10.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122105
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 24.05.2012 – VII ZR 34/11
Der Auftragnehmer ist berechtigt, auch dann Abschlagszahlungen für eine vom Auftraggeber geforderte zusätzliche Leistung unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B zu fordern, wenn eine Einigung über deren Vergütung nicht stattgefunden hat.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter Bauner, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Dr. Eick und den Richter Prof. Leupertz
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gegenstandswert: 27.511,85 €
Gründe
I.
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Verzugszinsen, weil die Beklagte Abschlagsrechnungen nicht rechtzeitig bezahlt habe. Die Abschlagsforderungen stützen sich auf erbrachte Leistungen, die die Beklagte auf der Grundlage eines im Jahr 2005 unter Einbeziehung der VOB/B geschlossenen Bauvertrages zusätzlich gefordert hat. Die Beklagte praktiziert ein Prüfungsverfahren für Nachtragsforderungen, das erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann, und begleicht die sich aus ihrer Sicht als berechtigt erweisenden Forderungen erst nach Abschluss dieses Verfahrens. Zuvor zahlt sie nach dem Ergebnis ihrer Vorprüfung einen bestimmten prozentualen Abschlag auf die Forderungen. Die Parteien haben sich im Zuge dieses Prüfungsverfahrens auf eine der Klägerin für die zusätzlich geforderten Leistungen zustehende Vergütung geeinigt, die unterhalb der zunächst beanspruchten Nachtragsvergütung liegt. Die Klägerin hat die Abschlagsrechnungen vor Abschluss des Prüfungsverfahrens erteilt und Nachfristen gesetzt. Sie macht den Anspruch auf Zinsen gemäß § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B (2002) unter Zugrundelegung der Vergütung geltend, auf die sich die Parteien geeinigt haben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BauR 2011, 1180 und NZBau 2011, 163 veröffentlicht ist, hat ihr überwiegend stattgegeben. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten.
II.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die von der Beschwerde als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob ein Auftragnehmer eine Abschlagszahlung gemäß § 16 Nr. 1 VOB/B auf eine im Rahmen eines Nachtrags erbrachte vertragsgemäße zusätzliche Leistung im Sinne des § 2 Nr. 6 VOB/B auch dann verlangen kann, wenn sich die Parteien über deren Vergütung noch nicht geeinigt haben und sich die Vergütung nicht "nach den Grundlagen der Preisermittlung für die ursprünglich vertragliche Leistung" bestimmen lässt, stellt sich nicht.
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1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass von der Klägerin eine prüfbare Aufstellung der erbrachten Nachtragsleistungen vorgelegt worden ist. Revisionsrechtlich beachtliche Angriffe dagegen werden von der Beschwerde nicht erhoben. Demgemäß kann der Senat nicht davon ausgehen, dass sich die von der Klägerin mit ihren Abschlagsrechnungen beanspruchte Vergütung nicht auf den Grundlagen der Preisermittlung für die ursprünglich vertragliche Leistung bestimmen ließ.
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2. Auf dieser Grundlage besteht kein Grund, die Revision wegen der Annahme des Berufungsgerichts zuzulassen, die Klägerin sei berechtigt gewesen, für ihre erbrachten Nachtragsleistungen Abschlagszahlungen zu fordern, und diese seien ungeachtet des Umstandes, dass eine Vergütung erst später vereinbart worden sei, 18 Werktage nach Übergabe der Abschlagsrechnung fällig geworden.
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a) Der Anspruch auf Vergütung der von einem Auftragnehmer aufgrund einer Anordnung des Auftraggebers erbrachten zusätzlichen Leistung entsteht mit der Ausübung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts (BGH, Urteil vom 27. November 2003 - VII ZR 346/01, BauR 2004, 495 = NZBau 2004, 207 = ZfBR 2004, 254). Das Entstehen des Anspruchs hängt nicht davon ab, dass die Parteien vor Beginn der Ausführung eine Vergütung vereinbaren (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1968 - VII ZR 84/67, BGHZ 50, 25, 30; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 5. Teil Rn. 95). Unterbleibt eine solche Einigung, so ist die Vergütung unter Berücksichtigung der sich aus § 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B ergebenden Vorgaben zu ermitteln.
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b) Der Auftragnehmer ist unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B berechtigt, in Höhe des an dieser Vergütung orientierten Wertes Abschlagszahlungen für die nachgewiesenen vertragsgemäßen Nachtragsleistungen zu fordern. Die aufgrund der Anordnung des Auftraggebers erbrachte zusätzliche Leistung fällt unter den Begriff der vertragsgemäßen Leistung im Sinne des § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B, so dass ungeachtet des Umstandes, dass eine Einigung über die Vergütung noch aussteht, Abschlagszahlungen verlangt werden können (Ingenstau/Korbion-Locher, VOB, 17. Aufl., VOB/B § 16 Abs. 1 Rn. 8; Kleine-Möller/Merl, Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl., § 10 Rn. 72; Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 3. Aufl., § 16 VOB/B Rn. 107; Leinemann, VOB/B, 4. Aufl., § 16 Rn. 9; Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB, § 16 VOB/B Rn. 13). Einigen sich die Parteien später auf eine Vergütung, tritt diese an die Stelle der sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B ergebenden Vergütung, weil das Gegenstand der Einigung ist.
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Sofern die Parteien keine andere Regelung getroffen haben, ist der Anspruch auf Abschlagszahlungen 18 Werktage nach Zugang der Abschlagsrechnung fällig, § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B. Der Auftragnehmer ist berechtigt, unter den Voraussetzungen des § 16 Nr. 5 Abs. 3 VOB/B Verzugszinsen wegen Nichtbezahlung dieser Vergütung zu verlangen.
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c) Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass insoweit Klärungsbedarf besteht. Ihre Ausführungen beruhen im Wesentlichen auf der Annahme, der Auftraggeber werde benachteiligt, wenn er die Berechtigung der Forderung nicht prüfen könne. Diese Voraussetzung kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugrunde gelegt werden. Auch die sonstigen Rügen der Beschwerde bleiben ohne Erfolg.
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aa) Dass der Auftraggeber im Falle der Überreichung einer prüfbaren Abrechnung nicht berechtigt ist, die Zahlung zu verweigern, weil er - ohne wirksam eine von § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B abweichende Vereinbarung getroffen zu haben - ein langwieriges internes Prüfungsverfahren durchführt, liegt auf der Hand und bedarf keiner Klärung. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien sich auf das Prüfverfahren der Beklagten und eine damit verbundene Abänderung des § 16 Nr. 1 Abs. 3 VOB/B geeinigt haben. Dem stehen die von der Beschwerde nicht angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts entgegen, wonach die Klägerin mit der passiven Hinnahme des Prüf- und Zahlungsverhaltens der Beklagten nicht zum Ausdruck gebracht hat, mit dem Hinausschieben der Fälligkeit der Forderung einverstanden zu sein. Ebenso wenig besteht Klärungsbedarf dahingehend, dass ein Auftraggeber nicht berechtigt ist, eine Abschlagszahlung allein deshalb zu verweigern, weil er die Forderung für überhöht hält oder die Forderung tatsächlich überhöht ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. November 2000 - VII ZR 82/99, BGHZ 146, 24, 35 m.w.N.).
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bb) Geklärt ist auch, dass ein Schuldner nicht in Verzug gerät, wenn er an der Leistung durch eine nicht zu vertretende Ungewissheit über das Bestehen und den Umfang der gesicherten Forderung gehindert ist (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 53/10, BauR 2011, 828 = NZBau 2011, 286 = ZfBR 2011, 452 m.w.N.). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ergibt sich aus dem Berufungsurteil, das von einer prüfbaren Abrechnung ausgeht, nicht. Der Umstand, dass die Parteien sich auf eine Vergütung der Klägerin geeinigt haben, die geringer ist als die zunächst geltend gemachte Nachtragsforderung, belegt weder, dass die Abschlagsforderungen nicht fällig geworden sind, noch, dass die Beklagte die verspätete Bezahlung nicht zu vertreten hätte.
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3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka
Bauner
Safari Chabestari
Eick
Leupertz