16.07.2013 · IWW-Abrufnummer 132199
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 20.06.2013 – IX ZB 11/12
Ein Schuldner verschwendet kein Vermögen, wenn er das Mobiliar einer gepachteten Gaststätte unentgeltlich auf einen Erwerber in der Erwartung überträgt, dass der Verpächter diesem die Gaststätte nur verpachten wird, wenn er die in Höhe des Verkehrswerts des Mobiliars offen stehenden Ansprüche auf Zahlung der Pacht begleicht.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Grupp und die Richterin Möhring
am 20. Juni 2013
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 12. Januar 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der spätere Schuldner erwarb im Januar 2005 von einem Vorpächter die Gaststätte P. in Reutlingen unter anderem gegen Zahlung von 20.000 €. Etwa einen Monat vor Stellung des Insolvenzantrags überließ er sie seiner damaligen Lebensgefährtin ohne direkte Gegenleistung; diese zahlte an den Verpächter etwa 5.000 € auf rückständige Pachtverbindlichkeiten des Schuldners.
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Auf Eigenantrag des Schuldners wurde am 24. Juli 2008 über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt H. als Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verglich sich im Sommer 2009 mit der Lebensgefährtin des Schuldners dahin, dass diese zur Abwendung einer Anfechtungsklage im Hinblick auf die Überlassung der Gaststätte 5.000 € an die Masse zahlte.
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Im Schlusstermin haben zwei Insolvenzgläubiger beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Zur Begründung haben sie sich unter anderem darauf berufen, dass dieser die Gaststätte unentgeltlich an seine Lebensgefährtin abgegeben habe. Das Insolvenzgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt, das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner sinngemäß erreichen, dass die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben werden und ihm die Restschuldbefreiung angekündigt wird.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 6, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 Abs. 1 bis 3 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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1. Das Landgericht hat ausgeführt, das Insolvenzgericht habe zu Recht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt, weil aufgrund des unstreitigen Sachverhalts der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO feststehe. Der Schuldner habe durch die unentgeltliche Überlassung der Gaststätte an seine Lebensgefährtin sein Vermögen verschwendet. Nach dem Vorbringen des Schuldners sei davon auszugehen, dass die Zahlungen der Übernehmerin an den Verpächter nicht von vornherein zwischen dem Schuldner und der Erwerberin vereinbart gewesen, sondern auf Anforderung des Verpächters als Gegenleistung für seine Zustimmung zum Mieterwechsel geleistet worden seien. Die Zahlungen der Erwerberin an die Masse zur Abwendung einer Anfechtungsklage aufgrund des Vergleichs mit dem Insolvenzverwalter seien bei der Prüfung der Voraussetzung der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht zu berücksichtigen, weil es im Rahmen der Entscheidung über die Restschuldbefreiung für die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger alleine auf den Zeitpunkt der verschwenderischen Vermögensübertragung ankomme. Auch die subjektiven Voraussetzungen dieses Versagungstatbestandes lägen vor.
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2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch vereitelt hat, dass er Vermögen "verschwendet" hat. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zur Insolvenzordnung sollten mit diesem Begriff vor allem Ausgaben für Luxusaufwendungen erfasst werden (BT-Drucks. 12/2443, S. 190). Eine Verschwendung im Sinne von § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist aber auch dann anzunehmen, wenn Werte außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise verbraucht werden oder Ausgaben im Verhältnis zum Gesamtvermögen und dem Einkommen des Schuldners grob unangemessen und wirtschaftlich nicht begründet erscheinen. Ebenfalls kommt die schenkweise Hergabe von Vermögensgegenständen ohne nachvollziehbaren Anlass als Verschwendung in Betracht, wenngleich eine nach § 134 InsO anfechtbare Schenkung für sich genommen nicht ohne weiteres den Versagungsgrund ausfüllt (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - IX ZB 169/10, NZI 2011, 641 Rn. 10 f). Der Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO kann schließlich gegeben sein, wenn der Schuldner ohne zwingenden wirtschaftlichen Grund Waren erheblich unter dem Einkaufs-, Gestehungs- oder Marktpreis veräußert oder Leistungen weit unter Wert erbringt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2009 - IX ZB 141/08, NZI 2009, 325 Rn. 10).
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b) Mit dem vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt kann eine Vermögensverschwendung durch den Schuldner danach nicht begründet werden. Das Landgericht hat allein auf die Überlassung des Gaststättenmobiliars abgestellt. Weiter hat es für möglich angesehen, dass dessen Verkehrswert im Zeitpunkt der Überlassung nicht mehr als 5.000 € betragen habe. Dann aber hat der Schuldner durch die Übertragung des Mobiliars auf die damalige Lebensgefährtin nichts verschwendet, weil das Mobiliar nicht außerhalb einer sinnvollen und nachvollziehbaren Verhaltensweise übertragen worden ist. Der Verpächter hatte Ansprüche gegen den Schuldner auf rückständige Pacht in Höhe von etwa 5.000 €, die die damalige Lebensgefährtin und Erwerberin der Gaststätte ausgeglichen hat. Zwar ist nach der Beschwerdeentscheidung davon auszugehen, dass diese die Schulden nicht als Gegenleistung für die Übertragung des Mobiliars übernommen hat. Dem Schuldner war jedoch klar, dass der Verpächter die Erwerberin nur dann als neue Gaststättenpächterin akzeptieren werde, wenn sie die Altschulden übernehme, womit der Verkehrswert des Mobiliars - wenn er die Gaststätte mitsamt dem Mobiliar übertragen wollte - von vornherein mit diesen Verbindlichkeiten belastet war.
III.
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Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen (§ 577 Abs. 4 ZPO), das die geltend gemachten Versagungsgründe vollständig neu zu prüfen haben wird. Dabei wird es zu beachten haben, dass es nach dem Vortrag der Versagungsantragsteller nicht allein um die Übereignung des Gaststättenmobiliars gegangen sei, sondern der Schuldner seiner damaligen Lebensgefährtin den gesamten Gaststättenbetrieb unentgeltlich übergeben haben soll. Das Beschwerdegericht wird deswegen zu prüfen haben, welchen objektiven Verkehrswert die gepachtete Gaststätte im Sommer 2008 gehabt hat.
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Ist dem Versagungsantragsteller wie vorliegend die Glaubhaftmachung des Versagungsgrundes gelungen, so gilt für das weitere Verfahren die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts. Danach ist das Beschwerdegericht verpflichtet, das Vorliegen des Versagungsgrundes von Amts wegen zu ermitteln. Art und Umfang der Ermittlungen richten sich zwar nach seinem pflichtgemäßen Ermessen und nach den jeweiligen Behauptungen und Beweisanregungen der Verfahrensbeteiligten, hier der Versagungsantragsteller und des Schuldners (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - IX ZB 170/11, WM 2013, 1030 Rn. 10). Vorliegend wird das Beschwerdegericht jedoch zu berücksichtigen haben, dass die Versagungsantragsteller vorgetragen haben, ein direkter Nachbar habe im Sommer 2008 die Gaststätte erwerben und mindestens 15.000 bis 20.000 € für sie bezahlen wollen.
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Kann sich das Beschwerdegericht von diesem Sachverhalt überzeugen, liegt es nahe, dass der Schuldner Vermögen verschwendet hat, indem er die Gaststätte, die einen Wert von mindestens 10.000 € (nämlich 15.000 € abzüglich der rückständigen Pachtverbindlichkeiten) hatte, unentgeltlich übertragen hat. Ebenso nahe liegt die Schlussfolgerung auf den subjektiven Tatbestand des Versagungsgrundes, wenn der Schuldner von dem Kaufinteresse des Nachbarn wusste.
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Unerheblich ist, dass der Insolvenzverwalter die unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten und die Gaststätte zur Masse zurückverlangen konnte (§ 143 Abs. 1 InsO). Die unentgeltliche Übertragung eines Vermögensgegenstandes an einen Dritten stellt unabhängig davon eine Vermögensverschwendung dar, ob diese unentgeltliche Leistung nach den Vorschriften der Insolvenzordnung (§§ 129 ff InsO) rückgängig gemacht werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2011 - IX ZB 169/10, NZI 2011, 641 Rn. 9). Schenkungen, die nicht nur gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke von geringem Wert darstellen, sind nach § 4 AnfG oder § 134 InsO anfechtbar, können aber durchaus unter den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO fallen, weil sich das Vermögen des Schuldners durch sie verringert hat (BGH, aaO Rn. 11).
Kayser
Raebel
Lohmann
Grupp
Möhring