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  • 23.12.2011 · IWW-Abrufnummer 114200

    Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 30.08.2011 – 3 U 183/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Köln
    3 U 183/10
    Tenor:
    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15.10.2010 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 9 O 250/09 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
    Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.812,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.06.2009 zu zahlen.
    Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
    Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 30 % und die Beklagte zu 70 % zu tragen.
    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 23 % und der Beklagten zu 77 % auferlegt.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    G r ü n d e
    Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem Umfang, in dem Ansprüche mit ihr weiterverfolgt werden, Erfolg; die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten ist im Ergebnis unbegründet.
    Der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Mietwagenkosten, die den 14 unfallgeschädigten Zedenten durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für ihre jeweils bei einem Verkehrsunfall beschädigten Pkws entstanden sind, und den die Klägerin aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) geltend macht, ist in Höhe von insgesamt 7.812,92 €, also in Höhe weiterer 3.811,45 €, begründet. Die dem Grunde nach unstreitige Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer der an den Unfällen beteiligten Fahrzeuge folgt aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Nr. 1 VVG, 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 BGB.
    1.
    Das Landgericht hat zu Recht die von der Beklagten bestrittene Aktivlegitimation der Klägerin bejaht. Die Abtretung der Schadensersatzansprüche an die Klägerin verstößt nicht gegen Art. 1 § 1 RBerG bzw. § 2 Abs. 2 RGG.
    Nach ständiger Rechtsprechung bedurfte der Inhaber eines Mietwagenunternehmens, das es geschäftsmäßig übernahm, für unfallgeschädigte Kunden die Schadensregulierung durchzuführen, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, und zwar auch dann, wenn er sich die Schadensersatzforderung erfüllungshalber abtreten ließ und die eingezogenen Beträge auf seine Forderung gegen die Kunden verrechnete. Bei der Beurteilung, ob die Abtretung den Weg zu einer erlaubnispflichtigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten eröffnen sollte, war nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten dieser zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die es vermied, dass Art. 1 § 1 RBerG durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze umgangen wurde (vgl. BGH NJW 2006, 1726). Für die nach dem 01.07.2008 erfolgten Abtretungen gilt gemäß § 2 Abs. 2 RDG Entsprechendes.
    Geht es dem Mietwagenunternehmen im Wesentlichen darum, die durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, so besorgt es keine Rechtsangelegenheiten des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn nach der Geschäftspraxis des Mietwagenunternehmens die Schadensersatzforderungen der unfallgeschädigten Kunden eingezogen werden, bevor diese selbst auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Denn damit werden den Geschädigten Rechtsangelegenheiten abgenommen, um die sie sich eigentlich selbst zu kümmern hätten. Allerdings ist es nach der Rechtsprechung durchaus zulässig, dem praktischen Bedürfnis nach einer gewissen Mitwirkung des Fahrzeugvermieters bei der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers Rechnung zu tragen (vgl. BGH, a.a.O.).
    Der Bundesgerichtshof hat es ausreichen lassen, wenn die Abtretungserklärung die Zweckbestimmung zur Sicherung der Zahlungsansprüche gegen den Geschädigten und einen deutlichen Hinweis darauf enthält, dass dieser die Schadensersatzansprüche selbst durchzusetzen habe. Ferner ist von Bedeutung, wenn die Abtretung auf die Ersatzansprüche hinsichtlich der Mietwagenkosten beschränkt ist, was gegen eine umfassende Besorgung fremder Angelegenheiten spricht. Schließlich muss der Geschädigte auf Zahlung in Anspruch genommen worden sein. Unschädlich ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofes dann, dass das Mietwagenunternehmen der Versicherung durch Übersendung einer Kopie der Rechnung Gelegenheit gegeben hat, die Verbindlichkeiten des Geschädigten direkt durch Zahlung an das Mietwagenunternehmen zu tilgen, ferner, dass der Geschädigte auf die Mahnung nicht reagiert, eine freiwillige Bezahlung mithin von ihm nicht zu erwarten ist, und dass der Mietwagenunternehmer sofort die Forderung gerichtlich gegen die Versicherung geltend macht. Im Gebrauchmachen der Sicherheit liegt keine Besorgung einer Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit des Mietwagenunternehmens (vgl. BGH, a.a.O.).
    Unter Beachtung dieser Grundsätze ist nach den Umständen des Streitfalls davon auszugehen, dass es der Klägerin bei der Einziehung der abgetretenen Forderungen nicht um die Besorgung fremder Rechtsgeschäfte ging, sondern darum, ihre eingeräumten Sicherheiten zu verwirklichen. Nach dem Wortlaut der Abtretungserklärungen erfolgte die Abtretung ausdrücklich sicherungshalber. Die Kunden verpflichteten sich ausdrücklich, soweit der Versicherer nicht oder nicht voll zahle, den offenstehenden Teil der Mietwagenkosten dem Vermieter unmittelbar zu bezahlen. Schließlich haben die Kunden erklärt, trotz der Sicherungsabtretung würden sie sich weiterhin selbst um die Regulierung ihrer Schadensersatzansprüche kümmern. Die Klägerin hat sodann eine Kopie der Mietwagenrechnungen an die Kunden übersandt und das Original an die Haftpflichtversicherung. Mit dem Anschreiben an die Kunden wurde die erfolgte Teilzahlung der gegnerischen Versicherung mitgeteilt und wurden die Kunden darauf hingewiesen, dass sie sich verpflichtet hatten, sich selbst um die Schadensregulierung zu kümmern und den Schaden beim leistungsverpflichteten Versicherer zu melden. Ferner wurden die Kunden auf ihre Zahlungspflicht gegenüber dem Vermieter hingewiesen und aufgefordert, die offenen Mietwagenkosten selbst auszugleichen. Sämtliche Kunden haben der Klägerin mitgeteilt, dass sie zum Ausgleich nicht bereit seien und den Verkehrsunfall nicht verschuldet hätten.
    Nach den Gesamtumständen muss nicht angenommen werden, dass es sich bei den von den Kunden abgegebenen Erklärungen lediglich um Scheinerklärungen handelte (§ 117 Abs. 1 BGB). Der Vortrag der Beklagten hierzu reicht nicht für die Feststellung aus, den Geschädigten sei bekannt gewesen, dass sie von der Klägerin für möglicherweise vom Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht anerkannte Beträge nicht in Anspruch genommen werden würden. Die Beklagte trägt nicht substantiiert vor, wie den Geschädigten eine solche Kenntnis von der Klägerin vermittelt worden sein soll. Unstreitig haben sich die Geschädigten nicht selbst mit der Klägerin in Verbindung gesetzt, vielmehr wurden die Mietwagen über ein Autohaus ausgesucht. Die von der Beklagten an die Geschädigten versandten Fragebögen (Bl. 193 ff d. A.) und ihre Antworten ergeben keinen Anhaltspunkt für eine entsprechende Kenntnis der Geschädigten. Unter diesen Umständen ist die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe jedem Kunden schon bei der Anmietung erklärt, dass er sich weder um Preise noch um die weitere Abwicklung in irgend einer Weise kümmern oder sorgen müsse, sondern dass die Abwicklung vielmehr unmittelbar zwischen ihr und dem Haftpflichtversicherer der Schädiger vorgenommen werde, dass die Haftpflichtversicherung des Gegners möglicherweise die Mietwagenkosten nicht in vollem Umfang freiwillig bezahle, dass sie für die Differenz aber von der Klägerin nicht in Anspruch genommen werden würden, sondern dass die Klägerin die Differenz gegen die Versicherung selbst geltend machen werde, offensichtlich „ins Blaue hinein“ erfolgt. Damit waren die von der Beklagten benannten Zeugen nicht zu hören, da es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handeln würde.
    Dem Antrag der Beklagten vom 07.07.2011, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs in zwei ihm vorliegenden Prozessen, in denen es ebenfalls um die Nichtigkeit von Abtretungen zugunsten eines Mietwagenunternehmens gehe, auszusetzen, war nicht stattzugeben, da es hierfür keine rechtliche Grundlage gibt (vgl. §§ 148 ff ZPO).
    2.
    Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Er hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Darüber hinausgehende, mithin nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-) Tarif zugänglich war (vgl. zuletzt Urteil des BGH vom 12.04.2011 – VI ZR 300/09 – Rz. 10).
    Nach diesen Grundsätzen hält der Senat es für angemessen, den erforderlichen Mietpreis in Ausübung seines Ermessens gemäß § 287 ZPO entsprechend dem Klagevorbringen auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 im maßgebenden Postleitzahlengebiet zu ermitteln.
    Der Senat ist nicht an die Entscheidung des Landgerichts gebunden, das den Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 für die geeignete Berechnungsgrundlage hält. Das Berufungsgericht kann im Fall einer auf § 287 ZPO gründenden Entscheidung auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 den Prozessstoff auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen ohne Bindung an die Ermessenausübung des erstinstanzlichen Gerichts selbstständig nach allen Richtungen von neuem prüfen und bewerten. Selbst wenn es die erstinstanzliche Entscheidung zwar für vertretbar hält, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, darf es nach seinem Ermessen eine eigene Bewertung vornehmen (BGH, a.a.O.).
    Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Schwacke-Mietpreisspiegel 2006, 2007 und 2008 geeignete Berechnungsgrundlagen zur Bemessung der Mietwagenkosten für die entsprechenden Jahre (vgl. auch ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. BGH, a.a.O.). Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, die Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 und 2007 wiesen eine deutliche Preissteigerung im Verhältnis zum Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 auf, die mit der Inflationsrate nicht erklärbar sei. Das Landgericht hat sich nicht mit der „Untersuchung der Preisentwicklung für Autovermietungen gemäß Schwacke-Liste im Zeitraum von 2000 – 2006“ der Professoren Neidhardt und Kremer vom 11.06.2007 (Bl. 252 ff d. A.) auseinander- gesetzt. Bereits aus dieser Untersuchung ergibt sich nachvollziehbar, dass einem Preisvergleich nicht allein die Wochenpreise zugrunde gelegt werden dürfen, worauf das Landgericht abgestellt hat. Die Ermittlung der Preisentwicklung von 2003 – 2006 ist vielmehr erheblich komplexer als die Gegenüberstellung von Einzelpreisen und dürfte ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht möglich sein.
    3.
    Von der Beklagten zu ersetzen sind auch die Kosten für die Winterreifen. Selbst wenn Winterreifen zu der für die Wintermonate erforderlichen Ausstattung eines Kraftfahrzeugs gehören und der Vermieter verpflichtet ist, den Mietern ein entsprechend verkehrssicheres Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, gehören die Winterreifen nicht zur Erstausstattung eines Fahrzeugs und kann bei einer Ausstattung mit ihnen ein höherer Preis verlangt werden als bei einer Ausstattung ohne Winterreifen. Aus den Erhebungen, die in den Schwacke-Mietpreisspiegel Eingang gefunden haben, ergibt sich, dass ein pauschaler Zuschlag bei Ausstattung mit Winterreifen üblich ist.
    4.
    Begründet ist der Einwand der Beklagten, soweit sie den Aufschlag von 19 % Mehrwertsteuer auf die Bruttobeträge nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2003 in Höhe von insgesamt 2.277,04 € beanstandet. Insoweit besteht kein Streit zwischen den Parteien.
    5.
    Von der mit der Klageschrift auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 errechneten Schadenssumme von 11.263,06 € sind folgende Beträge abzuziehen:
    - die Beträge der Klagerücknahme in den Schadensfällen 8 und 12 in Höhe von 263,51 € und 171,23 €,
    - der mit der Berufung nicht mehr geltend gemachte pauschale Aufschlag von 20 % in den Schadensfällen 3, 7, 13 und 14 in Höhe von 715,24 €,
    - der Betrag des pauschalen Aufschlags in den übrigen Schadensfällen in Höhe weiterer 2.300,16 € - insoweit wurde die Berufung zurückgenommen.
    Der vom Landgericht zugesprochene Mehrwertsteuerbetrag von 2.277,04 € war nicht zusätzlich abzuziehen, da er in der Forderungsaufstellung der Klägerin nicht enthalten war.
    Die Klage ist demnach in Höhe von insgesamt 7.812,92 € begründet, so dass der Klägerin weitere 3.811,45 € zuzusprechen sind.
    6.
    Der Zinsanspruch ist – wie beantragt – gemäß §§ 293, 288 BGB begründet.
    7.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
    8.
    Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
    Streitwert für das Berufungsverfahren:
    a) bis 09.08.2011: 10.113,08 € (Berufung der Klägerin 6.111,61 €, Berufung der
    Beklagten 4.001,47 €)
    b) danach: 7.812,92 € (Berufung der Klägerin 3.811,45 €, Berufung der Beklagten 4.001,47 €).