16.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123150
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 13.09.2012 – IX ZB 143/11
a)Der Gläubiger einer im Anmeldungsverfahren bestrittenen Forderung hat den Nachweis der rechtzeitigen Klageerhebung so zu führen, dass der Insolvenzverwalter sicher erkennen kann, ob die Klage innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist erhoben ist.
b)Will sich der Gläubiger zur Wahrung der Frist die Vorwirkungen der Einreichung der Klage bei deren Zustellung demnächst zunutze machen, muss er dem Verwalter den tatsächlichen Eingang der Klage bei dem zuständigen Gericht und, wenn rechtlich erforderlich, die Einzahlung des Kostenvorschusses nachweisen.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring am 13. September 2012 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 31. März 2011 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
In dem im Jahre 2003 eröffneten Insolvenzverfahren meldete die weitere Beteiligte zu 2 (fortan Gläubigerin) zwei Forderungen über 258.425,66 € und 39.054 € unter den Nrn. 68 und 69 zur Insolvenztabelle an, die vom Insolvenzverwalter bestritten wurden. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2010 erteilte das Insolvenzgericht die Zustimmung zur Schlussverteilung. Am 15. Dezember 2010 veröffentlichte es im Internet den Hinweis, dass die Schlussverteilung erfolgen solle und das Verteilungsverzeichnis auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsichtnahme für die Beteiligten niedergelegt sei. Der verfügbare Massebestand betrage 295.574,55 € abzüglich Massekosten und Masseverbindlichkeiten, Insolvenzforderungen seien in Höhe von 357.379,38 € zu berücksichtigen. Am 23. Dezember 2010 teilte der Prozessbevollmächtigte der Gläubigerin dem Insolvenzverwalter per Telefax mit, dass er eine - in Abschrift beigefügte - Klage an diesem Tage beim Landgericht Osnabrück eingereicht habe. Nach Ablauf der Auslegungsfrist weigerte sich der Insolvenzverwalter, die Forderung der Gläubigerin in die Tabelle aufzunehmen, weil diese nicht rechtzeitig den Nachweis der Erhebung der Feststellungsklage ihm gegenüber geführt habe. Die am 23. Dezember 2010 beim Landgericht eingereichte Klage wurde dem Insolvenzverwalter am 10. Januar 2011 zugestellt.
2
Im Schlusstermin am 16. Februar 2011 hat das Insolvenzgericht die Einwendungen der Gläubigerin gegen das Verteilungsverzeichnis zurückgewiesen, weil sie nicht rechtzeitig den Nachweis der Klageerhebung gegenüber dem Insolvenzverwalter erbracht habe. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde möchte die Gläubigerin die Berücksichtigung ihrer Forderungen im Verteilungsverzeichnis erreichen.
II.
3
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat die Einwendungen der Gläubigerin gegen das Schlussverzeichnis mit Recht zurückgewiesen.
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1.
Das Beschwerdegericht führt aus, die Gläubigerin habe die Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 InsO, die gemäß §§ 4, 9 Abs. 1 InsO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB am 30. Dezember 2010 abgelaufen sei, nicht gewahrt. Zwar hätte es im Hinblick auf die Vorwirkung der Rechtshängigkeit genügt, die Einreichung der Klage und die Voraussetzungen für eine demnächst erfolgende Zustellung nachzuweisen. Die Übermittlung der Klageschrift mit dem schriftlichen Hinweis darauf, diese eingereicht zu haben, sei ungeachtet des Fehlens eines Formerfordernisses für den Nachweis nach § 189 InsO jedoch nicht geeignet gewesen, ohne Eingangsstempel oder Empfangsbekenntnis des Gerichts die rechtzeitige Klageerhebung zu belegen. Entsprechend der von wesentlichen Teilen der Literatur vertretenen Auffassung genüge die bloße Zusendung der Klageschrift nicht, weil hieraus für den Verwalter nicht ersichtlich sei, ob und wann die Klage bei dem Gericht tatsächlich eingegangen sei.
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2.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
6
a)
Gemäß § 189 Abs. 1 InsO muss ein Insolvenzgläubiger, dessen Forderung nicht festgestellt ist und für dessen Forderung ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil nicht vorliegt, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung dem Insolvenzverwalter nachweisen, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen worden ist. Wird dieser Nachweis rechtzeitig geführt, so behält der Verwalter den auf die Forderung entfallenden Anteil bei der Verteilung gemäß § 189 Abs. 2 InsO zurück, solange der Rechtsstreit anhängig ist. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so bleibt die Forderung bei der Verteilung unberücksichtigt (§ 189 Abs. 3 InsO).
7
Wie die rechtzeitige Klageerhebung nachzuweisen ist, sagt das Gesetz nicht. Unbestritten ist, dass der Nachweis gegenüber dem Insolvenzverwalter und nicht gegenüber dem Insolvenzgericht zu erbringen ist (vgl. Graf-Schlicker/Castrup, InsO, 3. Aufl., § 189 Rn. 4; Holzer in Kübler/ Prütting/Bork, InsO, 2009 § 189 Rn. 9; Smid in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 189 Rn. 3). An eine bestimmte Form ist der Nachweis nicht gebunden. Steht die für eine Klageerhebung nach § 253 Abs. 1 ZPO erforderliche Zustellung der Feststellungsklage noch aus, sind nach der im Schrifttum herrschenden Meinung die Voraussetzungen der Vorwirkung der Klageeinreichung gemäß § 167 ZPO nachzuweisen (Jaeger/Meller-Hannich, InsO, § 189 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl, 2. Aufl., § 189 Rn. 5; Nerlich/ Römermann/Westphal, InsO, 2008, § 189 Rn. 9; HmbKomm-InsO/Herchen, 4. Aufl., § 189 Rn. 7). Streitig ist, ob der Nachweis der Klageerhebung allein dadurch geführt werden kann, dass dem Insolvenzverwalter die Klageschrift übersandt und ihm erkennbar gemacht wird, bei welchem Gericht Klage eingereicht ist (so etwa FK-InsO/Kießner, 6. Aufl., § 189 Rn. 12; Holzer, aaO Rn. 10; wohl auch Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 189 Rn. 5), oder ob zusätzlich der Nachweis geführt werden muss, dass die Klage bei dem Prozessgericht auch tatsächlich eingegangen ist (vgl. Graf-Schlicker/Castrup, aaO; Münch-Komm/InsO/Füchsl/Weishäupl, aaO; Nerlich/Römermann/Westphal, aaO; Wagner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 189 Rn. 3 f).
8
b)
Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend. Allerdings sind an den Nachweis der rechtzeitigen Klageerhebung keine besonderen formalen Erfordernisse zu stellen. Der Nachweis kann in jeder zulässigen Art und Weise erbracht werden, auf die der Insolvenzverwalter Gewissheit darüber erlangt, dass die Klage innerhalb der Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 InsO erhoben ist. Eines Nachweises durch öffentliche Urkunde, wie er vereinzelt (Haarmeyer/ Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., Kap. 8 Rn. 26) für erforderlich gehalten wird, bedarf es nicht.
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aa)
Der Nachweis muss in Fällen, in denen es um eine Wahrung der Frist durch Einreichung der Klage und deren Zustellung geht, zunächst den tatsächlichen Eingang der Klage bei dem zuständigen Gericht und die sonst für die Zustellung erforderlichen Voraussetzungen umfassen. Nur dann ist gesichert, dass die Klage tatsächlich erhoben wird. Allein die Übersendung einer Klageschrift mit der Erklärung, diese bei dem Gericht eingereicht zu haben, reicht zur Fristwahrung nicht aus. Durch die bloße Übersendung der Klageschrift und die Erklärung, diese eingereicht zu haben oder einreichen zu wollen, ist nicht sicher, dass diese auch tatsächlich bei dem Prozessgericht eingegangen ist. Der erforderliche Nachweis kann etwa durch Vorlage einer schriftlichen Eingangsbestätigung des Prozessgerichts, Übersendung einer Kopie der Klageschrift mit dem Eingangsstempel des Gerichts, durch eidesstattliche oder auch ausdrückliche anwaltliche Versicherung der persönlichen Abgabe der Klageschrift geführt werden. Für den Insolvenzverwalter muss sicher erkennbar sein, dass die Klage innerhalb der Ausschlussfrist in den Machtbereich des Prozessgerichts gelangt ist und ihre Zustellung erfolgen kann.
10
bb)
Fehlt die Einzahlung des Vorschusses, kann die Feststellungsklage möglicherweise nicht zugestellt werden, weil die Einzahlung des Vorschusses trotz Aufforderung durch das Gericht unterbleibt. Für die Wahrung der Voraussetzungen des § 167 ZPO reicht es zwar grundsätzlich aus, dass der Kläger die Anforderung des Kostenvorschusses durch das angerufene Gericht abwartet. Um die Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 InsO im Fall des § 167 ZPO zu wahren, ist gleichwohl auch die Einzahlung des Vorschusses innerhalb der Frist nachzuweisen (vgl. MünchKomm/InsO/Füchsl/Weishäupl, aaO). Der Insolvenzverwalter hat nach Ablauf der in § 189 Abs. 1 InsO vorgesehenen Ausschlussfrist gemäß § 193 InsO binnen drei Tagen die erforderlich gewordenen Änderungen des Verzeichnisses vorzunehmen. Dies setzt voraus, dass die Zustellung der Klage auch insoweit gesichert ist, als der gegebenenfalls erforderliche Kostenvorschuss eingezahlt ist. Ohne den entsprechenden Nachweis kann der Insolvenzverwalter die Änderung des Verzeichnisses wegen der verbleibenden Unsicherheiten hinsichtlich der Zustellung der Klage nicht vornehmen.
11
c)
Vorliegend ist das Beschwerdegericht mit Recht davon ausgegangen, dass das Telefax des Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin vom 23. Dezember 2010 an den Insolvenzverwalter nicht ausreichte, um die Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 InsO zu wahren. Das Schreiben enthielt keine ausdrückliche anwaltliche Versicherung. Davon abgesehen entsprach die Erklärung auch nicht den inhaltlichen Anforderungen an eine solche Versicherung. Zwar musste der Prozessbevollmächtigte in dem Telefax keine Erklärung zu der Frage der Einzahlung des Kostenvorschusses abgeben, weil die Klägerin als Kommune gemäß § 2 GKG Kostenfreiheit genießt. An der unterlassenen Einzahlung des Kostenvorschusses konnte die Zustellung der Klage nicht scheitern. Aus dem Schreiben war aber nicht ersichtlich, dass die Klageschrift tatsächlich beim zuständigen Prozessgericht eingegangen war. Der bloße Hinweis, die Klage sei eingereicht, erschöpfte sich in der Mitteilung eines Rechtsbegriffs. Er ließ offen, ob dies durch Übersendung der Klage auf dem Postweg, persönliche Abgabe durch den Prozessbevollmächtigten oder Einwurf durch einen Kanzleiangestellten bei dem Gericht geschehen war. Der Erklärung war nicht zu entnehmen, ob der Schriftsatz tatsächlich beim Prozessgericht eingegangen war. Der dem Telefax beigefügte Abdruck der Klage enthielt auch keinen entsprechenden Hinweis. Ein Eingangsstempel des Landgerichts war auf dem Schriftsatz nicht angebracht. Eine Eingangsbestätigung des Landgerichts fehlte. Im Hinblick auf diese Versäumnisse musste der Insolvenzverwalter nicht die Überzeugung gewinnen, dass demnächst mit einer Zustellung der Klage zu rechnen war. Solange dem Insolvenzverwalter dieser Nachweis nicht vorlag, brauchte er das Verteilungsverzeichnis nicht zu ändern.
Kayser
Raebel
Pape
Grupp
Möhring