03.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141000
Sozialgericht Berlin: Urteil vom 14.11.2013 – S 88 SO 1612/10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sozialgericht Berlin
Urt. v. 14.11.2013
Az.: S 88 SO 1612/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) durch den Beklagten.
Der Kläger ist Inhaber eines Bestattungsunternehmens mit Sitz in Berlin. Die 1927 geborene, zuletzt in der Stadt Falkensee (Landkreis Havelland) wohnende, unabhängig von Sozialhilfeleistungen lebende und am 23. Februar 2009 in einem Krankenhaus der Stadt Nauen (Landkreis Havelland) verstorbene Frau E. A. S. hatte dem Kläger am 12. September 1994 einen vorzeitigen Bestattungsauftrag für eine Feuerbestattung mit Beisetzung der Urne auf einem Friedhof in Berlin erteilt. Die Deckung der Bestattungskosten sollte durch das Sterbegeld der gesetzlichen Krankenkasse und eine Versicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen erfolgen. Ein Restbetrag sollte vom Lebensgefährten der Verstorbenen beglichen werden. Nachdem der Lebensgefährte der Verstorbenen vorverstorben war, wurde der vorzeitige Bestattungsauftrag unter dem 12. Mai 1998 dahingehend geändert, dass nunmehr die Restzahlung durch den Erben, ein Tierheim, erfolgen sollte. Mit Testament vom 8. Mai 1998 hatte die Verstorbene das Tierheim als Alleinerben eingesetzt. Nachdem die Erblasserin gestorben war, setzte das Tierheim den Kläger davon in Kenntnis, der den Leichnam aus dem Krankenhaus abholte und dessen Einäscherung in einem Krematorium in Berlin veranlasste. Das Tierheim schlug die Erbschaft in der Folgezeit jedoch aus, worauf hin die Verwaltung des Friedhofs die bereits angesetzte Beisetzung der Urne absagte und den Kläger zu deren Abholung aufforderte. Der Kläger kam dem nach und bewahrt die Urne seitdem bis heute bei sich auf. Die im Zusammenhang mit der durchgeführten Einäscherung sowie der Aufbewahrung der Urne entstanden bzw. durch eine Beisetzung noch entstehenden Kosten beziffert der Kläger ausweislich seiner in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufstellung vom 14. November 2013, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, auf insgesamt 3.934,00 Euro.
Am 19. Oktober 2009 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII mit der Begründung, zur Bestattung Verpflichteter im Sinne der Vorschrift sei auch derjenige, der sich vertraglich gegenüber einem Verstorbenen zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet habe. Aufgrund seiner Verpflichtung als Bestatter zur Bestattung gegenüber der Verstorbenen trage er dafür zunächst notwendiger Weise die Kosten. Nach der Ausschlagung der Erbschaft durch den testamentarischen Erben habe das Nachlassgericht mitgeteilt, mangels erkennbarer Erbmasse keine Nachlasspflegschaft einzusetzen. Die im vorzeitigen Bestattungsauftrag genannte private Versicherung sei nach Auskunft des Versicherungsunternehmens bereits im Jahre 2005 erloschen. Der Beklagte lehnte die begehrte Kostenübernahme mit Bescheid vom 14. April 2010 mit der Begründung ab, der Kläger zähle nicht zum Kreis der nach Landesrecht bestattungspflichtigen Personen. Den dagegen vom Kläger am 22. April 2010 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2010 mit der Begründung zurück, die Ordnungsbehörde hätte für die Bestattung der Verstorbenen sorgen müssen. Der Kläger sei aufgrund der Information durch das Tierheim tätig geworden und habe daher offenbar mit diesem einen Werkvertrag geschlossen und müsse seine Ansprüche aus diesem Vertrag gegenüber dem Tierheim durchsetzen. Der Kläger selbst sei jedenfalls nicht bestattungskostenpflichtig geworden.
Der Kläger hat am 21. Juni 2010 zunächst Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben, das das Verfahren mit Beschluss vom 1. Juli 2010 wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Sozialgericht Berlin verwiesen hat, wo es am 21. Juli 2010 eingegangen ist. Der Kläger behauptet, dass das Tierheim ihm keinen Bestattungsauftrag erteilt habe. Darüber hinaus vertritt er die Auffassung, dass die Verpflichtung im Sinne von § 74 SGB XII auch durch zivilrechtlichen Vertrag wie den vorliegenden vorzeitigen Bestattungsauftrag entstehen könne. Schließlich böten sich seiner Ansicht nach sowohl im Brandenburger als auch im Berliner Landesrecht Anknüpfungspunkte dafür, dass auch Bestatter als Bestattungspflichtige anzusehen seien.
Der Kläger beantragt,
den Beklagen unter Aufhebung des Bescheides vom 14. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2010 zu verurteilen, die Kosten der Bestattung für die verstorbene Frau E. A. S. in Höhe von 3.934,00 Euro zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dabei nimmt er zur Begründung Bezug auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und legt ergänzend dar, dass der vorzeitige Bestattungsauftrag lediglich zivilrechtlicher Natur gewesen sei, dem keine öffentlich-rechtliche Auswirkung auf die Bestattungs- und Kostentragungspflicht zukomme.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und deren Inhalte Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 14. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 74 SGB XII gegen den Beklagten auf Übernahme der Bestattungskosten für die verstorbene Frau E. A. S. in Höhe von 3.934,00 Euro.
Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfeträger übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Örtlich zuständiger Sozialhilfeträger für die Leistungserbringung nach § 74 SGB XII ist nach § 98 Absatz 3 SGB XII in den Fällen, in denen der Verstorbene - wie hier - selbst keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen hat, der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt. Danach ist der Beklagte als Landkreis, in dessen Gebiet die Stadt liegt, in der die Verstorbene in einem Krankenhaus gestorben ist, als örtlicher Träger nach § 97 Absatz 1 SGB XII in Verbindung mit § 2 Absatz 1 des Brandenburger Gesetzes zur Ausführung des SGB XII sachlich und örtlich für die begehrte Kostenübernahme zuständig.
Der Kläger als Bestattungsunternehmer zählt vorliegend jedoch nicht zum Kreis der bestattungspflichtigen Personen im Sinne des § 74 SGB XII. Bestattungspflichtig ist derjenige, der letztlich verpflichtet ist, die Kosten einer Bestattung zu tragen (vgl. bereits Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zur Vorgängervorschrift in § 15 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), Urteil vom 5. Juni 1997 - 5 C 13/96, Rn.9 bei [...]), also derjenige, der der Kostenlast von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2002 - 5 C 14/01, Rn.13 bei [...]). Dabei handelt es sich um einen besonderen zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Status, der erbrechtlich, unterhaltsrechtlich oder polizeirechtlich begründet sein kann (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R, Rn.13 m.w.N. bei [...]; Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 20/10 R, Rn.17 m.w.N. bei [...]).
Ein derartiger Status kommt dem Kläger, der sich - wie sich bereits aus dem Wortlaut des vorzeitigen Bestattungsauftrages ergibt - vertraglich gegenüber der Verstorbenen allein zur Durchführung der Bestattung, jedoch nicht zur Tragung der dabei entstehenden Kosten verpflichtet hat, vorliegend nicht zu (vgl. im Ergebnis auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 17. November 2011 - III ZR 53/11, Rn.24 bei [...]). Er ist weder erbrechtlich noch unterhaltsrechtlich zur Bestattung der Verstorbenen verpflichtet gewesen. Ihn trifft auch keine landesrechtliche Bestattungspflicht. Nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg (BbgBestG) haben für die Bestattung eines Verstorbenen die volljährigen Angehörigen in folgender Reihenfolge zu sorgen: Die durch die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft verbundene Person, die Kinder, die Eltern, die Geschwister, die Enkelkinder, die Großeltern und der Partner einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Der Kläger zählt nicht zu diesem Personenkreis, der im Übrigen auch vom Berliner Bestattungsgesetz in dessen § 16 ähnlich beschrieben wird. Die landesrechtliche Regelung im jeweiligen Bestattungsgesetz ist als öffentlich-rechtliche Verpflichtung nicht nur zur Bestattung, sondern auch zu deren Kostenübernahme abschließender Natur, da die ordnungsbehördliche Inanspruchnahme einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf. Anders als etwa § 10 Absatz 2 des Sächsischen Bestattungsgesetzes begründet weder in Brandenburg noch in Berlin der Vertrag eines Verstorbenen mit einem Bestattungsunternehmen dessen Bestattungspflicht. Wenn der Kläger als Gegenleistung für eine Bestattung auf eine durch eine allgemein bekannte Gesetzesänderung entfallene Leistung aus der Sozialversicherung, eine ungesicherte Versicherungsleistung eines privaten Versicherers sowie die Zahlung durch einen Erben vertraut, der das Erbe ausschlagen kann mit der Folge, dadurch der Verpflichtung aus § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu entgehen, bzw. der in Gestalt des Fiskus als gesetzlichem Erbe nur mit dem Nachlass haftet, zählt die Einbringlichkeit der Forderung zu seinem unternehmerischem Risiko, das vorliegend nicht über § 74 SGB XII auf den Sozialhilfeträger abgewälzt werden kann.
Da der Kläger seine Klage auf eine sozialhilferechtliche Anspruchsgrundlage gestützt hat, zählt er zum kostenprivilegierten Personenkreis nach § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG), so dass das Verfahren kostenfrei ist und die Kostenentscheidung auf § 193 Absatz 1 SGG beruht und dem Ergebnis in der Hauptsache folgt.