Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 06.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113297

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 04.02.2011 – 16 W 13/11

    1. Stellt das Landgericht in einem Versäumnisurteil in wörtlicher Übereinstimmung mit dem Klageantrag fest, dass (im Tenor näher bezeichnete) Forderungen des Klägers aus unerlaubter Handlung resultieren, obwohl der Kläger in der Klageschrift ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, dass es ihm um den Ausschluss von Forderungen von der Restschuldbefreiung gemäß § 302 InsO geht, so liegt in dem Fehlen der Wörter "vorsätzlich begangenen" eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit, die gemäß § 319 ZPO dahin berichtigt werden kann, dass es im Hauptausspruch des Tenors am Ende heißt: "... aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung resultieren".



    2. Ausnahmsweise beginnt mit der Bekanntgabe des Berichtigungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, wenn das Urteil insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien und für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden; denn der Irrtum eines Gerichts darf sich nicht dahin auswirken, dass die Rechtsmittelmöglichkeit einer Partei beeinträchtigt oder gar vereitelt wird (BGH NJW 1995, 1033 [BGH 09.11.1994 - XII ZR 184/93]). Ein solcher Fall kann anzunehmen sein, wenn der Beklagte durch den Tenor eines Versäumnisurteils dem äußeren Anschein nach nicht beschwert war (hier: Fehlen der Wörter "vorsätzlich begangenen" bei einem Feststellungsantrag gemäß § 302 Nr. 1 InsO).


    16 W 13/11

    In dem Rechtsstreit

    wegen Urteilsberichtigung gem. § 319 ZPO

    hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 7. Dezember 2010 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 30. November 2010 in der Fassung der Nichtabhilfebeschlüsse vom 28. Dezember 2010 und 13. Januar 2011 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin am 4. Februar 2011 beschlossen:

    Tenor:
    1. Der Antrag der Beklagten vom 20. Januar 2011 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt K aus ... wird zurückgewiesen.

    2. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

    Gründe
    Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet, weil die sofortige Beschwerde vom 7. Dezember 2010 aus den nachfolgend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).

    Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 30. November 2010, durch den das Versäumnisurteil vom 1. November 2010 berichtigt worden ist, ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 319 Abs. 3 ZPO zulässig. Sie umfasst ohne weiteres auch die Ausführungen des Landgerichts in den im Verfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO ergangenen Beschlüsse vom 28. Dezember 2010 und 13. Januar 2011, weshalb es insoweit einer gesonderten Beschwerde, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Januar 2011 eingelegt hat, nicht bedarf.

    Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Gem. § 319 Abs. 1 ZPO sind Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. Eine offenbare Unrichtigkeit kann auch bei einem Tenorierungsfehler vorliegen, wobei unerheblich ist, ob die Unrichtigkeit auf einem Versehen des Gerichtes beruht oder auf einen Fehler einer Prozesspartei zurückzuführen ist (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 319 Rn. 5, 15; OLG Frankfurt OLGR 2003, 430 und AG Heilbronn ZMR 1998, 297 zu Falschbezeichnungen von Grundstücken bzw. Wohnungen in Anträgen). Unrichtigkeiten sind dann offenbar, wenn sie sich für den Außenstehenden aus dem Zusammenhang des Urteils oder Vorgängen bei Erlass und Verkündung ohne weiteres ergeben, dabei können mitverkündete Parallelentscheidungen ebenso berücksichtigt werden wie außerhalb des Urteils liegende "offenbare" Umstände, wie z. B. Tabellen, öffentliche Register oder ohne weiteres zugängliche Informationsquellen (Zöller-Vollkommer, aaO., § 319 Rn. 5). Erst Recht kann sich deshalb die offenkundige Unrichtigkeit des Tenors aus dem Akteninhalt, insbesondere den Ausführungen der jeweiligen Partei zur Begründung ihres Antrages ergeben.

    Dies vorausgesetzt weicht der Tenor des Versäumnisurteils offenbar von dem gestellten Antrag ab. Zwar bezieht sich der Antrag nach seinem Wortlaut nur auf Forderungen "aus unerlaubter Handlung". Für die Bestimmung des Antrags ist aber nicht nur dessen Wortlaut maßgebend. Sein Inhalt ist durch Auslegung zu ermitteln. Grundlage für die Auslegung ist das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vorgangs, der Anlass für den Streit der Beteiligten gegeben hat. Wegen des Erfordernisses der Prozessklarheit darf sich die Auslegung andererseits aber nicht völlig vom Wortlaut entfernen und sich über einen eindeutigen Antrag hinwegsetzen (Zöller-Vollkommer, aaO., § 308 Rn. 2; BAG NZA 1993, 562). Der Kläger hat zwar auch in der Klageschrift selbst stets nur von Forderungen aus unerlaubten Handlungen und nicht von Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung gesprochen. Er hat jedoch ausdrücklich zum Ausdruck gebracht (vgl. S. 5 der Klageschrift), dass es ihm um den Ausschluss von Forderungen von der Restschuldbefreiung gem. § 302 InsO geht. Das Landgericht hätte deshalb unmittelbar und ohne gegen § 308 Abs. 1 ZPO zu verstoßen, wonach es nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist, das Wort "vorsätzlich" im Antrag ergänzen können.

    Nur vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass das Landgericht bei seiner Bewertung der Anträge des Beklagten aus dem Schriftsatz vom 7. Dezember 2010 (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 1. November 2010) die im Schriftsatz des Beklagten vom 20. Januar 2011 angeführte Rechtssprechung zu berücksichtigen haben wird, wonach ausnahmsweise mit der Bekanntgabe des Berichtigungsbeschlusses eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen beginnt, wenn das Urteil insgesamt nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien und für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bilden; denn der Irrtum eines Gerichts darf sich nicht dahin auswirken, dass die Rechtsmittelmöglichkeit einer Partei beeinträchtigt oder gar vereitelt wird (BGH NJW 1995, 1033 [BGH 09.11.1994 - XII ZR 184/93]). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch den Tenor des Versäumnisurteils dem äußeren Anschein nach nicht beschwert war. Ihm konnte nicht zugemutet werden, eine Berichtigung des Urteils zu seinen Ungunsten zu betreiben, um dann anschließend Einspruch einzulegen (vgl. so BGH aaO. zu einem nicht ohne weiteres erkennbaren Rechenfehlers, juris Rn. 12).

    Weiter ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach der gerichtlichen Verfügung vom 15. Juni 2010 der Beklagte darauf hingewiesen worden ist, dass auf Antrag des Klägers ohne mündliche Verhandlung ein Versäumnisurteil erlassen werden könne. Ein solcher Antrag ist mit der Klageschrift nicht gestellt worden.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    RechtsgebietDeliktsforderungVorschriften§ 308 ZPO § 319 ZPO § 302 InsO