dem die Vollstreckbarkeit verliehen werden soll (Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 2. Aufl., Rn. 11.43; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 794 Rn. 27; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 794 Rn. 21; MünchKommZPO/ Wolfsteiner, 3. Aufl., § 794 Rn. 184). Dies legt nicht nur der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung nahe, sondern ergibt sich auch, wie das Beschwerdegericht zu Recht herausstellt, aus den Gesetzesmaterialien.
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Mit der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle hat der Gesetzgeber durch Änderung des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Möglichkeit geschaffen, die Vollstreckung aus einer notariellen Urkunde auf grundsätzlich alle vollstreckungsfähigen Ansprüche zu erstrecken. Gleichzeitig sollte sichergestellt werden, dass der vollstreckbar gestellte Anspruch im Unterwerfungstitel hinreichend bezeichnet ist. Insoweit ist in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 13/341, S. 21) ausgeführt: "Die Erweiterung der Ansprüche, die von einer vollstreckbaren notariellen Urkunde erfasst werden können, erhöht die Bedeutung, die der Bezeichnung des vollstreckbar gestellten Anspruchs im Unterwerfungstitel zukommt. Um pauschale Unterwerfungserklärungen mit den damit verbundenen Erschwernissen des Vollstreckungsverfahrens zu verhindern, sieht der Entwurf vor, dass die Unterwerfungserklärung den betroffenen Anspruch konkret bezeichnen muss."
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b) Diesen Anforderungen genügt die Unterwerfungserklärung in Ziffer IV der notariellen Urkunde nicht. Dort sind die Ansprüche, hinsichtlich derer sich der "Zahlungspflichtige" der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft, lediglich als "etwaige Verpflichtungen zur Zahlung bestimmter Geldsummen" bezeichnet. Es fehlt damit an einer konkreten Bezeichnung der "etwaigen Zahlungsansprüche". Diese können dementsprechend allenfalls dadurch ermittelt werden, dass die notarielle Urkunde in ihrer Gesamtheit darauf überprüft wird, ob sich dort gegebenenfalls derartige Zahlungsansprüche finden lassen. Damit würden die Erschwernisse des Vollstreckungsverfahrens eintreten, die durch die "Bezeichnung" der Ansprüche gerade vermieden werden sollen.
III.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka
Safari Chabestari
EickKosziol
Kartzke